BGH Beschluss v. - 1 StR 334/15

Eingehungsbetrug: Ermittlung des Vermögensschadens bei Forderungsabtretung

Gesetze: § 263 StGB, § 261 StPO

Instanzenzug: Az: 10 KLs 154 Js 55435/06

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, wegen Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

31. Der Schuldspruch wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4a) Die Strafkammer hat bei der Schadensfeststellung im Wege der gebotenen Gesamtsaldierung (vgl. Senat, Beschlüsse vom - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 und vom - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711) zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass für die Schadensberechnung der Wert der von den Geschädigten an die J.     AG abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung entscheidend ist, weil die Zahlungsansprüche der Geschädigten objektiv wertlos waren; denn die von dem Angeklagten vertretene J.     AG war von Anfang an nicht bereit, den Kaufpreis für die Forderungen zu entrichten. Den Wert der jeweils abgetretenen Forderung hat das Landgericht aber nicht tragfähig bestimmt.

5b) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB tritt nur ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, vgl. Senat aaO). Bei der hier vorgenommenen Wertberechnung hat die Strafkammer zu Unrecht die Grundkaufpreise der Forderungen als Schaden angesetzt. Dieser errechnete sich aus einem Prozentsatz von 20 bis 25 % des „Fair Value". Die sogenannten Grundkaufpreise sind damit auf eine typisierte Durchschnittsbetrachtung zurückgeführt und stellen schon deshalb keine geeignete Basis für die Schadensbestimmung im Sinne des § 263 StGB dar. Demnach sind die verfahrensgegenständlichen Factoringverträge auch keine Verträge, in denen die Vertragsparteien in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System den Wert eines häufig verkauften oder gehandelten Gegenstandes festsetzen, und deshalb bei der Darlegung des Schadens auf nähere Ausführungen verzichtet werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte für die völlig überschuldete J.     AG die Forderungen zwar schnell erwerben und verwerten wollte, er von vorneherein jedoch nie vorhatte, den Kaufpreis zu zahlen. Deshalb lässt sich aus dem Kaufpreis kein tragfähiges Indiz für den objektiven Wert der abgetretenen Forderung ableiten.

6Die Berechnung des wirtschaftlichen Werts der durch die Forderungsabtretung aus dem Vermögen der Geschädigten ohne werthaltigen Gegenanspruch ausgeschiedenen Forderungen hätte das Landgericht deshalb - gegebenenfalls im Wege der Schätzung oder mit sachverständiger Hilfe - anhand der insoweit maßgeblichen Wertkriterien (etwa: materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs nebst Anspruchsgrundlage und -höhe, Beweisbarkeit im Gerichtsverfahren, Bonität des Schuldners, Vergleichsbereitschaft des Schuldners - Einwendungen/Einreden) ermitteln müssen. Für diese Wertermittlung kann als Indiz auch relevant sein, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden konnte.

7c) Vor dem Hintergrund, dass in der Mehrzahl der hier abgeurteilten Fälle die Forderungseintreibung erfolglos blieb, kann der Senat nicht ausschließen, dass die abgetretenen Forderungen im Einzelfall wirtschaftlich wertlos waren und den Getäuschten deshalb im Ergebnis kein Schaden entstanden ist. Der Rechtsfehler betrifft deshalb nicht nur den Schuldumfang, sondern in jedem Fall auch den Schuldspruch des Betrugs.

8d) Von dem Rechtsfehler sind auch die zugehörigen Feststellungen betroffen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche Feststellungen zu den genannten Taten auf.

92. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs zieht auch die Aufhebung der tateinheitlich abgeurteilten Untreue und des Strafausspruchs nach sich (vgl. zum Verhältnis Betrug und Untreue RG, Urteil vom - III 598/33, RGSt 67, 273 ff.; , BGHSt 6, 67, 68 und vom - 3 StR 237/69, BGHSt 23, 304, 306; Beschluss vom - 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195, 196; Urteil vom - 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281).

103. Unberührt von der Entscheidung des Senats bleibt der Ausspruch des Landgerichts zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ( mwN). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.

Raum                              Graf                            Jäger

                Mosbacher                       Fischer

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
FAAAF-08109