Online-Nachricht - Mittwoch, 18.04.2012

Kindergeld | Übergangszeit zwischen Schulzeit und gesetzlichem Wehr- oder Zivildienst I (BFH)

Die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, wonach für ein Kind, das nach Beendigung der Schulzeit - unabhängig davon, ob absehbar oder nicht - länger als vier Monate auf den Beginn des gesetzlichen Wehrdienstes wartet, kein Kindergeld gezahlt wird, ist weder lückenhaft noch verstößt sie gegen das Grundgesetz ( und III R 41/07; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Der Kindergeldberechtigte kann u.a. für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. (ab Veranlagungszeitraum 2007: 25.) Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld erhalten, wenn es sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen der Beendigung eines Ausbildungsabschnitts und dem Beginn der Ableistung eines Pflichtdienstes (gesetzlicher Wehr- oder Zivildienst) befindet.

Sachverhalt: In den beiden Streitfällen begehrten die Kläger Kindergeld, obwohl ihre Kinder die gesetzlich geregelte Übergangszeit von vier Monaten überschritten hatten. Sowohl die beklagten Familienkassen als auch die Finanzgerichte lehnten einen Kindergeldanspruch - wie auch der BFH - ab.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus: Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift kommt bei einem Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht. Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ist es, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen. Hierfür hat der Gesetzgeber die Fälle, in denen i.d.R. steuerlich zu berücksichtigende Unterhaltslasten bei den Eltern entstehen, typisierend geregelt (Berücksichtigung volljähriger Kinder im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung). Die Ableistung des gesetzlichen Zivil- oder Wehrdienstes hat der Gesetzgeber dagegen nicht als Berücksichtigungs-, sondern als Verlängerungstatbestand ausgestaltet. Damit bringt er zum Ausdruck, dass der Zivil- oder Wehrdienst grundsätzlich keine Berufsausbildung darstellt und sich die Eltern der Pflichtdienstleistenden in keiner Unterhaltssituation mehr befinden. Der Gesetzgeber behandelt daher im Rahmen des Familienleistungsausgleichs die Berufsausbildung bewusst anders als die gesetzlichen Pflichtdienstzeiten. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes ist nicht gegeben. Es stellt eine zulässige Typisierung dar, dass sich Eltern bei einer bis zu viermonatigen Übergangszeit weiterhin in einer Unterhaltssituation befinden. Diese Annahme ist mit Blick auf die Kürze der gesetzlich normierten Übergangszeit nicht sachfremd. Umgekehrt darf der Gesetzgeber im Hinblick auf den unterhaltsrechtlichen Grundsatz der Selbstverantwortung aber auch annehmen, dass volljährige gesunde Kinder, die längere Übergangszeiten zu überbrücken haben, während dieser Zeit eine Erwerbstätigkeit (ggf. Aushilfstätigkeit) aufnehmen.

Anmerkung: Darüber hinaus hat der BFH in III R 41/07 entschieden, dass das Finanzgericht den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen kann, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Im Falle eines zulässigen, in der Sache aber unbegründeten Einspruchs gegen einen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid kann die Familienkasse längstens eine Regelung bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung treffen.

Hinweis: Aktuell ist eine Übergangszeit zwischen der Beendigung eines Ausbildungsabschnitts und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes nicht mehr möglich. Denn der Gesetzgeber hat die gesetzliche Wehrpflicht und auch den verpflichtenden Zivildienst mit Wirkung zum ausgesetzt.

Quelle: BFH online


 

Fundstelle(n):
NWB OAAAF-43821