Bayerisches Landesamt für Steuern - S 0166.1.1-7/2 St42

Übergang von Steuererstattungsansprüchen nach § 33 SGB II, § 93 SGB XII und § 7 Abs. 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes

1. Neufassung des § 33 SGB II vom

Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, Ansprüche gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen kraft Gesetzes auf die Träger der Leistungen über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären, § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II. Zwischen der Nichterfüllung des Anspruches und der Leistung des Trägers muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Die Überleitung erfasst Ansprüche der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den §§ 1925, 27 und 28 SGB II (einschließlich Sach- und geldwerter Leistungen). Sie darf nur bis zur Höhe der erbrachten Leistungen des Trägers erfolgen, § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II.

Nach der bisherigen Regelung erging in diesem Fall eine schriftliche Überleitungsanzeige. Diese stellte nach § 31 SGB X einen Verwaltungsakt dar, der sowohl Wirkung gegenüber dem Dritten als auch gegenüber dem Hilfebedürftigen selbst entfaltete und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, § 36 SGB X. Hiergegen konnte sich der Leistungsempfänger mit Widerspruch und Anfechtungsklage wenden. Die Entscheidung darüber, ob und in welchen Umfang ein übergeleiteter Anspruch tatsächlich gegeben war, oblag den Zivilgerichten, Hessisches ER.

Da der Anspruch seit der Neuregelung des § 33 SGB II kraft Gesetzes übergeht, ist eine Überleitungsanzeige nicht mehr erforderlich. Der Steuerpflichtige kann Einwendungen gegen die Abtretung seines Steueranspruches seitdem nur noch gegenüber der abtretenden Finanzbehörde geltend machen. Ein derartiges Vorbringen ist als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO auszulegen. Die Anfechtung des Abrechnungsbescheides ist die einzige Möglichkeit des Steuerpflichtigen, sein Begehren auf Überprüfung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zum Ausdruck zu bringen. Als abtretende Behörde hat das Finanzamt die Gründe für seine Entscheidung einer Überprüfung zugänglich zu machen. Dabei ist ein Verweis auf eine entsprechende Anweisung des Leistungsträgers nicht ausreichend; vielmehr sind im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Abrechnungsbescheid sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II zu prüfen. Sofern dies erforderlich ist, kann eine Stellungnahme des Leistungsträgers eingeholt werden.

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abtretung ist zu beachten, dass die Überleitung des Steueranspruchs – sowohl gegenüber dem Hilfebedürftigen selbst als auch gegenüber dem Dritten – eine Ermessensentscheidung darstellt. Der Steuerpflichtige hat dabei einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens. Daher ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ggf. von einer beabsichtigten Anspruchsüberleitung abzusehen oder diese der Höhe nach zu beschränken ist. In diesem Zusammenhang sind die Interessen des Hilfebedürftigen und des Dritten gegenüber dem öffentlichen Interesse abzuwägen. Die Leistungen Dritter haben jedoch grundsätzlich Vorrang vor den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Im Regelfall ist an diesem Vorrang festzuhalten. Wegen des starken Gewichtes des Nachrangigkeitsgrundsatzes wird das Ermessen überwiegend dergestalt auszuüben sein, dass die Ansprüche des Hilfebedürftigen überzuleiten sind. Das öffentliche Interesse an der Überleitung des Anspruchs genießt aber keinen absoluten Vorrang vor entgegenstehenden Interessen des Drittschuldners.

Führt die Prüfung des Rechtsbehelfes zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Abtretung vorlagen, ist der Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid als unbegründet zurückzuweisen. Als Rechtsweg ist der Gang vor das Finanzgericht gegeben.

Empfohlene Vorgehensweise

Alternativ kann der Erstattungsbetrag an den Steuerpflichtigen ausgezahlt werden und dem Leistungsträger die Höhe der Steuererstattung mitgeteilt werden. Dieser wird in der Folge seine Leistungen an den Steuerpflichtigen um den Erstattungsbetrag kürzen. Das Steuergeheimnis steht dieser Vorgehensweise nicht entgegen, da § 31a Abs. 1 Nr. 1a bb AO die Offenbarung ermöglicht.

Diese Vorgehensweise kann nur in Absprache mit dem jeweiligen Jobcenter erfolgen. Im Hinblick auf die oben dargelegte gesetzliche Neuregelung besteht keine Verpflichtung des Leistungsträgers zur Einwilligung in diese Handhabung.

2. Beibehaltung der Regelung der §§ 93 SGB XII und 7 Abs. 3 AsylbLG

Für den Übergang von Ansprüchen eines Empfängers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. eines Sozialhilfeempfängers gegen einen Dritten nach § 93 SGB XII ergibt sich keine Änderung gegenüber der bisherigen Gesetzeslage. Für die Überleitung von Erstattungsansprüchen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist § 93 SGB XII entsprechend anzuwenden (§ 7 Abs. 3 AsylbLG).

Demnach können Ansprüche einer leistungsberechtigten Person unter bestimmten Voraussetzungen durch Verwaltungsakt auf den Träger der Leistung übergeleitet werden. Voraussetzung ist u. a., dass der Leistungsempfänger für die Zeit, für die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII gewährt werden, einen Anspruch gegen einen anderen hat, der kein Leistungsträger i. S. des § 12 SGB I ist. Die Forderung darf gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nur insoweit übergeleitet werden, als bei rechtzeitiger Leistung des Dritten die Hilfe nicht gewährt worden wäre. Zweck der Überleitung ist es, den im Gesetz verankerten Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe (§ 2 SGB II) nachträglich wieder herzustellen.

In diesen Fällen ergeht weiterhin eine schriftliche Überleitungsanzeige. Vor deren sind sowohl der Anspruchsgegner als auch der Hilfebedürftige anzuhören (§ 24 SGB X). Die Anhörung kann jedoch noch bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X).

3. Rechtliche Wirkung des Übergangs

Der Übergang von Steuererstattungsansprüchen sowohl nach § 33 SGB II als auch nach § 93 SGB XII hat die Wirkung einer Abtretung (vgl. entsprechend , BStBl 1988 II S. 500), sodass § 46 AO entsprechend anzuwenden ist. Somit wird der Übergang entsprechend § 46 Abs. 2 AO erst wirksam, wenn er dem zuständigen Finanzamt nach Entstehen des Steuererstattungsanspruchs schriftlich angezeigt wird. Eine Überleitung des Anspruchs auf Steuererstattung vor Ablauf des Veranlagungszeitraums ist wirkungslos.

Der Übergang nach § 33 SGB II und § 93 SGB XII kommt nicht nur bei regelmäßigen Zahlungen in Betracht. Überleitungsfähig sind auch einmalige und unregelmäßig auftretende Ansprüche, vgl. , BGHZ 94, S. 141; , BVerwGE 64, S. 333. Notwendige Voraussetzung ist aber die Zeitgleichheit von Hilfegewährung und Entstehung des Steuererstattungsanspruchs (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Diese ist gegeben, wenn es sich um Leistungen des laufenden Jahres handelt, in dem der in Frage stehende Erstattungsanspruch bereits gem. § 38 AO entstanden war.

Beispiel:

Die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts wird ab gewährt. Es können nur die nach § 38 AO bis zum bereits entstandenen Steuererstattungsansprüche übergehen, also z. B. ESt-Erstattungsansprüche für die Veranlagungszeiträume 20011 und früher. Der Träger ist nicht befugt, einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu stellen.

Ist der in der Übergangsanzeige genannte Erstattungsanspruch bereits abgetreten, verpfändet oder gepfändet worden, ist dies dem Leistungsträger mitzuteilen. Bei Streitigkeiten über die Rangfolge ist entsprechend Karte 1 zu § 46 AO, Tz 5.2 zu verfahren. Bestreitet das Finanzamt seine Verpflichtung zur Zahlung und ist der Träger damit nicht einverstanden, ist diesem zur Eröffnung des Rechtswegs ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilen.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0166.1.1-7/2 St42

Fundstelle(n):
GAAAE-85686