Online-Nachricht - Mittwoch, 01.09.2010

Einkommensteuer | Billigkeitsmaßnahmen bei unternehmerbezogenen Sanierungen (BFH)

Billigkeitsmaßnahmen sind nach den Vorgaben des (BStBl 2003 I S. 240) nur in Fällen von unternehmensbezogenen Sanierungen, mit denen das Unternehmen selbst vor dem Zusammenbruch bewahrt werden soll, möglich; unternehmerbezogene Sanierungen, bei der der Schuldenerlass den Steuerpflichtigen persönlich zugute kommen soll, werden dagegen nicht erfasst (; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. waren Sanierungsgewinne steuerfrei. Für nach dem endende Wirtschaftsjahre hat der Gesetzgeber diese Bestimmung aufgehoben, weil Verluste zu dieser Zeit unbeschränkt vortragsfähig waren. In der Gesetzesbegründung wurde jedoch darauf hingewiesen, einzelnen persönlichen oder sachlichen Härtefällen könne im Billigkeitswege (Erlass bzw. Stundung) begegnet werden. Für den Erlass von Sanierungsgewinnen aus sachlichen Billigkeitsgründen hat das BMF eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Anwendung der Billigkeitsregeln in diesen Fällen vereinheitlichen sollte ( NWB XAAAA-88108). Hiernach sind Billigkeitsmaßnahmen nur in Fällen einer unternehmensbezogenen Sanierung möglich (vgl. Tz 1, wonach eine Sanierung als Maßnahme beschrieben wird, die ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahren und wieder ertragsfähig machen soll = unternehmensbezogene Sanierung; vgl. auch NWB LAAAC-93371); nicht begünstigt ist die unternehmerbezogene Sanierung (vgl. Tz 2 Satz 2).
Hierzu führt der BFH weiter aus: Auch im Streitjahr 1998 und für eine Übergangszeit sind auf sachlichen Gründen beruhende Billigkeitsmaßnahmen jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die von der Verwaltung formulierten Voraussetzungen für den Erlass der Steuern auf einen Sanierungsgewinn nicht vorliegen. Eine Verwaltungsregelung ist ausnahmsweise aus Gründen der Gleichbehandlung von den Gerichten zu beachten, wenn der Verwaltung durch Gesetz Entscheidungsfreiheit eingeräumt wurde, die Regelung also den Bereich des Ermessens, der Billigkeit (z.B. bei Änderung der Rechtsprechung) bzw. der Typisierung oder Pauschalierung betrifft. § 227 AO räumt der Verwaltung Ermessen ein; die Ausübung dieses Ermessens aus sachlichen Billigkeitsgründen wird in den Verwaltungserlassen in NWB XAAAA-88108 und NWB HAAAD-34808 abschließend geregelt. Dass diese ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften Billigkeitsmaßnahmen in Fällen unternehmerbezogener Sanierungsgewinne ausschließen, die nicht auf einer Restschuldbefreiung bzw. einer Verbraucherinsolvenz beruhen, entspricht dem berechtigten Anliegen der Regelungen, nur das betroffene Unternehmen als solches wieder ertragsfähig werden zu lassen. Die in den Billigkeitsrichtlinien getroffenen Regelungen halten sich insoweit innerhalb der Grenzen, die das Grundgesetz und die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Ein sachlicher Billigkeitserlass der auf einem Sanierungsgewinn beruhenden Steuern ist daher stets ausgeschlossen, wenn die von der Verwaltung formulierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Daneben können aber ohne weiteres persönliche Billigkeitsgründe geltend machen werden.
Quelle: BFH online
Hinweis: Nach dem Urteil ist die unternehmensbezogene Sanierung durchaus auch weiterhin erlasswürdig. Der X. Senat führt dazu aus, dass der Gesetzgeber § 3 Nr. 66 EStG a.F. zwar aufgehoben, damit aber nicht zum Ausdruck gebracht habe, für Sanierungsgewinne gebe es keine Erlassmöglichkeit mehr. Diese Aussage ist für die Revisionskläger in dem beim VIII. Senat anhängigen Verfahren von fundamentaler Bedeutung (Az.: NWB OAAAC-80455), denn dort hatte die Vorinstanz, das FG München entschieden: "Die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne wurde für nach dem endende Wirtschaftsjahre abgeschafft. Damit entfällt wegen ausdrücklich abweichendem Willen des Gesetzgebers im Regelfall auch der von der Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte Einkommensteuererlass auf Sanierungsgewinne wegen sachlicher Unbilligkeit. Dem NWB XAAAA-88108 fehlt eine Rechtsgrundlage" ( NWB TAAAC-71137). Dass dem nicht so ist, wurde bereits im Schrifttum dargelegt (vgl. Kanzler, FR 2008, 1116). Man darf gespannt sein, wie der VIII. Senat den Fall entscheidet, bei dem es sich wohl um eine unternehmensbezogene Sanierung gehandelt hat.
 

 

 

 

Fundstelle(n):
NWB PAAAF-15598