Online-Nachricht - Mittwoch, 04.09.2013

Umsatzsteuer | Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung (BFH)

Steht der Änderung eines Umsatzsteuerbescheids wegen der Rechtsprechungsänderung zum Vorsteuerabzug bei unrichtigem Steuerausweis § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegen, ist der Steuerpflichtige so zu behandeln, wie er ohne die Rechtsprechungsänderung gestanden hätte. Berichtigt der Leistende seine Rechnung, ist daher auch der Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung die Änderung des Umsatzsteuerbescheids möglich gewesen wäre. Der Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung ist insoweit unmaßgeblich (; veröffentlicht am ).

Hintergrund:

  • Der BFH hatte 1998 seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass der Leistungsempfänger im Umfang des unrichtigen Steuerausweises in der Rechnung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, weshalb eine Rechnungsberichtigung für den Vorsteuerabzug keine rechtliche Bedeutung mehr hat (s. BFH, Urteil. v. - NWB WAAAA-96337 sowie NWB EAAAC-76534). Demgegenüber war der Rechnungsempfänger vor dieser Rechtsprechungsänderung grds. auch im Fall des unrichtigen Steuerausweises zum Vorsteuerabzug berechtigt. Diese beruhte auf der Überlegung, dass die in der Rechnung für eine Leistung ausgewiesene Steuer auch gesetzlich (allerdings nur nach § 14 Abs. 2 UStG) für die Leistung geschuldet wurde. Der Rechnungsempfänger hatte daher erst aufgrund einer Rechnungskorrektur den ihm gewährten Vorsteuerabzug nach § 14 Abs. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen.

  • Gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO darf bei der Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

Sachverhalt: Der Lieferant änderte im Streitfall im Jahr 2004 seine in den Jahren 1993 bis 1997 erteilten Rechnungen, weil er fälschlich den Regelsteuersatz statt des ermäßigten Steuersatzes ausgewiesen hatte. Das Finanzamt kürzte beim Leistungsempfänger daraufhin den Vorsteuerabzug für 2004, hätte nach geänderter Rechtsprechung jedoch die Vorsteuerberichtigung für die Jahre 1993 bis 1997 vornehmen müssen. Dem stand jedoch die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegen.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Die Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO hat zur Folge, dass zugunsten des Steuerpflichtigen die bisherige Rechtslage vor Änderung der Rechtsprechung weiterhin maßgeblich ist. Der Steuerpflichtige ist daher so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn sich die Rechtsprechung nicht geändert hätte. Er ist deshalb hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug so zu behandeln, wie sich dies bei Weitergeltung der bisherigen Rechtsprechung ergeben hätte.

  • Nach der bis zur Rechtsprechungsänderung maßgeblichen Rechtsauffassung war die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer abziehbar. Der Leistungsempfänger hatte deshalb bei Berichtigung der Rechnung durch den Leistenden den - nach früherer Auffassung zu Recht - in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG für den Besteuerungszeitraum zu berichtigen, in dem die Rechnung berichtigt worden war.

  • Entscheidender Zeitpunkt für die Frage, ob § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO eingreift, ist aber nicht der Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung, sondern der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Urteils, durch das sich die Rechtsprechung geändert hat.

Anmerkung: Nach Ansicht des BFH ist im Streitfall daher entscheidend, ob für den Fall einer unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung des im BStBl II 1998, 695 z.B. aufgrund einer noch in 1998 erfolgten Prüfung durch das Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide für 1993 bis 1997 hätten geändert werden dürfen und das Finanzamt an einer Änderung allein durch die Vertrauensschutzregelung nach § 176 AO gehindert gewesen wäre. Dass sich im Streitfall die Frage nach dem Vertrauensschutz für die Jahre 1993 bis 1997 erst aufgrund der Rechnungsberichtigung durch den Leistenden im Jahr 2004 gestellt hat, spiele dagegen keine Rolle.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Interessant an der o.g. Entscheidung ist auch ein sog. obiter dictum, das dahinstellt, ob der V. Senat der – in der Praxis als problematisch empfundenen – Entscheidung des XI. Senats (Urteil v. , NWB WAAAE-32292) folgen könnte, dass die „bloße Erklärung eines Widerspruchs gegen eine Gutschrift deren Rechtswirkung entfallen lässt“.
 

Fundstelle(n):
NWB YAAAF-10219