BGH Urteil v. - IV ZR 340/14

Kirchliche Zusatzversorgungskasse: Bindungswirkung einer einseitigen Leistungsbestimmung durch Beschluss hinsichtlich der Festsetzung eines Sanierungsgeldhebesatzes; gerichtliche Billigkeitskontrolle der Festsetzung des Sanierungsgeldes

Gesetze: § 315 Abs 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 63 Abs 2 KiZusVKSa

Instanzenzug: Az: 7 U 192/13 Urteilvorgehend Az: 20 O 471/11

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung für die Jahre 2007, 2008 und 2009 gezahlter Sanierungsgelder nebst Zinsen.

2Die Beklagte, eine rechtlich selbständige kirchliche Einrichtung in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts, hat die Aufgabe, Beschäftigten des kirchlichen und kirchlich-caritativen Dienstes in den Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung nach den für Angestellte im öffentlichen Dienst geltenden Grundsätzen zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (im Folgenden: KZVKS) stellte die Beklagte ihre Finanzierung vom zuvor geltenden Umlageverfahren auf ein vollständig kapitalgedecktes Verfahren um. In der Folgezeit erhob sie von den Beteiligten pauschale Sanierungsgelder, deren Höhe für die Beklagte nicht tarifvertraglich festgelegt ist.

3Durch Beschluss vom setzte der Verwaltungsrat der Beklagten gemäß § 63 Abs. 2 KZVKS auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars die Höhe des zu erhebenden Sanierungsgeldes rückwirkend ab dem auf 0,75% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts fest. Nachdem das die diesem Beschluss zugrunde liegende Ermittlung der Deckungslücke beanstandet hatte, beschloss der Verwaltungsrat der Beklagten auf der Grundlage eines weiteren aktuariellen Vorschlags am , die Höhe des Sanierungsgeldes für die Jahre 2002 bis 2009 wiederum auf 0,75% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts festzusetzen. Mit Urteilen vom (IV ZR 110/10, VersR 2013, 219 und IV ZR 111/10, juris) wies der erkennende Senat die Revisionen gegen die Urteile des Oberlandesgerichts Hamm zurück.

4Die Klägerin zahlte für die Jahre 2007, 2008 und 2009 Sanierungsgeld von insgesamt 922.454,30 € an die Beklagte, das sie nebst Zinsen mit ihrer Klage zurückverlangt.

5Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die auf Rückzahlung der Sanierungsgelder gerichtete Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

6Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

7I. Das Berufungsgericht hat einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint, weil der Verwaltungsratsbeschluss vom einen Rechtsgrund für das Behalten der Sanierungsgelder bilde. Zwar sei die Beklagte im Mai 2010 noch durch den vorangegangenen Beschluss vom an einer erneuten Festsetzung der Sanierungsgelder gehindert gewesen, die Auslegung des Beschlusses vom ergebe aber, dass er mit der zulässigen Rechtsbedingung verknüpft gewesen sei, nur im Fall der später rechtskräftig festgestellten Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung vom gelten zu sollen. Die Höhe der Sanierungsgelder sei mangels tarifvertraglicher Grundentscheidung anhand des § 315 Abs. 1 BGB zu prüfen und entspreche billigem Ermessen.

8II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht durfte einen Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht verneinen. Der Verwaltungsratsbeschluss vom bildet keinen Rechtsgrund für die von der Klägerin für 2007, 2008 und 2009 geleisteten Sanierungsgelder.

91. Dieser Beschluss ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unwirksam. Dies hat der Senat mit Urteil vom (IV ZR 336/14, juris Rn. 18 ff.), das den gleichen Sachverhalt betraf, entschieden und im Einzelnen begründet. Der Beschluss enthält eine einseitige Leistungsbestimmung der Beklagten nach § 315 Abs. 1 BGB. Das ihr aus ihrer Satzung zustehende Recht, den für sie tarifvertraglich nicht festgesetzten Sanierungsgeldhebesatz zu bestimmen, hat die Beklagte zunächst durch Ausübung im Beschluss vom verbraucht. Sie war trotz Unbilligkeit der mit diesem Beschluss festgesetzten Sanierungsgeldhöhe bis zum Erlass der beiden an ihre Leistungsbestimmung gebunden. Für eine erneute Festsetzung des Sanierungsgeldhebesatzes im Beschluss vom war dementsprechend kein Raum. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Beschluss vom nicht aufschiebend bedingt nur für den Fall gefasst worden, dass der Beschluss vom rechtskräftig für unwirksam erklärt wird. Dies hat der Senat in dem Urteil vom (aaO Rn. 19 ff.) näher ausgeführt.

102. Die Festsetzung des Sanierungsgeldes im Beschluss vom ist darüber hinaus deswegen unverbindlich, weil sie nicht billigem Ermessen entspricht. Auch dies hat der Senat in dem Urteil vom (aaO Rn. 26 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet.

11a) Dem Beschluss liegt schon deshalb eine unrichtig ermittelte Deckungslücke zugrunde, weil der Verantwortliche Aktuar seinen Berechnungen nicht dem technischen Geschäftsplan der Beklagten entsprechende biometrische Rechnungsgrundlagen (Sterbetafeln) zugrunde gelegt hat (Senatsurteil vom aaO Rn. 28 ff.).

12b) Darüber hinaus ist der Sanierungsgeldhebesatz übersetzt, weil die Beklagte ihren zusätzlichen Finanzbedarf auf der Grundlage ihres derzeitigen Beitragssatzes von 4% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts ermittelt hat (Senatsurteil vom aaO Rn. 31 f.). Ob der festgesetzte Hebesatz zudem die Grenzen billigen Ermessens überschreitet, weil die vom Aktuar zugrunde gelegte Deckungslücke entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 ATV-K und Nr. 4.1 Abs. 2 AVP 2001 nicht aufgrund des finanziellen Mehrbedarfs wegen Schließung des Gesamtversorgungssystems und Wechsels von der Gesamtversorgung zum Punktemodell entstanden sein soll, kann offenbleiben, weil der Beschluss vom schon aus den oben genannten Gründen unwirksam ist (Senatsurteil vom aaO Rn. 33 ff.).

13III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Mayen                                        Felsch                                      Harsdorf-Gebhardt

                  Dr. Karczewski                              Dr. Bußmann

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:230316UIVZR340.14.0

Fundstelle(n):
DAAAF-71972