Online-Nachricht - Donnerstag, 18.02.2010

Rückwirkendes Ereignis | Rückabwicklung eines Anteilsverkaufs lässt Gewinn entfallen (BFH)

Wird der Verkauf eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft durch die Parteien des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage tatsächlich und vollständig rückgängig gemacht, kann dieses Ereignis steuerlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken (; veröffentlicht am ).


Hintergrund: Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Fraglich war im Streitfall, ob dieser Gewinn aufgrund des Rücktritts vom Kaufvertrag mit steuerrechtlicher Wirkung wieder entfallen kann.

Sachverhalt: Die Klägerin war Geschäftsführerin einer Schweineerzeugungs- und Schweinemast-GmbH. Bis 1996 schieden bis auf die Klägerin und die Gesellschafter L und S alle weiteren Gesellschafter aus. Die drei Gesellschafter der GmbH gründeten zeitlich vor dem Streitjahr eine GbR. Die GmbH veräußerte das für die Landwirtschaft benötigte Betriebsvermögen einschließlich Vieh zum Buchwert an die GbR. Sie gewährte ihren Gesellschaftern Kredite, mit denen die Betriebskosten der GbR beglichen wurden. Am beschloss die Gesellschafterversammlung, aus dem EK 04 insgesamt 1.133.693,67 DM auszuschütten und mit den Darlehen zu verrechnen. Dadurch wurde das Darlehen der Klägerin in vollem Umfang getilgt. Am veräußerte die Klägerin ihren in Teilgeschäftsanteile von 2.100 DM und 900 DM aufgeteilten Geschäftsanteil zum Gesamtkaufpreis von 13.750,50 DM mit Zustimmung der GmbH an die beiden übrigen Gesellschafter. Das Gewinnbezugsrecht ging mit Wirkung vom Beurkundungstag an die Erwerber über. Unter Ziff. 5 regelten die Vertragsparteien Folgendes: "Die mit dieser Urkunde und ihrem Vollzug verbundenen Kosten und die evtl. Steuern fallen der Gesellschaft zur Last". Am erklärten die Parteien des Kaufvertrags den Rücktritt vom Vertrag. Zur Rückabwicklung vereinbarten sie, dass die Gesellschafter ihre von der Klägerin erworbenen Anteile an sie abtreten und die Klägerin im Gegenzug die erhaltenen Kaufpreise zurückzahlt. Die GmbH stimmte der Abtretung der Geschäftsanteile zu. Das beklagte Finanzamt (FA) berücksichtigte für das Streitjahr einen Veräußerungsgewinn, in den die Ausschüttung aus dem EK 04 einfloss. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin, den sie mit dem Rücktritt vom Kaufvertrag begründete, blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Dazu führt das Gericht weiter aus: Es kommt mit dem FG auch nicht darauf an, ob das Rücktrittsbegehren wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor den Zivilgerichten zweifellos erfolgreich gewesen wäre, wenn die Kaufvertragsparteien diesen Vertrag - wie hier - tatsächlich und vollständig wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückabwickeln und sich infolgedessen so stellen, wie sie stünden, wenn der Kaufvertrag nicht abgeschlossen worden wäre. So haben sich die Parteien des Anteilskaufvertrags nach den Feststellungen der Vorinstanz in der Tat verhalten. Sie haben sich aufgrund des Rückabwicklungsvertrags vom mit ausdrücklicher und notariell beurkundeter Zustimmung der GmbH ihre jeweiligen Leistungen zurückgewährt: Die Klägerin bekam von den Gesellschaftern L und S ihren Gesellschaftsanteil zurück und zahlte ihrerseits den Kaufpreis zurück. Weiterer Rückabwicklungsbedarf bestand nicht, weil seit dem Kaufvertrag keine Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen vorgenommen wurden.

Ist damit die "Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" auch steuerrechtlich rückwirkend entfallen, kommt es nicht zu einer Besteuerung nach § 17 Abs. 1 EStG. Da verfahrensrechtlich die Veranlagung des Streitjahres noch offen ist, bedarf es § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom NWB UAAAC-91440). Der Senat versteht die Ausführungen im BFH, Urteil v. NWB LAAAB-13893, zu § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rein materiell-rechtlich in dem Sinne, dass ein rückwirkendes Ereignis auch - wie hier - bei noch offener Veranlagung zu berücksichtigen ist. Dementsprechend ist im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr kein Veräußerungsgewinn anzusetzen.

Quelle: BFH online

 

Fundstelle(n):
NWB IAAAF-14290