BSG Beschluss v. - B 13 R 14/15 R

Anforderungen an die Begründung einer Revision im sozialgerichtlichen Verfahren

Gesetze: § 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG, § 29 AbgG, Art 14 GG

Instanzenzug: Az: S 31 R 2590/11 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 14 R 741/12 Urteil

Gründe

1I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des teilweisen Ruhens der Regelaltersrente (RAr) des Klägers wegen des Bezugs einer Abgeordnetendiät und eine daraus resultierende Überzahlung der Rente.

2Der Kläger war vom bis Bundestagsabgeordneter. Nachdem er in einem am gestellten Antrag auf RAr die Frage nach dem Bezug einer Abgeordnetendiät verneint hatte, bewilligte ihm die Beklagte RAr iHv monatlich 2242,19 Euro. Im November 2010 teilte der Deutsche Bundestag der Beklagten mit, dass der Kläger Abgeordnetenbezüge iHv monatlich 7646,99 Euro erhalte und die RAr nach der Anrechnungsvorschrift des § 29 Abs 2 S 2 Abgeordnetengesetz (AbgG) iHv 80 vH zu ruhen habe. Nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte überzahlte Rentenleistungen für die Monate Oktober bis Dezember 2010 zurück und reduzierte den Rentenzahlbetrag ab Januar 2011 auf 449,70 Euro monatlich (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts vom ; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom ).

6Sie hält die Revision für unzulässig, weil der mit der Revisionsbegründung zu entscheidende Sachverhalt nicht mitgeteilt worden sei, und tritt hilfsweise der klägerischen Einschätzung inhaltlich entgegen, das Ruhen stelle einen Übermäßigen Eingriff in die Rentenanwartschaft dar.

7II. Die Revision des Klägers ist unzulässig (§ 169 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Die Begründung vom entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

81. Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG muss die Begründung nicht nur einen bestimmten Antrag enthalten, sondern die "verletzte Rechtsnorm" bezeichnen. Hierzu ist nicht nur erforderlich, dass sich aus dem Vorbringen des Klägers eindeutig ergibt, welche Norm er als verletzt ansieht. Vielmehr muss sich der Revisionsführer - zumindest kurz - mit den Gründen der Vorinstanz rechtlich auseinandersetzen sowie erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17 und Nr 20 S 33 f mwN; - Juris RdNr 14; - Juris RdNr 10 und - Juris RdNr 11).

9Dieses Formerfordernis soll im Interesse der Entlastung des Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer bzw sein Prozessbevollmächtigter das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat (vgl - Juris RdNr 10 und vom - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 10; Beschluss vom - B 13 R 30/10 R - RdNr 13 jeweils mwN). Damit soll die Begründungspflicht des § 164 Abs 2 S 1 SGG eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten (vgl ua BSG SozR 1500 § 164 Nr 12, 20, 25; SozR 3-1500 § 164 Nr 9; SozR 3-2500 § 106 Nr 12; SozR 3-5555 § 15 Nr 1; BSGE 70, 186, 187 ff = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 17 f, jeweils mwN; BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17).

10Der Senat lässt offen, ob - wovon die Beklagte ausgeht - die Revision grundsätzlich bereits dann unzulässig ist, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht geschildert wird (so zuletzt der 5. Senat des - JurionRS 2015, 22280 RdNr 8 f). Denn jedenfalls leidet die Revisionsbegründung an einem anderen Mangel. Mit § 29 AbgG bzw dessen vermeintlichen Verstoß gegen "Art 14" GG (gemeint offenbar: Art 14 Abs 1 S 1 Alt 1, S 2 GG) nennt der Kläger zwar eine - angeblich - verletzte Rechtsnorm. Er versäumt es jedoch, sich mit der von ihm angefochtenen Entscheidung des LSG auseinanderzusetzen.

11Eine "Auseinandersetzung" erfordert, auf den Gedankengang des Berufungsgerichts einzugehen (vgl ua BSG SozR 1500 § 164 Nr 20; BSG Beschlüsse vom - B 2 U 42/00 R - Juris RdNr 10 und vom - B 13 RJ 46/05 R - Juris RdNr 11). Hierzu reicht es nicht aus, die eigene Meinung des Kläger (hier: zum Übermaßverbot) wiederzugeben. Vielmehr muss die Revisionsbegründung erläutern, dass und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht richtig angewandt hat (vgl - Juris RdNr 21). Sich auf den Hinweis zu beschränken, das LSG habe das sog Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts ( - BVerfGE 40, 296) "zitiert und herangezogen", erfüllt die Anforderungen an eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem LSG-Urteil in keiner Weise. Auf den Gedankengang des LSG geht er nicht ein; die vom LSG für seine Ansicht herangezogene weitere Entscheidung des ( - BVerfGE 76, 256) reflektiert er nicht. Das Argument des LSG, der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, den auf die Beitragsleistung entfallenden Teil der gesetzlichen Rente zu beziffern und die Ruhensquote entsprechend anzusetzen, greift er nicht auf.

122. Soweit der Kläger Verfahrensmängel rügt, hat er diese nicht ausreichend bezeichnet. Soweit er meint, bei "ordentlicher Beweiswürdigung" hätte "herauskommen" müssen, dass ihm nicht mehr zuzumuten sei als anzugeben, dass er Bundestagsabgeordneter sei, ist bereits nicht nachvollziehbar bezeichnet, dass das LSG diese Tatsache nicht erkannt und gewürdigt hätte. Zudem verkennt der Kläger, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nur gewährleistet, dass er gehört, nicht jedoch erhört wird (vgl zB Senatsbeschlüsse vom - B 13 R 112/11 B - und - B 13 R 305/11 B - jeweils veröffentlicht bei Juris). Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl - NZS 2010, 497).

133. Die unzulässige Revision ist ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 169 S 2 und 3 SGG).

144. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2015:260815BB13R1415R0

Fundstelle(n):
OAAAF-04393