Online-Nachricht - Mittwoch, 09.03.2016

Verfahrensrecht | Verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung (BFH)

Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch die Steuerfahndung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist, dass für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig erkennbar ist, in welchen konkreten Steuerangelegenheiten ermittelt wird (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen einer Landesfinanzbehörde vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, läuft die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

Sachverhalt: Die Kläger erklärten am als Erben ihrer verstorbenen Mutter Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Jahre 1998 bis 2002 nach. Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte dem Kläger mit Schreiben vom unter Hinweis auf ein gegen ihn eingeleitetes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren und seine Selbstanzeige vom mit, dass sie mit der Überprüfung seiner Selbstanzeige für die Jahre 1999 bis 2008 beauftragt worden sei und forderte ihn u.a. auf, überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte seiner Mutter vorzulegen. Das Finanzamt erließ jeweils am nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1998 und 1999. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in letzter Instanz Erfolg.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die angefochtenen Bescheide durften gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht ergehen, da zuvor Festsetzungsverjährung eingetreten war. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war nicht gehemmt.

  • Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen ist, dass für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig erkennbar ist, in welchem konkreten Besteuerungs- bzw. Strafverfahren die Steuerfahndung ermittelt.

  • Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht gegeben, da es im Streitfall für den Kläger nicht eindeutig erkennbar war, dass Gegenstand der Ermittlungen der Steuerfahndung auch die Kapitaleinkünfte der Mutter für die Jahre 1998 und 1999 sein sollten.

Quelle: NWB Datenbank

Hinweis:

Darüber hinaus stellten die Richter in ihrer Entscheidung klar, dass unzureichende oder widersprüchliche Sachverhaltsdarstellungen im angefochtenen Urteil einen materiell-rechtlichen Fehler darstellen, der auch ohne Rüge zum Wegfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt.

Mit Urteil vom selben Tag hat der BFH darüber hinaus entschieden, dass der Hemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht entgegensteht, dass aufgrund einer Selbstanzeige (zeitweise) auch der Hemmungstatbestand des § 171 Abs. 9 AO erfüllt war. Denn die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO schließt den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht generell aus, wenn die Ermittlungen der Steuerfahndung vor dem Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist beginnen und die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht. Auch stellte der BFH klar, dass bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Frage, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist, für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen ist (; ebenfalls veröffentlicht am ).

Fundstelle(n):
NWB FAAAF-68643