BSG Urteil v. - B 14 AS 36/13 R

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung - Zufluss von Überbrückungsgeld nach Haftentlassung vor Antragstellung - Rückwirkung des Antrags auf den Ersten des Monats - Berücksichtigung der Zweckbestimmung des § 51 Abs 1 StVollzG)

Leitsatz

Der für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen maßgebliche Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 wirkt auch dann auf den Ersten des Antragsmonats zurück, wenn für die Zeit vor Antragstellung kein Leistungsanspruch besteht.

Gesetze: § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 3 SGB 2, § 11a Abs 3 S 1 SGB 2, § 37 Abs 2 S 2 SGB 2, § 7 Abs 4 S 2 SGB 2, § 51 Abs 1 StVollzG

Instanzenzug: SG Halle (Saale) Az: S 34 AS 4524/12 Urteil

Tatbestand

1Streitig ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Zeitraum vom bis unter Berücksichtigung von Überbrückungsgeld nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

2Der 1962 geborene, alleinstehende Kläger wurde am aus der Strafhaft entlassen. Am Entlassungstag erhielt er ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1335,22 Euro in bar ausgezahlt. Am beantragte der Kläger beim beklagten Jobcenter die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hierauf bewilligte ihm der Beklagte durch (vorläufigen) Bescheid vom Alg II (nur Regelbedarfe) für den Zeitraum vom 12. bis in Höhe von 33,33 Euro und für den Zeitraum vom bis in Höhe von monatlich 181,46 Euro. Dabei berücksichtigte er das Überbrückungsgeld in voller Höhe als einmalige Einnahme, verteilte diese auf einen Zeitraum von sechs Monaten in Höhe von 222,54 Euro monatlich und setzte hiervon im Juni 2012 eine anteilige Versicherungspauschale in Höhe von 19 Euro und in den Monaten Juli bis November 2012 in Höhe von jeweils 30 Euro ab.

3Der Kläger legte Widerspruch ein und teilte mit, dass er Ende Juli 2012 eine Wohnung beziehe, für die ab Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 180 Euro monatlich entstünden. Hierauf bewilligte ihm der Beklagte durch Änderungsbescheid vom für den Zeitraum vom bis Alg II in Höhe von monatlich 361,46 Euro (181,46 Euro Regelbedarf und 180 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Durch einen weiteren Änderungsbescheid vom bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 12. bis Alg II in Höhe von 44,33 Euro (Erhöhung des Regelbedarfs um 11 Euro aufgrund der nunmehr vollen Absetzung der Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro im Juni 2012) und wies durch Widerspruchsbescheid vom den Widerspruch als unbegründet zurück.

4Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage auf höheres Alg II abgewiesen. Der Alg II-Antrag des Klägers vom wirke auf den zurück, was sich aus § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II ergebe. Da der Kläger sich bis zum in Haft befunden habe, habe er nach § 7 Abs 4 SGB II ab dem einen Leistungsanspruch. Deshalb sei das ihm an diesem Tag ausgezahlte Überbrückungsgeld Einkommen und als einmalige Einnahme für die Zeit vom bis leistungsmindernd zu berücksichtigen.

5Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt und rügt die Verletzung von § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II. Rückwirkung auf den Monatsersten entfalte der Alg II-Antrag nur, wenn zu diesem Zeitpunkt alle Leistungsvoraussetzungen vorlägen, was bei einem Ausschlusstatbestand wie nach § 7 Abs 4 SGB II nicht gegeben sei. Das Überbrückungsgeld sei deshalb (geschütztes) Vermögen und nicht zu berücksichtigendes Einkommen.

6Der Kläger beantragt,das Urteil des Sozialgerichts Halle vom aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom in der Fassung der Änderungsbescheide vom und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld II für die Zeit vom bis ohne Anrechnung der ihm am ausgezahlten 1335,22 Euro zu zahlen.

7Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Gründe

8Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist teilweise begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zwar ist das ihm im Juni 2012 vor Antragstellung ausgezahlte Überbrückungsgeld als Einkommen zu berücksichtigen (dazu unter 3.), jedoch nur für die Zeit vom bis zum (dazu unter 4.). Aus dieser eingeschränkten Berücksichtigung ergeben sich die tenorierten Nachzahlungen (dazu unter 5.). Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

91. Streitgegenstand sind das und der Bescheid des Beklagten vom in der Fassung der Änderungsbescheide vom und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , durch die der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf höheres Alg II im streitbefangenen Zeitraum vom bis abgelehnt worden ist. Die jeweils höchsten Leistungen regelte für Juni 2012 der Änderungsbescheid vom , für Juli 2012 der Bescheid vom und für die Monate August bis November 2012 der Änderungsbescheid vom , weshalb alle drei Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides Streitgegenstand sind.

102. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Alg II sind §§ 19 ff iVm § 7 SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung seit dem (Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 850, die den zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 453, am erreichten Stand berücksichtigt). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

11Die Grundvoraussetzungen, um Alg II zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) - bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland -, erfüllte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II), wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG ergibt.

12Den Lebensunterhaltsbedarf des Klägers nach dem SGB II (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 374 Euro monatlich und Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 180 Euro monatlich) haben der Beklagte und das SG zutreffend festgestellt.

133. Diesem Bedarf ist das dem Kläger am ausgezahlte Überbrückungsgeld als zu berücksichtigendes Einkommen gegenüberzustellen.

14Seine Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II) bestimmt sich danach, ob oder inwieweit er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhielt (§§ 9, 11 bis 11b und 12 SGB II). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG erhielt der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keine zu berücksichtigenden Hilfen anderer. Als zu berücksichtigendes Einkommen stand ihm nur das Überbrückungsgeld zur Verfügung. Andere Einnahmen erzielte und über anderes Vermögen verfügte der Kläger nach den bindenden Feststellungen des SG im streitbefangenen Zeitraum nicht.

15a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

16Maßgebliches Differenzierungskriterium für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist grundsätzlich der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses bereiter Mittel: Danach ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II das, was jemand vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie: vgl nur - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 27 mwN). An der Maßgeblichkeit dieses Differenzierungskriteriums zwischen Einkommen und Vermögen ist auch für das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG festzuhalten. Denn vor der Haftentlassung und Auszahlung durch die Justizverwaltung kann der Gefangene über das Geld nicht frei verfügen; das Überbrückungsgeld-Konto ist nicht einem Sparbuch vergleichbar, auf dem mit bereits erlangten Einkünften von dem Gefangenen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde (vgl dazu bereits - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 28 bis 30 mwN).

17b) Das dem Kläger am und damit vor Antragstellung am und auch vor dem beantragten Leistungsbeginn am ausgezahlte Überbrückungsgeld war zu diesem Auszahlungszeitpunkt zu berücksichtigendes Einkommen und kein (geschütztes) Vermögen. Denn entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, dass ein Alg II-Antrag grundsätzlich auf den Ersten des Monats der Antragstellung zurückwirkt und die in diesem Monat anfallenden Einnahmen auch vor Antragstellung nicht als Vermögen, sondern als Einkommen anzusehen sind.

18Nach § 37 SGB II werden SGB II-Leistungen auf Antrag erbracht (Abs 1 Satz 1). Sie werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (Abs 2 Satz 1). Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück (Abs 2 Satz 2).

19aa) Zwar konnte der Kläger die leistungsrechtliche Wirkung seines Antrags auf Alg II vom auf die Zeit ab beschränken. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob seine Rechtsauffassung zutrifft, dass er am , dem Haftentlassungstag, noch nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II von Alg II-Leistungen ausgeschlossen war und erst ab die Leistungsvoraussetzungen erfüllte. Denn der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II kann im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit (ne ultra petita) durch seinen Antrag bestimmen, ab welchem Zeitpunkt er einen Leistungsanspruch geltend macht (vgl zur den Verfahrensgegenstand begrenzenden Funktion des Antrags Burkiczak in BeckOK SGB II, § 37 RdNr 4, 4a, Stand ; vgl zur Rücknahme eines Antrags Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 20).

20Die Zulässigkeit einer Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird, folgt aus dem gesetzlichen Antragsgrundsatz und -erfordernis selbst. Leistungen werden nicht ohne Rücksicht auf ein konkretes Leistungsbegehren erbracht. Mit der Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind zudem nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten für den Leistungsempfänger verbunden. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Leistungen und den damit verbundenen Eintritt in den Pflichtenkreis des SGB II bleibt dem Antragsteller vorbehalten, der grundsätzlich auch über den Beginn der Leistungsinanspruchnahme bestimmen kann.

21Es ist eine im Einzelfall zu entscheidende Frage, ob diese Bestimmung rechtlich beachtlich ist. Jedenfalls die zeitliche Beschränkung eines Leistungsantrags - wie hier auf den Tag nach Haftentlassung - auf einen Leistungsbeginn im Antragsmonat zwischen dem Ersten dieses Monats und dem Tag der Antragstellung und nach Wegfall eines Leistungsausschlusstatbestandes ist nach § 37 SGB II rechtlich beachtlich. Dass der frühestmögliche Leistungsbeginn nach Wegfall eines Leistungsausschlusstatbestandes beantragt wird, ist nicht erforderlich.

22bb) Durch diese zulässige leistungsrechtliche Beschränkung seines Antrags auf die Zeit ab konnte der Kläger indes nicht die hiervon zu unterscheidende weitere Wirkung seines Antrags, dass für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen der Erste des Monats der Antragstellung maßgeblich ist, ausschließen.

23Die Maßgeblichkeit des Monatsersten ergibt sich aus dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und deren Sinn und Zweck. Der Wortlaut, nach dem der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt, ist knapp und bedingungslos formuliert. Er bietet keinen Anknüpfungspunkt dafür, dass dem Antrag diese Rückwirkung nur unter bestimmten Voraussetzungen zukommt. Insbesondere lässt sich dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht entnehmen, dass die Rückwirkung auf den Monatsersten das Bestehen eines Leistungsanspruchs oder auch nur das Fehlen von Leistungsausschlusstatbeständen am Monatsersten voraussetzt.

24Nichts anderes folgt aus einer Betrachtung der Gesetzessystematik. Zwar bestimmt § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Eben hierzu enthält indes der speziellere § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der von den Leistungen nach dem SGB II nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betrifft, eine Ausnahme. Dass § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II eine gegenüber der allgemeinen Regelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II speziellere Regelung ist, erhellt auch aus § 37 Abs 2 Satz 3 SGB II, der durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom (BGBl I 1167) mit Wirkung vom nach dem hier streitbefangenen Zeitraum Eingang in das SGB II gefunden hat. Denn danach wirkt der Antrag auf Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Abs 7 SGB II, soweit daneben andere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden, auf den Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums nach § 41 Abs 1 Satz 4 bzw 5 SGB II zurück. Damit ist dem alle Leistungen nach dem SGB II erfassenden § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II eine weitere Regelung hinzugefügt, die nur eine bestimmte Leistung nach dem SGB II betrifft. Im Anwendungsbereich der Spezialregelung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II geht dieser der allgemeinen Regelung nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II vor. Für die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt es statt auf den Tag der Antragstellung auf den Ersten des Monats der Antragstellung an.

25Dies stimmt systematisch zusammen mit dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl zum Monatsprinzip des SGB II - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 mwN): Der in einem Monat gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB II). Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt (§ 20 Abs 1 Satz 3 SGB II). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB II). Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (§ 11 Abs 3 Satz 1 SGB II). Es sind nach dieser Systematik die Bedarfe eines Monats den Bedarfsdeckungsmöglichkeiten dieses Monats gegenüberzustellen. Eine Unterdeckung begründet den Leistungsanspruch für diesen Monat.

26Diese monatsweise Betrachtung dient, wie auch ein Blick auf die Entstehungsgeschichte bestätigt, nicht nur der Verwaltungsvereinfachung. Denn sie soll verhindern, dass durch die zeitliche Verschiebung des Antrags in einem Monat in diesem Monat zur Verfügung stehende Bedarfsdeckungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben. Anders als die grundsätzlich zulässige leistungsrechtliche Verschiebung der Antragswirkung durch den Antragsteller auf einen bestimmten Leistungsbeginn soll der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung auf den Ersten des Monats der Antragstellung fixiert sein. Zur Nachrangsicherung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II soll durch § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II die Abgrenzungswirkung der Antragstellung mit Blick auf Einkommen und Vermögen der Disposition des Antragstellers im Antragsmonat entzogen sein. Entsprechend ist in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt, dass mit § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II dem geltenden Nachranggrundsatz stärker als bislang Rechnung getragen wird: "Einnahmen, die vor Antragstellung im Antragsmonat zufließen, sind als Einkommen bei der Feststellung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen" (BT-Drucks 17/3404 S 114 zu § 37; ebenso S 94 zu § 11).

27Dieser Sinn und Zweck des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der auch in der Begründung des Gesetzentwurfs seinen Ausdruck gefunden hat, spricht dafür, die Vorschrift beim Wort zu nehmen: Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Monatsersten zurück, ohne dass diese Rückwirkung zur Voraussetzung hat, dass am Monatsersten ein Leistungsanspruch besteht oder auch nur ein Leistungsausschlusstatbestand nicht eingreift.

28Die für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen maßgebliche Rückwirkung des Antrags auf den Ersten des Monats der Antragstellung gilt auch dann, wenn am Monatsersten noch ein Leistungsausschlusstatbestand - wie vorliegend die Strafhaft des Klägers aufgrund von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II - eingreift. Dass Leistungen erst bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen und Nichtvorliegen von Leistungsausschlussgründen gewährt und damit ggf erst ab einem späteren Zeitpunkt als dem Monatsersten der Antragstellung beansprucht werden können, hindert nicht die Anknüpfung an den Ersten des Monats der Antragstellung für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen. Hierfür kommt es allein auf das tatsächliche Ereignis der Antragstellung in diesem Monat an (vgl zur Antragsrückwirkung und deren Folgen für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen Aubel in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 37 RdNr 11, 30, 30.1, 46, 46.1, Stand: ; Bittner in Estelmann, SGB II, § 37 RdNr 59, Stand Dezember 2013; Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 40; Schoch in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 37 RdNr 20; Spellbrink/G. Becker in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 36-45 SGB II RdNr 2 bis 3; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 37 RdNr 8, 38, Stand IV/2014).

294. Das Überbrückungsgeld ist nur für die Zeit vom bis zum als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen, weil das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung unterliegt, dass es den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll.

30a) Das dem Kläger am Haftentlassungstag ausgezahlte Überbrückungsgeld ist eine einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II. Bei diesen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung, anders als bei laufenden Einnahmen, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden (vgl zum Begriff der einmaligen Einnahme - Juris RdNr 14; vgl zum Überbrückungsgeld als einmaliger Einnahme - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 35 ff).

31Für die Berücksichtigung einmaliger Einnahmen schreibt § 11 Abs 3 SGB II einen besonderen Anrechnungsmodus vor. Danach sind sie in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (Satz 1). Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt (Satz 2). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (Satz 3).

32b) Von diesem gesetzlich normierten Anrechnungsmodus nach § 11 Abs 3 SGB II für einmalige Einnahmen ist jedoch für das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG abzuweichen. Dies folgt seit der Neufassung der §§ 11 ff SGB II mit Wirkung vom aus § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen sind, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.

33Diese gegenüber der allgemeinen Regelung in § 11 SGB II speziellere Bestimmung über die einnahmeartenspezifische Abgrenzung von zu berücksichtigendem und nicht zu berücksichtigendem Einkommen gilt auch für einmalige Einnahmen (vgl zur Abweichung vom Anrechnungsmodus für einmalige Einnahmen auf der Grundlage des vor der Neufassung geltenden Rechts - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 35 bis 37). §§ 11a und 11b SGB II insgesamt enthalten Regelungen, die sowohl für laufende als auch für einmalige Einnahmen relevant sein können; Regelungen insbesondere für einmalige Einnahmen sind zB § 11a Abs 2, § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II. Im Rahmen dieser Systematik erfasst auch § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II, der weder ausdrücklich noch der Sache nach nur auf eine der beiden Einnahmeformen angewendet werden kann, laufende ebenso wie einmalige Einnahmen. Die durch § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II bewirkte einnahmeartenspezifische Ausgrenzung von Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, vom zu berücksichtigenden Einkommen gilt, soweit sie greift, neben den allgemeinen Berücksichtigungsregeln sowohl für laufende Einnahmen nach § 11 Abs 2 SGB II als auch für einmalige Einnahmen nach § 11 Abs 3 SGB II.

34Das Überbrückungsgeld ist aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 51 StVollzG eine Leistung, die iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird. Denn das Überbrückungsgeld soll nach § 51 Abs 1 StVollzG "den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern". Damit dient es demselben Zweck wie das Alg II als eine der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl dazu - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 34 mwN).

35Indes dient das Überbrückungsgeld demselben Zweck wie das Alg II nur für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung. Es ist deshalb nur "so weit" iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, soweit auch in zeitlicher Hinsicht die Zweckidentität von Überbrückungsgeld und Alg II reicht. Hieraus ergibt sich vorliegend eine Anrechnungszeit für die ersten vier Wochen der begehrten Alg II-Leistungen nach Haftentlassung am , dh für die 28 Tage vom bis zum .

365. Aus der Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als einmalige Einnahme nur für die Zeit vom bis zum ergeben sich die tenorierten Nachzahlungen von 67,87 Euro für Juli 2012 und jeweils 192,54 Euro für August bis November 2012. Diese errechnen sich im Einzelnen wie folgt:

37Im Juni 2012 betrug der rechnerische Bedarf des Klägers 224,40 Euro (monatlicher Regelbedarf 374 Euro für die 18 Tage vom 13. bis ). Aufgrund des für die Zeit vom 13. bis zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes (18/28 von 1335,22 Euro = 858,36 Euro, abzüglich der hier allein abzusetzenden Versicherungspauschale von 30 Euro insgesamt 828,36 Euro) ergibt sich in diesem Monat kein Leistungsanspruch. Dass dem Kläger für Juni 2012 vom Beklagten 44,33 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, ist für die hier vorzunehmende Berechnung der jeweils monatlichen Höhe des Leistungsanspruchs im streitbefangenen Zeitraum ohne Belang.

38Im Juli 2012 betrug der rechnerische Bedarf des Klägers 374 Euro (Regelbedarf; keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung), hiervon für die 10 Tage vom 1. bis anteilig 124,67 Euro. Aufgrund des nur für die Zeit vom 1. bis zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes (10/28 von 1335,22 Euro = 476,86 Euro, abzüglich der hier allein abzusetzenden Versicherungspauschale von 30 Euro insgesamt 446,86 Euro) ergibt sich in diesem Monat kein Leistungsanspruch vom 1. bis und für die 20 Tage vom 11. bis (vgl § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II) ein Leistungsanspruch in Höhe von 249,33 Euro (374 Euro - 124,67 Euro). Da dem Kläger für Juli 2012 vom Beklagten nur 181,46 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, sind aufgrund des Monatsprinzips weitere 67,87 Euro zu zahlen.

39Für August bis November 2012 betrug der monatliche Bedarf des Klägers 554 Euro (374 Euro Regelbedarf, 180 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Überbrückungsgeld ist in diesen Monaten nicht zu berücksichtigen. Da dem Kläger für diese Monate vom Beklagten jeweils nur 361,46 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, sind jeweils weitere 192,54 Euro zu zahlen.

406. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:281014UB14AS3613R0

Fundstelle(n):
FAAAE-85092