BAG Urteil v. - 7 AZR 291/15

Befristung - Vertragsauslegung

Gesetze: § 14 Abs 1 S 2 Nr 4 TzBfG, § 3 Abs 1 TzBfG

Instanzenzug: Az: 4 Ca 15748/13 4 Ca 17626/13 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 24 Sa 525/14 24 Sa 594/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am geendet hat, und über die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Kündigung der Beklagten vom zum .

2Der Kläger ist Beamter bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages. Er wurde seit dem für jeweils eine Legislaturperiode von seinem Dienstherrn für eine Tätigkeit bei der beklagten Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei (FDP) beurlaubt. Diese schloss mit dem Kläger jeweils mit Beginn der Legislaturperiode einen Dienstvertrag. Die Absätze 1 bis 5 des zuletzt geschlossenen Dienstvertrags vom lauten:

3Der Kläger hatte als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Beklagten die Aufgabe, Informationen zu sammeln, die Fraktion in fachlichen Fragen zu beraten sowie deren wirtschaftspolitische Anhörungen und Fachtagungen vor- und nachzubereiten.

4Nachdem die FDP bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am an der „5 %-Hürde“ gescheitert war, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass er ausweislich seines Dienstvertrags bis zum Ende des übernächsten der Beendigung der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages folgenden Monats bei ihr beschäftigt sei. Das Dienstverhältnis ende somit am . Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum .

5Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum und der Kündigung der Beklagten zum gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, der Dienstvertrag sei nicht befristet. Absatz 1 des Vertrags gebe lediglich die Tatsache der Beurlaubung wieder. Jedenfalls sei eine etwaige Befristung unwirksam. Die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt und überdies gemäß § 17 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam, da die Beklagte die Entlassung der Agentur für Arbeit - unstreitig - nicht angezeigt habe.

6Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund Befristung am geendet. Absatz 1 des Dienstvertrags enthalte eine Befristungsabrede. Die Befristung sei wegen der Eigenart der Tätigkeit des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Parlamentsfraktion nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung am beendet worden.

8Das Arbeitsgericht hat dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf am geendet hat, stattgegeben und den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die Abweisung des Kündigungsschutzantrags gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten auch den Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf am geendet hat, abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger diese Anträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

9Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Fristablauf am geendet hat, und soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Klägers auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine im Vertrag vom enthaltene Befristungsabrede am geendet hat, zu Unrecht abgewiesen. Insoweit ist die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Die Kündigungsschutzklage kann mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung nicht abgewiesen werden. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom am geendet hat. Insoweit ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

10I. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine im Vertrag vom enthaltene Befristungsabrede am geendet hat, zu Unrecht abgewiesen. Der Antrag ist zulässig und begründet.

111. Bei diesem Klageantrag handelt es sich nicht lediglich um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG, mit der der Kläger die Unwirksamkeit einer Befristung geltend macht, sondern auch um eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Dies ergibt die Auslegung des Klagebegehrens unter Heranziehung der Klagebegründung sowie unter Berücksichtigung des Klageziels und der richtig verstandenen Interessenlage des Klägers (vgl. hierzu  - Rn. 15 mwN). Der Kläger hat sich nicht nur auf die Unwirksamkeit einer Befristungsabrede berufen. Er hat auch geltend gemacht, dass eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zum Ende des übernächsten der Beendigung der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages folgenden Monats nicht vereinbart worden sei. Dieses Klagebegehren ist mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO geltend zu machen ( - Rn. 10, BAGE 126, 295; - 7 AZR 662/05 - Rn. 13; - 7 AZR 440/03 - zu I 2 a, b und 3 der Gründe, BAGE 111, 148). Für den allgemeinen Feststellungsantrag besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, da sich die Beklagte der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung zum berühmt.

122. Der Antrag ist schon deshalb begründet, weil die Parteien keine Befristung zum Ende des übernächsten der Beendigung der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages folgenden Monats vereinbart haben. Das ergibt die Auslegung des Dienstvertrags der Parteien.

13a) Die Auslegung der Abrede in Absatz 1 des Dienstvertrags richtet sich nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln. Die Vorinstanzen haben angenommen, der Dienstvertrag enthalte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dies hat die Beklagte nicht beanstandet.

14b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind ( - Rn. 13; - 6 AZR 383/14 - Rn. 25, BAGE 152, 82). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss ( - Rn. 25). Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten ( - Rn. 16).

15Umstände, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt sind oder die den besonderen Einzelfall kennzeichnen, dürfen bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht herangezogen werden. Das ergibt sich auch aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach die den Vertragsschluss begleitenden Umstände nur bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sind. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass jegliche Begleitumstände für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen unbedeutend sind. Ausgeschlossen sind vielmehr nur konkret-individuelle Umstände. Zur Auslegung heranzuziehen sind hingegen auch sonstige Begleitumstände, die nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren vertraglichen Abrede begleiten (vgl. etwa  - Rn. 34).

16Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung ( - Rn. 14; - 6 AZR 383/14 - Rn. 23, BAGE 152, 82; - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294).

17c) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Regelung in Absatz 1 des Dienstvertrags der Parteien nicht als Befristungsabrede zu verstehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit setzt die Befristung eines Arbeitsvertrags (§ 3 Abs. 1 TzBfG) eine klare und verständliche Vereinbarung der Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Fristablauf oder - im Fall der Zweckbefristung - über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Zweckerreichung voraus (vgl.  - Rn. 23; - 7 AZR 541/04 - Rn. 36; KR-Bader 11. Aufl. § 3 TzBfG Rn. 9; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 3 TzBfG Rn. 5). Daran fehlt es hier. Die Regelung in Absatz 1 des Dienstvertrags enthält nicht die erforderliche unmissverständliche Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Ende des zweiten Monats nach Beendigung der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages enden soll.

18aa) Nach seinem Wortlaut beschreibt Absatz 1 des Dienstvertrags lediglich die Beurlaubung des Klägers im Beamtenverhältnis. Für eine Befristungsabrede übliche Aussagen wie „Das Arbeitsverhältnis ist bis zum … befristet“ oder „Das Arbeitsverhältnis endet am …, ohne dass es einer Kündigung bedarf“ fehlen ebenso wie Formulierungen, die einen gemeinsamen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen.

19bb) Allerdings ist Absatz 1 des Dienstvertrags trotz seines Wortlauts nicht lediglich als Präambel zu verstehen. Er enthält vielmehr die Vereinbarung, dass der Kläger ab dem als Fraktionsreferent im Arbeitskreis V bei der Beklagten beschäftigt wird. Das folgt aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des Dienstvertrags. Der Dienstvertrag enthält nur in Absatz 1 Angaben zur Art und zum Beginn der Arbeitsleistung, die nach § 611 Abs. 1 BGB zu dem für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt (essentialia negotii) gehören ( - Rn. 22, BAGE 148, 299). Daher ist Absatz 1 des Dienstvertrags auch als Vereinbarung über den Inhalt und den Beginn der Arbeitsleistung zu verstehen. Daraus lässt sich aber nicht zugleich eine Bestimmung zur Laufzeit des Vertrags entnehmen. Eine Vertragseinigung setzt eine Bestimmung über die Laufzeit nicht voraus.

20cc) Eine Gesamtbetrachtung der Absätze 1 und 4 des Dienstvertrags lässt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht mit der erforderlichen Klarheit die Absicht der Vertragsparteien erkennen, das Arbeitsverhältnis zum Ende der Beurlaubung zu befristen, um eine Überschneidung der Leistungspflichten aus dem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis zu vermeiden.

21(1) Die Sätze 1 und 2 des Absatzes 4 des Dienstvertrags befassen sich mit der vorzeitigen Beendigung der Beurlaubung. Nach Absatz 4 Satz 1 ist eine Aufhebung der Beurlaubung jederzeit möglich. Nach Absatz 4 Satz 2 können beide Vertragsparteien aus dieser Rechtslage keinerlei Ansprüche ableiten (zB Kündigungsfristen). Aus diesen Regelungen ergibt sich nicht die Absicht der Vertragsparteien, eine Überschneidung der Leistungspflichten aus dem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis zu vermeiden. Die Sätze 3 und 4 des Absatzes 4 betreffen die umgekehrte Fallgestaltung, die Kündigung des Dienstverhältnisses vor dem Ende der Beurlaubung. In diesem Fall soll vor der Kündigung Einvernehmen mit dem beurlaubenden Dienstherrn über eine Aufhebung der Beurlaubung herbeigeführt werden. Diese Bestimmungen dienen dem nahtlosen Übergang vom Arbeits- in das Beamtenverhältnis. Sie sollen nicht eine Überschneidung der Leistungspflichten, sondern beschäftigungslose Zeiten verhindern. Im Übrigen bedurfte es keiner Befristung des Arbeitsverhältnisses zum Ende der Beurlaubung, um eine Überschneidung der Leistungspflichten aus dem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis zu vermeiden, da eine etwaige Pflichtenkollision durch Kündigung des Dienstvertrags seitens des Klägers oder durch Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis verhindert oder beendet werden konnte.

22(2) Aus dem Hinweis auf die Kündigungsfristen in Satz 2 und der Regelung zur Kündigung in Satz 3 des Absatzes 4 des Dienstvertrags ergibt sich, dass die Parteien davon ausgingen, den Dienstvertrag ordentlich kündigen zu können. Das spricht gegen die Annahme einer Befristung des Dienstvertrags. Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nach § 15 Abs. 3 TzBfG nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Eine solche Vereinbarung ist im Dienstvertrag nicht getroffen.

23dd) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann bei der Auslegung des Dienstvertrags nicht berücksichtigt werden, dass die Beklagte mit dem Kläger und den anderen Fraktionsreferenten jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode neue Arbeitsverträge geschlossen hat. Dieser Umstand begleitet nicht den Abschluss einer jeden vergleichbaren vertraglichen Abrede. Er kann nur solchen Fraktionsreferenten bekannt sein, die zum wiederholten Mal einen Dienstvertrag mit der Beklagten schließen. Im Übrigen ergibt sich aus dem jeweiligen Neuabschluss eines Arbeitsvertrags zu Beginn einer Legislaturperiode nicht ohne weiteres, dass der Vertrag befristet sein soll.

24II. Da die Parteien keine Befristung ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, kann die gegen die Kündigung der Beklagten zum gerichtete Kündigungsschutzklage nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden, das Arbeitsverhältnis habe bereits aufgrund Befristung mit Ablauf der geendet. Das angefochtene Urteil ist daher insoweit nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat bislang nicht geprüft, ob die Kündigung der Beklagten vom wirksam ist, und insoweit keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Dies ist vom Landesarbeitsgericht nachzuholen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:150217.U.7AZR291.15.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 1332 Nr. 23
NJW 2017 S. 10 Nr. 26
CAAAG-45481