Online-Nachricht - Mittwoch, 17.07.2013

Kindergeld | Abzweigungsberechtigung des Sozialhilfeträgers (BFH)

Der Sozialhilfeträger ist grundsätzlich nicht abzweigungsberechtigt, wenn er Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII für ein Kind mit Schwerbehinderung zahlt, das im Haushalt des Kindergeldberechtigten untergebracht ist (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte gegenüber dem Kind seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Die Auszahlung kann gemäß § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt.
Sachverhalt: Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger - einem Landkreis - ein Anspruch auf Abzweigung des Kindergelds für den schwerbehinderten Sohn der Mutter, der bei ihr lebt, aus deren Anspruch auf Kindergeld zusteht. Familienkasse und FG der ersten Instanz hatten einen solchen Anspruch, wie nun auch der BFH, verneint.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes sind nicht gegeben - jede andere Entscheidung wäre ermessenswidrig.

  • Bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, sind nach der Rechtsprechung des BFH auch geringe Unterhaltsleistungen der Eltern zu berücksichtigen. Sind die Leistungen mindestens so hoch wie das Kindergeld, ist eine Abzweigung nicht ermessensgerecht.

  • Gleiches gilt nach der im Streitzeitpunkt geltenden Verwaltungsregelung der DA-FamEStG zu § 74 Abs. 1 EStG, wonach grundsätzlich keine Abzweigung erfolgen kann, wenn ein Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen ist (§ 64 Abs. 2 EStG) - ebenso kommt keine Abzweigung in Betracht, wenn der Berechtigte regelmäßig Unterhaltsleistungen erbringt, die den Betrag des anteiligen Kindergeldes übersteigen.

  • Nach den für das Gericht bindenden Feststellungen der ersten Instanz lebte der schwerbehinderte Sohn im Haushalt der Beigeladenen. Zudem hat die Mutter selbst keine Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII erhalten, die nach dem NWB DAAAD-21112 (unter II.2.) dem Kindergeldanspruch entgegenstehen könnten.

  • Für die Beantwortung der Frage, ob unterhaltsbezogene Aufwendungen der Mutter durch die Unterbringung ihres Sohnes vorliegen, ist entscheidend, ob es sich um Aufwendungen handelt, die als Erfüllung der Unterhaltspflicht nach § 1610 BGB anzusehen sind. Dies ist im Streitfall im Hinblick auf die Kosten für die Unterbringung des Sohnes ohne weiteres zu bejahen.

  • Entgegen der Auffassung des Klägers wird durch das Abstellen auf die unterhaltsbezogenen Aufwendungen des Kindergeldberechtigten nicht "pauschal unterstellt, dass die Kindergeldberechtigten zusätzlich zu den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Aufwendungen in Höhe des Kindergelds haben. Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII sollen nicht dazu führen, dass Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten nicht zu berücksichtigen sind - dies folgt aus dem zivilrechtlich zu bestimmenden Unterhaltsbegriff des § 74 Abs. 1 EStG.

Hinweis: im Ergebnis konnte sich der Kläger auch nicht erfolgreich auf § 74 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG berufen: Denn selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehen würde, dass sich aus der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII ergibt, dass die Mutter im Umfang der Grundsicherung "mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig" gewesen sein sollte, kommt nach der BFH-Rechtsprechung eine Abzweigung auch nicht in Betracht, soweit der Kindergeldberechtigte trotz dieser Grundsicherungsleistungen eigene Unterhaltsleistungen erbringt, die der Höhe nach mindestens dem Kindergeld entsprechen.
Quelle: NWB Datenbank
 

Fundstelle(n):
NWB QAAAF-10012