Online-Nachricht - Mittwoch, 08.08.2018

Verfahrensrecht | Bindungswirkung einer rechtswidrigen Bescheinigung (BFH)

Hat die zuständige Gemeindebehörde eine bindende Entscheidung über die von ihr nach § 7h Abs. 1 EStG zu prüfenden Voraussetzungen getroffen, hat das FA diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, die Bescheinigung wird förmlich zurückgenommen, widerrufen oder ist nach § 44 VwVfG nichtig und deshalb unwirksam (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist. Die Bescheinigung ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung des § 7h EStG und Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

Sachverhalt: Die Kläger beantragten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erhöhte Absetzungen gemäß § 7h EStG. Das FA erkannte die erhöhten Absetzungen jedoch nicht an. Hiergegen wandten sich die Kläger. Das Verfahren wurde vom FG zunächst ausgesetzt, weil sich die Kläger darüber hinaus mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) gegen die Rücknahme der Bescheinigung wandten. Mit rechtskräftigem Urteil des VG wurde der Klage stattgegeben und der Rücknahmebescheid der Stadt aufgehoben.

Das FG hat die Klage trotzdem abgewiesen. Die Kläger hätten die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG nicht durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachgewiesen. Die Bescheinigung der Stadt sei zwar rechtswirksam, entfalte aber aus Gründen des Rechtsmissbrauchs für das FA keine Bindungswirkung, weil in ihr wahrheitswidrig bescheinigt werde, dass an dem Gebäude Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB durchgeführt worden seien, obwohl objektiv feststehe, dass es ein solches Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot niemals gegeben habe.

Der BFH gab der Klage statt:

  • Mangels eigener Sachkunde ist es den Finanzbehörden nicht möglich zu überprüfen, ob Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 EStG durchgeführt worden sind. Die Finanzverwaltung erkennt an, dass die Bescheinigung der Gemeindebehörde keiner Nachprüfung unterliegt (vgl. R 7h (4) Satz 2 EStR).

  • Eine Bescheinigung ist bindend, und zwar unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit.

  • Hat die Bescheinigungsbehörde eine bindende Entscheidung über eine der in § 7h Abs. 1 EStG genannten Voraussetzungen getroffen, hat das FA diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, sie wäre von der Bescheinigungsbehörde förmlich zurückgenommen oder widerrufen worden oder nach § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nichtig und deshalb unwirksam.

  • Besteht eine wirksame Bescheinigung, entfaltet diese die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids. Ist die Bescheinigung hinsichtlich der von der Gemeinde zu prüfenden Voraussetzungen inhaltlich unrichtig, ändert auch dies ungeachtet der etwaigen Rechtswidrigkeit nichts an der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids.

Quelle: ; NWB Datenbank (Ls)

Fundstelle(n):
NWB FAAAG-91190