BAG Beschluss v. - 7 ABR 30/12

Schwerbehindertenvertretung bei kirchlichem Arbeitgeber

Leitsatz

Parallele Zuständigkeiten der kirchlichen und der staatlichen Gerichtsbarkeit können sich ergeben, wenn die Schwerbehindertenvertretung ein Rechtsschutzziel sowohl auf eine kirchliche als auch auf eine staatliche Rechtsgrundlage stützt.

Gesetze: Art 140 GG, Art 137 Abs 3 WRV, § 48 Abs 1 ArbGG, § 17 Abs 2 S 1 GVG, § 28a MAVO München/Freising, § 52 MAVO München/Freising, § 2 Nr 2 KAGO, § 84 Abs 1 SGB 9, § 95 Abs 2 S 2 SGB 9

Instanzenzug: Az: 4 BV 381/11 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 11 TaBV 18/12 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über Beteiligungsrechte der bei einer kirchlichen Arbeitgeberin gebildeten Schwerbehindertenvertretung im Zusammenhang mit der Abmahnung einer schwerbehinderten Mitarbeiterin. Die Arbeitgeberin stellt bereits die Zuständigkeit der von der Schwerbehindertenvertretung angerufenen staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit in Abrede.

2Die Arbeitgeberin betreibt das Krankenhaus B in München. Bei ihr gilt die Mitarbeitervertretungsordnung für die Erzdiözese München und Freising vom in der Fassung vom (MAVO). In § 2 Nr. 2 der ebenfalls anwendbaren Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) heißt es:

3Die MAVO regelt in § 28a zu „Aufgaben und Beteiligung der Mitarbeitervertretung zum Schutz schwerbehinderter Menschen“ ua.:

4§ 52 MAVO enthält zur „Mitwirkung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ ua. folgende Regelungen:

5In § 17 Abs. 1 MAVO heißt es:

6Am richtete die Arbeitgeberin unter dem Betreff „Anhörung zu Beschwerden gemäß § 6 Abs. 3 AT zu den AVR“ ein Schreiben an die medizinisch-technische Radiologie-Assistentin S, die mit einem GdB von 50 schwerbehindert ist. Darin hielt sie der Mitarbeiterin vor, ihren Dienst am 42 Minuten zu spät aufgenommen zu haben. Gleichzeitig übermittelte die Arbeitgeberin der Schwerbehindertenvertretung eine Kopie dieses Schreibens und gab ihr - wie auch der abzumahnenden Mitarbeiterin - Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum .

7Mit Schreiben vom rügte die Schwerbehindertenvertretung, die Unterrichtung sei unter Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 MAVO und § 84 Abs. 1 SGB IX erfolgt. Wörtlich führte die Vertrauensperson der Schwerbehinderten aus:

8Nachdem die Arbeitgeberin unter dem mitgeteilt hatte, dass aus ihrer Sicht kein Aussetzungsrecht der Schwerbehindertenvertretung bestehe, verfolgte die Schwerbehindertenvertretung ihr Begehren, das Anhörungsverfahren zur beabsichtigten Abmahnung auszusetzen, im einstweiligen Verfügungsverfahren. Erstinstanzlich hatte ihr Antrag keinen Erfolg. Nach Ausspruch der Abmahnung wurde dieses Verfahren in der Beschwerdeinstanz für erledigt erklärt.

9Im vorliegenden Verfahren hat die Schwerbehindertenvertretung weiterhin die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe ihre Rechte aus § 95 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 SGB IX und § 52 Abs. 2 Satz 1 MAVO verletzt und sei außerdem zur Übernahme der anfallenden Kosten verpflichtet. Für die Entscheidung seien die staatlichen Gerichte für Arbeitssachen zuständig.

10Die Schwerbehindertenvertretung hat zuletzt beantragt:

11Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, zur Entscheidung sei ausschließlich die kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit berufen.

12Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Schwerbehindertenvertretung zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihre Anträge weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

13B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Anträge der Schwerbehindertenvertretung sind unzulässig. Die angerufene staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit ist zwar entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zur Entscheidung über die Anträge berufen, soweit die Schwerbehindertenvertretung ihre Ansprüche auf staatliche Rechtsnormen stützt. Die Anträge erweisen sich jedoch insoweit aus anderen Gründen als unzulässig. Soweit die Schwerbehindertenvertretung ihre Ansprüche auf die MAVO stützt, fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung der staatlichen Gerichte.

14I. Der Senat hat die rechtliche Existenz der Schwerbehindertenvertretung für die Rechtsmittel- und Antragsbefugnis in vorliegendem Verfahren als qualifizierte Sachentscheidungsvoraussetzung zu unterstellen. Er muss deshalb nicht der Frage nachgehen, welche materiell-rechtlichen Folgen sich daraus ergeben, dass das SGB IX - jedenfalls ausdrücklich - eine Schwerbehindertenvertretung für Einrichtungen kirchlicher Arbeitgeber nicht vorsieht, § 52 Abs. 1 MAVO aber von einer „entsprechend den Vorschriften des SGB IX“ gewählten Vertrauensperson ausgeht.

15II. Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ist im vorliegenden Fall eröffnet, soweit die Beteiligten um die Anwendung staatlichen Rechts streiten. Soweit dagegen Ansprüche auf die MAVO gestützt werden, ist die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Nr. 2 KAGO gegeben; insoweit sind die Anträge wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

161. Einer Rechtswegprüfung durch den Senat stehen § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17a Abs. 5 GVG nicht entgegen. § 17a Abs. 5 GVG bestimmt nur das Verhältnis der verschiedenen staatlichen Gerichtsbarkeiten untereinander. Das Verhältnis der staatlichen Gerichtsbarkeit zu den von einer Kirche im Rahmen ihrer Selbstbestimmung errichteten Kirchengerichten regelt die Vorschrift nicht (vgl.  - Rn. 22;  2 C 23.92 - zu 2 der Gründe, BVerwGE 95, 379).

172. Die Zuständigkeit der staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit folgt nicht bereits aus § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen zwar ausschließlich zuständig für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95, 139 SGB IX. Die Vorschrift regelt aber ebenfalls nur den Rechtsweg innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit, nicht dagegen die Zuständigkeit der staatlichen im Verhältnis zur kirchlichen Gerichtsbarkeit.

183. Soweit die Schwerbehindertenvertretung ihre Ansprüche auf staatliches Recht stützt, sind die staatlichen Gerichte für Arbeitssachen zur Entscheidung berufen.

19a) Die staatlichen Gerichte sind für die Entscheidung über sämtliche Ansprüche aus staatlichem Recht zuständig, während die kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit über Ansprüche zu entscheiden hat, die sich ausschließlich nach kirchlichem Recht richten.

20aa) Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Gewährung von Rechtsschutz umfasst alle Rechtsfragen, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet. Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat sowohl gegen als auch zugunsten der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet zu gelten, und zwar selbst dann, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze glaubensgemeinschaftliche Vorfragen zu klären sind. Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Bestimmungsrecht (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV), das den Schranken des für alle geltenden Gesetzes unterliegt, bedingt keine Freistellung von staatlicher Justizhoheit. Die Justizgewährungspflicht hängt weder davon ab, ob die Kirche oder Glaubensgemeinschaft die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit eigens kirchenrechtlich begründet hat, noch davon, ob der Staat mit einer ihm ausdrücklich oder stillschweigend „angedienten“ Jurisdiktion ausdrücklich „einverstanden“ ist. Die staatliche Gerichtsbarkeit kann einer Entscheidung auch nicht deswegen ausweichen, weil die Rechtsfrage den kirchlich autonomen Bereich, wie etwa den der Organisations- und Ämterhoheit, betrifft. Denn auch dieser ist nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV in die staatliche Rechtsordnung eingebunden. Ob eine zum Kernbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gehörende Maßnahme oder Entscheidung mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung vereinbar ist, beurteilt sich nach staatlichem Recht, für das nur die staatlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind (vgl.  - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 154, 306). Geht es um die Anwendung staatlichen Rechts, müssen die staatlichen Gerichte auch das entscheidungserhebliche kirchliche Recht anwenden. In diesen Fällen sind die kirchlichen Gerichte zu einer auch für die staatlichen Gerichte verbindlichen eigenen Auslegung nur befugt, wenn die Kirche sich eine Vorfragenkompetenz vorbehält (vgl.  - Rn. 9).

21bb) Das Rechtsschutzbedürfnis zur Anrufung staatlicher Gerichte kann dagegen fehlen, wenn es in innerkirchlichen Angelegenheiten ausschließlich um die Anwendung kirchlichen Rechts geht, für entsprechende Streitigkeiten durch die Anrufung kircheneigener Gerichte oder Schlichtungsgremien ein Rechtsweg geschaffen und von ihm ein effektiver Rechtsschutz zu erwarten ist (vgl.  - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 154, 306).

22(1) Die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet, soweit es um die Anwendung kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts geht. Darüber haben die staatlichen Gerichte nicht zu entscheiden. Dies folgt aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV und findet seinen einfachgesetzlichen Ausdruck in § 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG (vgl.  - Rn. 9).

23(2) Das kirchliche Selbstverwaltungsrecht umschließt die Befugnis, Möglichkeiten zu schaffen, innerkirchliche Streitigkeiten in Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis durch die Anrufung eigener Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen. Indem Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen und Glaubensgemeinschaften die selbstständige Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten in den Grenzen der allgemeinen Gesetze gewährleistet, schränkt die Verfassung zwar nicht die Justizgewährungspflicht ein, wohl aber den Maßstab der Justiziabilität. Ist ein solcher Rechtsweg für kirchenrechtliche Bestimmungen geschaffen und von ihm effektiver Rechtsschutz auch zu erwarten, dürfen staatliche Gerichte nicht - oder jedenfalls nicht vor Ausschöpfung des kirchlichen Rechtswegs - entscheiden (vgl.  - zu B 2, 3 der Gründe, BAGE 61, 376;  - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 154, 306).

24cc) Parallele Zuständigkeiten der kirchlichen und der staatlichen Gerichtsbarkeit können sich ergeben, wenn der Antragsteller ein bestimmtes Rechtsschutzziel sowohl auf eine kirchliche als auch auf eine staatliche Rechtsgrundlage stützt. Etwas anderes folgt nicht aus § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. In entsprechender Geltung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG kommt damit den Gerichten für Arbeitssachen ggf. eine verfahrensüberschreitende Sachentscheidungskompetenz zu, wenn Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist ( - Rn. 47;  - Rn. 14 mwN, BGHZ 199, 159). Die Bestimmungen des § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. §§ 17 bis 17b GVG regeln aber nur das Verhältnis der verschiedenen staatlichen (fachgerichtlichen) Rechtswege untereinander, nicht dagegen das Verhältnis der staatlichen Gerichtsbarkeit zu den von einer Kirche im Rahmen ihrer Selbstbestimmung (Art. 140 GG, Art. 137 WRV) errichteten Kirchengerichten (vgl. zu § 17a Abs. 5 GVG:  - Rn. 22;  2 C 23.92 - zu 2 der Gründe, BVerwGE 95, 379).

25b) Hiernach hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte zu Unrecht verneint, soweit die Schwerbehindertenvertretung ihre Ansprüche auf staatliches Recht stützt; das betrifft die Anträge zu 1. und 3. sowie teilweise den Antrag zu 2. Soweit die Schwerbehindertenvertretung ihre Ansprüche auf die MAVO stützt, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme der staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit; das betrifft den Antrag zu 4. sowie teilweise den Antrag zu 2.

26aa) Den Antrag zu 1., mit dem die Abmahnung der Frau S „mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung der Vertrauensperson und Durchführung des Klärungsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX ausgesetzt“ werden soll, stützt die Schwerbehindertenvertretung auf § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. In der kirchlichen MAVO ist auch nicht etwa das gesamte staatliche Recht der Schwerbehindertenvertretung uneingeschränkt inkorporiert. Die MAVO regelt das Schwerbehindertenvertretungsrecht in den §§ 28a, 52 MAVO eigenständig und nimmt dabei staatliches Recht nur punktuell in Bezug. Dieses Regelungskonzept wird durch § 52 Abs. 1 Satz 1 MAVO deutlich. Danach wird die Vertrauensperson „entsprechend“ den Vorschriften des SGB IX gewählt. Zudem verweist § 52 Abs. 5 Satz 2 MAVO ergänzend auf die Bestimmungen des SGB IX zu den persönlichen Rechten und Pflichten der Vertrauensperson. Darin liegt keine generelle, sondern nur eine punktuelle Übernahme des staatlichen Schwerbehindertenrechts. Mit § 52 Abs. 2 Satz 2 MAVO hat der kirchliche Gesetzgeber zudem eine gegenüber dem staatlichen Recht in § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX eigenständige Regelung getroffen. § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX regelt die Möglichkeit, die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung, die einen schwerbehinderten Menschen betrifft, auszusetzen und die Beteiligung binnen sieben Tagen nachzuholen. Damit geht die staatliche Regelung, auf die sich die Schwerbehindertenvertretung beruft, über § 52 Abs. 2 Satz 2 MAVO hinaus, der lediglich die Aussetzung eines Beschlusses der Mitarbeitervertretung vorsieht. Für den Antrag zu 1. sind daher die staatlichen Gerichte entscheidungsbefugt.

27bb) Die staatlichen Gerichte sind auch zur Entscheidung berufen, soweit die Schwerbehindertenvertretung den Antrag zu 2. auf eine Verletzung von § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX stützt.

28cc) Mit dem Antrag zu 3. macht die Schwerbehindertenvertretung einen Verstoß der Arbeitgeberin gegen § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX geltend. Auch insoweit sind die staatlichen Gerichte entscheidungsbefugt.

29dd) Soweit die Schwerbehindertenvertretung den Antrag zu 2. auch auf einen Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 2 MAVO und den Antrag zu 4. auf § 17 Abs. 1 MAVO stützt, fehlt es dagegen am Rechtsschutzbedürfnis. Die Prüfung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Rechtsgrundlagen hat ausschließlich durch die kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen zu erfolgen, die nach § 2 Nr. 2 KAGO unter anderem zuständig sind für Rechtsstreitigkeiten „aus dem Mitarbeitervertretungsrecht“. Dazu gehören auch diejenigen des Schwerbehindertenvertretungsrechts, soweit dieses Teil der Mitarbeitervertretungsordnung ist. Die Vertrauensperson vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen in dem Betrieb oder der Dienststelle nach Maßgabe der in §§ 28a, 52 MAVO enthaltenen Regelungen. Sie ist das gewählte Vertretungsorgan der schwerbehinderten Mitarbeiter/innen des Betriebs.

30(1) Das von der Arbeitgeberin betriebene Krankenhaus ist eine karitative Einrichtung der katholischen Kirche, die das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV für sich in Anspruch nehmen kann. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

31(a) Das kirchliche Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht kommt nicht nur den Religionsgesellschaften und deren rechtlich selbstständigen Teilen zugute, sondern allen der verfassten Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl.  - [KrankenhausG-NRW] zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 53, 366;  - Rn. 56, BAGE 143, 354). Die notwendige institutionelle Verbindung liegt vor, wenn die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können (für die Zuordnung zu § 118 Abs. 2 BetrVG:  - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 100). Orden sind Träger des von den Religionsgesellschaften vermittelten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, da sie organisatorisch oder institutionell mit Kirchen verbunden sind und ihr Daseinszweck eine Intensivierung der gesamtkirchlichen Aufgaben enthält (vgl.  - [Betriebsratsarbeit im katholischen Krankenhaus] zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 46, 73;  - zu II 3 b bb (3) der Gründe).

32(b) Das von der Arbeitgeberin betriebene Krankenhaus ist institutionell mit der verfassten katholischen Kirche verbunden. Die Arbeitgeberin, deren Alleingesellschafterin sowie der hinter dieser stehende Orden verfolgen das Ziel, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen. Unter „Gegenstand des Unternehmens“ heißt es im Handelsregisterauszug für die Arbeitgeberin ua., gemäß Werk und Leitbildern des Ordens B sei die vom christlichen Verantwortungsbewusstsein getragene Hilfe für den notleidenden Menschen Richtschnur des Handelns. Zweck der Gesellschaft sei die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der Gesundheitspflege, die Förderung der Religion und Kirche, von Wissenschaft und Forschung sowie des Wohlfahrtswesens.

33(2) Anhaltspunkte dafür, dass der nach § 2 Nr. 2 KAGO eröffnete kirchliche Rechtsweg keinen effektiven, rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Rechtsschutz gewährleisten könnte und aus diesem Grund die staatliche Gerichtsbarkeit zur Entscheidung berufen wäre, sind nicht ersichtlich. Nach § 17 Nr. 1 KAGO sind die Richter der kirchlichen Arbeitsgerichtsbarkeit von Weisungen unabhängig und nur an Gesetz und Recht gebunden. Rechtliches Gehör wird gewährleistet, §§ 31, 32, 38 KAGO. Über Beratung und Abstimmung ist Stillschweigen zu wahren, § 42 Nr. 3 KAGO. Nach § 43 Nr. 1 KAGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind nach §§ 53, 54 KAGO möglich.

34III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Entscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte zu Unrecht verneint hat, erweist sich seine die Anträge abweisende Entscheidung aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Anträge zu 1. und 3. sowie der auf staatliches Recht gestützte Antrag zu 2. sind unzulässig.

351. Der Antrag zu 1. ist nicht hinreichend bestimmt.

36a) Nach der im Beschlussverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Antragsschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Das ist erforderlich, um zu klären, worüber das Gericht entscheidet und wie der objektive Umfang der Rechtskraft einer Sachentscheidung iSv. § 322 Abs. 1 ZPO ist (vgl.  - Rn. 14 mwN; - 7 ABR 7/12 - Rn. 21). Dabei sind Anträge vom Gericht möglichst so auszulegen, dass sie die vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung zulassen (vgl.  - Rn. 13 mwN, BAGE 131, 225).

37b) Diesen Anforderungen genügt der Antrag zu 1. nicht. Das damit verfolgte Begehren, die Abmahnung „mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung der Vertrauensperson und Durchführung des Klärungsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX“ auszusetzen, lässt nicht hinreichend erkennen, welches konkrete Tun oder Unterlassen der Arbeitgeberin aufgegeben werden oder welche rechtsgestaltende oder feststellende Entscheidung das Gericht treffen soll. Eine einmal ausgesprochene Abmahnung kann nicht mehr „ausgesetzt“ werden. Hat der Arbeitgeber eine Maßnahme durchgeführt und - wie hier - durch den Zugang der Abmahnung bei der Arbeitnehmerin vollzogen, läuft das Aussetzungsrecht ins Leere (vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 95 Rn. 61; Kleinebrink FA 2012, 194, 195; Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 95 Rn. 16; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 95 Rn. 26).

382. Der Antrag zu 2. genügt - soweit er auf staatliches Recht gestützt wird - nicht den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO.

39a) Nach dem im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat (vgl. zB  - Rn. 15, BAGE 122, 121). Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen. Die Klärung solcher Fragen liefe darauf hinaus, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Das ist den Gerichten verwehrt (vgl.  - Rn. 35 mwN, BAGE 140, 277). So ist etwa die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts kein zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage (vgl.  - Rn. 21 mwN, BAGE 131, 176; - 7 ABR 7/12 - Rn. 18).

40b) Hiernach ist der Antrag zu 2. nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Die Schwerbehindertenvertretung will mit dem Antrag feststellen lassen, dass die Arbeitgeberin durch ein bestimmtes Verhalten gegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verstoßen habe. Damit zielt der Antrag auf die Dokumentation einer in der Vergangenheit liegenden Tatsache und deren rechtliche Bewertung, nicht dagegen auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Im Übrigen ist auch weder dargetan noch sonst ersichtlich, inwiefern die Schwerbehindertenvertretung ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat.

413. Auch der Antrag zu 3., mit dem die Feststellung begehrt wird, dass die Arbeitgeberin gegen § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX verstoßen hat, indem sie das Anhörungsverfahren trotz Aussetzung der Abmahnung durch die Schwerbehindertenvertretung fortgeführt und die Abmahnung ausgesprochen habe, ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Im Übrigen fehlt es auch insofern an der erforderlichen Darlegung des Feststellungsinteresses.

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2228 Nr. 37
DB 2014 S. 7 Nr. 35
EAAAE-71765