Online-Nachricht - Mittwoch, 15.04.2015

Erbrecht | Ein Erbverzicht mit Folgen (OLG)

Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben, denn wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt. Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z.B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen ().

Hintergrund: Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 1 BGB).
Sachverhalt: Die Eltern des Erstbeteiligten (A) errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Sohn (A) und seine 1957 geborene Schwester (B), zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter sowie A und B im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die B ihr Nacherbenrecht auf ihren Bruder A übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen, die die B bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte. Die B verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder (C und D). In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter u.a. ihre Enkel C und D zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb auch die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin gestritten.
Hierzu führte das Gericht weiter aus:

  • Im Streitfall ist der Erstbeteiligte A Alleinerbe seiner Mutter geworden.

  • A und B sind durch das im Jahre 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 hat die Schwester B auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie ist deswegen als Erbin weggefallen.

  • Ihre Kinder sind nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der B erstreckt sich auch auf ihre Abkömmlinge.

  • Eine nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung ist im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit ist der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem A angewachsen. Insoweit enthielt auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Anmerkung: Die Erblasserin ist demnach nach dem Tode ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin als Erben einzusetzen. Dem steht das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des A bindend ist. Seine Bindungswirkung erfasst den dem A nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergibt die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall ist mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheidet, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlangt. Auch in diesem Fall wächst sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar ist die Schwester B nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie hat aber - vergleichbar mit einem solchen Verlangen - ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten hatte.
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v.
 

Fundstelle(n):
NWB OAAAF-46974