BFH Beschluss v. - VII B 143/01

Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) wegen rückständiger Steuern und Nebenleistungen zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgefordert worden. Nach erfolglosem Einspruch blieb auch die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg. Das FG hielt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 AO 1977 für erfüllt und das dem FA dabei eingeräumte Ermessen für pflichtgemäß ausgeübt. Die Zeitspanne zwischen dem fruchtlosen Vollstreckungsversuch anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am und der getroffenen Verfügung vom sei nicht zu lang, zumal das FA in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben sei und durch Forderungspfändungen und Auskunftsersuchen versucht habe, die rückständigen Forderungen mittels anderer, den Vollstreckungsschuldner weniger belastender Maßnahmen zu realisieren.

Seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensfehler. Von grundsätzlicher Bedeutung hält der Kläger die Rechtsfrage, welche Zeitspanne zwischen Vollstreckungsversuch und Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch hinnehmbar sei. Der Kläger ist der Auffassung, bei einer Zeitspanne von knapp fünf Monaten wie im Streitfall lägen entweder die Voraussetzungen des § 284 AO 1977 nicht vor oder die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei unter solchen Umständen ermessensfehlerhaft. Ferner rügt der Kläger als Verfahrensfehler die Nichteinhaltung der Ladungsfrist zur mündlichen Verhandlung. Er habe den Benachrichtigungsschein über die Niederlegung der Ladung zur mündlichen Verhandlung am erst am Abend des in seinem Briefkasten vorgefunden. Unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs hätte das FG seinem per Fax am gestellten Terminverlegungsantrag stattgeben müssen. Da das FG den Termin am in seiner Abwesenheit durchgeführt habe, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), fehlt es an der ordnungsgemäßen Darlegung i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist es vor allem erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage benennt und auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. z.B. Beschluss vom I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Darüber hinaus sind Angaben dazu erforderlich, inwiefern die richtige Antwort auf die in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu ihr in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (vgl. , BFH/NV 2001, 175). Insoweit hat sich durch die Neufassung der Vorschriften über die Revisionszulassung nichts geändert. Die vom BFH zu §§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entwickelten Rechtsgrundsätze gelten daher auch für das ab geltende neue Revisionszulassungsrecht der §§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO weiter (, BFH/NV 2002, 51, m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerde nicht. Es fehlt an der Darlegung der unterschiedlichen Auffassungen zu der aufgeworfenen Rechtsfrage. Soweit sich die Beschwerde zur Stütze ihrer Auffassung auf Schwarz (Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl., § 284 Rz. 4) beruft, zitiert sie nur einen Teil der dort getroffenen Aussage. Dumke in Schwarz (a.a.O.) führt, allerdings ohne weitere Begründung, aus, dass ein Ermessensfehler gegeben sein kann, wenn zwischen dem erfolglosen Vollstreckungsversuch und der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein längerer Zeitraum liegt und —das hat die Beschwerde weggelassen— für die Aussichtslosigkeit eines Vollstreckungsversuchs keine Anhaltspunkte vorliegen. Hieraus wird deutlich, dass nach Auffassung dieses Autors das Verstreichen eines längeren Zeitraums nach dem fruchtlosen Vollstreckungsversuch für sich allein (wobei sich noch die Frage stellt, was genau unter ”längerem Zeitraum” zu verstehen ist) nicht ausreichend sein soll, einen Ermessensfehler der Behörde zu begründen. Ferner hat es der Kläger unterlassen, die nach seinem Vortrag zu dieser Frage vorhandenen Entscheidungen der Zivilgerichte, die freilich deutlich voneinander abwichen, zu benennen und sich mit ihnen auseinander zu setzen. Eine ordnungsgemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO kann in den Ausführungen des Klägers daher nicht gesehen werden. Dies macht die Beschwerde insoweit unzulässig.

Abgesehen davon teilt der Senat die Auffassung des FG, dass ein Zeitraum von knapp fünf Monaten zwischen dem ergebnislosen Vollstreckungsversuch und der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weder die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 beseitigt noch zwingend einen Ermessensfehler der Vollstreckungsbehörde bei der schließlichen Aufforderung zur Abgabe der Versicherung begründet. Dies gilt umso mehr, als das FA im Streitfall in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben ist und weitere Vollstreckungsversuche unternommen bzw. vorbereitet hat. Ferner ändert auch die Tatsache, dass das vom Kläger angerufene Landgericht die dem Vollstreckungsversuch in der Wohnung des Klägers zugrunde liegende Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts mangels vorheriger Anhörung des Vollstreckungsschuldners und Fehlens einer zeitlichen Befristung als rechtswidrig beanstandet hat, nichts daran, dass der Vollstreckungsversuch fruchtlos war und daher nicht zu einer vollständigen Befriedigung (§ 284 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) des Vollstreckungsgläubigers geführt hat.

2. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) bei der Ladung geltend macht, kann dahinstehen, ob er diesen in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt hat, denn dem FG ist der behauptete Verfahrensfehler jedenfalls nicht unterlaufen.

Unstreitig hat der Kläger den Benachrichtigungsschein darüber, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem FG am durch Niederlegung bei der örtlichen zuständigen Poststelle am zugestellt worden ist, am Abend des , einem Donnerstag, in seinem Briefkasten vorgefunden. Ferner steht nach Lage der Akten fest, dass das FG unter Einhaltung der Vorschriften des § 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGO die Ladung ordnungsgemäß ausgefertigt hat. Selbst wenn man unter diesen Umständen auf Grund des Vortrags des Klägers davon ausginge, dass es beim Einwerfen des Benachrichtigungsscheins in den Briefkasten des Klägers am Tag der Zustellung zu Fehlern gekommen sein muss, so wären diese Zustellungsmängel nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes mit dem Auffinden des Benachrichtigungsscheins durch den Kläger am als geheilt und damit die Zustellung insgesamt als ordnungsgemäß anzusehen.

Der Kläger hat nicht vorgetragen, wann er das Schriftstück bei der Poststelle abgeholt und Kenntnis von seinem Inhalt genommen hat. Da er indes mit per Fax übermitteltem Schreiben vom , einem Sonntag, beim FG Antrag auf Terminsverlegung gestellt hat, muss der Senat davon ausgehen, dass der Kläger die Ladung entweder am 11. oder am 12. Mai bei der Poststelle abgeholt und ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem anberaumten Termin hatte. Diese Tatsache schließt das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 119 Nr. 4 FGO —Mangel der Vertretung im Verfahren— aus (vgl. , BFH/NV 1995, 225, m.w.N.).

3. Die durch den —hier unterstellten— Zustellungsfehler eingetretene Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) auf zwei oder drei Tage stellt als solche, ebenso wie die vom Vorsitzenden des Gerichts abgekürzte Frist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO), keinen Verfahrensmangel dar, auf den eine Nichtzulassungsbeschwerde mit Aussicht auf Erfolg gestützt werden könnte; sie kann allerdings das Recht des Beteiligten auf Gehör verletzen (vgl. , BFHE 195, 530, BStBl II 2001, 681). Insoweit erfüllt die vom Kläger erhobene Rüge aber nicht die Anforderungen, die an eine solche Rüge zu stellen sind. Denn zumindest hätte der Kläger darlegen müssen, weshalb er den Termin zur mündlichen Verhandlung eingedenk der Kürze der Ladungsfrist nicht hat wahrnehmen können, um sich bei Gericht rechtliches Gehör zu verschaffen. Hierzu enthält der Terminverlegungsantrag des Klägers nichts. Das FG hat diesen Antrag folglich mit Recht zu Beginn der mündlichen Verhandlung durch Beschluss abgelehnt (§ 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung). Infolge der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem FG in Abwesenheit des Klägers ist dessen Recht auf Gehör nicht verletzt worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1124 Nr. 9
LAAAA-68643