OFD Magdeburg - S 0362 - 3 - St 251

Feststellungsfrist bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes

1. Feststellungsfrist; Grundsätze

Gem. § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO werden die Einheitswerte nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes (§ 19 BewG) gesondert festgestellt. Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung (§ 134 AO – § 217 AO) sinngemäß. Die Feststellungsfrist beträgt danach grundsätzlich vier Jahre (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO).

Die Feststellungsfrist ist gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf der Feststellungsbescheid den Bereich der für die gesonderte Feststellung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO, § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO) und der vor Ablauf der Frist zur Post gegebene Feststellungsbescheid dem Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugeht (, BStBl 2003 II S. 548) oder bei öffentlicher Zustellung der Feststellungsbescheid oder eine Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 VwZG vor Ablauf der Festsetzungsfrist ausgehängt wird (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO, § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AO).

2. Anlaufhemmung nach § 181 Abs. 3 AO

Für Einheitswertbescheide enthält § 181 Abs. 3 AO in der durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom (BStBl 1994 I S. 50 [86]) geänderten Fassung eigenständige Regelungen zur Feststellungsfrist. Die Neuregelung gilt für alle am noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 5 EGAO).

Nach der Grundregel des § 181 Abs. 3 Satz 1 AO beginnt die Frist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten (Feststellungsfrist) mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung eines Einheitswertes vorzunehmen ist.

Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswertes abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist (Anlaufhemmung; § 181 Abs. 3 Satz 2 AO). Die zur Anlaufhemmung führende Erklärungspflicht kann sich aus dem Gesetz (§ 149 Abs. 1 Satz 1 AO) oder aus einer Aufforderung der Finanzbehörde (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) ergeben. Eine gesetzliche Erklärungspflicht besteht bei der Einheitsbewertung nur für den Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BewG). Für Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkte bedarf es einer Aufforderung durch die Finanzbehörde.

Ergeht die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung nach Ablauf der vierjährigen Feststellungsfrist, führt dies wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht (mehr) zu einer Anlaufhemmung.

Beispiel 1:

Die Bewertungsstelle des Finanzamts hat den Grundstückseigentümer A schriftlich zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts für sein im Jahre 2004 fertig gestelltes Einfamilienhaus auf den aufgefordert. Die Aufforderung ist A am zugegangen. Er reicht die Erklärung am 10.12.1005 beim Finanzamt ein.

Lösung:

Nach § 181 Abs. 3 AO beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung beim Finanzamt eingegangen ist, mithin am . Die Frist endet nach 4 Jahren, also mit Ablauf des .

Beispiel 2:

Die Bewertungsstelle hat den Grundstückseigentümer B schriftlich zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts für sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zum aufgefordert. Die Aufforderung ist am zugegangen. B reicht die Erklärung am beim Finanzamt ein.

Lösung:

Durch die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung auf den innerhalb der Feststellungsfrist wird die Anlaufhemmung für die Feststellungsverjährung in Gang gesetzt. Diese Anlaufhemmung tritt bis zum Ende des Jahres ein, in dem die Feststellungserklärung dem Finanzamt eingereicht wird, somit dem . Für die EW-Feststellung auf den beginnt die Feststellungsfrist somit mit Ablauf des und endet mit Ablauf des .

Beispiel 3:

Wie Beispiel 2, jedoch reicht B die Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts erst am beim Finanzamt ein.

Lösung:

Durch die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung verschiebt sich der Beginn der vierjährigen Feststellungsfrist auf das Ende des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung beim Finanzamt eingeht. Dies wäre im vorliegenden Fall der . Da die Anlaufhemmung jedoch spätestens am – mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen ist –, endet, beginnt die Feststellungsfrist am und endet am .

Beispiel 4:

Das Finanzamt hat den Grundstückseigentümer C am zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den aufgefordert. C reicht trotz Erinnerung keine Feststellungserklärung beim Finanzamt ein.

Lösung:

Durch die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung auf den innerhalb der Feststellungsfrist wird die Anlaufhemmung in Gang gesetzt. Diese endet jedoch spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Erklärung nicht abgegeben wird. Die Feststellungsverjährung beginnt also mit Ablauf des . Das Finanzamt kann die Schätzung des Einheitswerts auf den Feststellungszeitpunkt noch bis zum vornehmen.

Beispiel 5:

Das Finanzamt hat den Grundstückseigentümer D im Januar 2007 zur Abgabe einer Erklärung auf den aufgefordert.

Lösung:

Mit Ablauf des ist die Feststellungsverjährung eingetreten. Die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung führt nicht mehr zu einer Anlaufhemmung.

3. Durchführung von Einheitswertfeststellungen trotz abgelaufener Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 5 AO

Von dem Grundsatz, dass nach Ablauf der Feststellungsfrist Einheitswertbescheide nicht mehr ergehen dürfen, enthält § 181 Abs. 5 AO eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift kann eine Einheitswertfeststellung auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Die Vorschrift des § 181 Abs. 5 AO gilt nicht nur für erstmalige Feststellungen, sondern auch für Änderungen und Berichtigungen nach den Vorschriften der Abgabenordnung ( BStBl 1992 II S. 454).

Beispiel:

Das Finanzamt hat den A im Jahr 2002 schriftlich aufgefordert, eine Feststellungserklärung auf den einzureichen. A kommt der Aufforderung im selben Jahr nach. Das Finanzamt versäumt, den Feststellungsbescheid vor Ablauf der Feststellungsfrist () zu erlassen. Im Jahr 2007 bemerkt das Finanzamt sein Versäumnis und möchte die Feststellung nachholen, weil der Einheitswertbescheid Grundlagenbescheid für den Grundsteuermessbescheid und dieser wiederum Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid ist.

Lösung:

Die Grundsteuer entsteht gem. § 9 Abs. 2 GrStG mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist. Die Festsetzungsverjährung beginnt gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO, § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und beträgt gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO, § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre.

Im Zeitpunkt des beabsichtigten Erlasses des Einheitswertbescheides (2007) sind die Grundsteueransprüche für die Jahre bis einschließlich 2002 verjährt. Verjährung für die Grundsteuern 2003 ff. ist noch nicht eingetreten. Die Nachfeststellung auf den kann trotz abgelaufener Feststellungsfrist somit noch erfolgen, hat aber steuerliche Wirkung nur für die Grundsteuer ab 2003. Auf diese eingeschränkte Wirkung ist im Einheitswertbescheid hinzuweisen (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO). Die entsprechend eingeschränkte Wirkung des Grundsteuermessbescheids ergibt sich aus § 182 Abs. 1 AO, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

Der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO hat nicht bloße Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellung abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird. Die in dem Hinweis liegende Regelung muss den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO genügen und deshalb unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war (, BStBl 1990 II S. 411; , BStBl 1998 II S. 426; und , BStBl 1998 II S. 555).

An der in dem , BStBl 1995 II S. 302, vertretenen Auffassung, wonach ein auf § 181 Abs. 5 AO gestützter Feststellungsbescheid erkennen lassen müsse, auf welche Steuerabschnitte (Veranlagungszeiträume) und auf welche – konkret bezeichneten – Steuerarten sich die Wirkungen der gesonderten Feststellung erstrecken sollen, hat der BFH in seinen Urteilen vom , a. a. O., nicht mehr festgehalten.

Fehlt der nach § 181 Abs. 5 AO erforderliche Hinweis, führt dies zur Rechtswidrigkeit – nicht: Nichtigkeit – des Feststellungsbescheids und damit zu seiner Aufhebbarkeit (, BStBl 1990 II S. 411).

Die Ergänzung des Regelungsinhalts eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids um den Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO bedarf einer eigenständigen Änderungsbefugnis (, BFH/NV 2007, 2227).

Die Nachholung oder Ergänzung eines fehlenden oder unklaren Hinweises nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO durch einen Ergänzungsbescheid i. S. v. § 179 Abs. 3 AO ist nicht möglich (, a. a. O.).

Ist der Feststellungsbescheid nicht bestandskräftig geworden, kann nach dem , BFH/NV 2006, 228 der dem Feststellungsbescheid fehlende Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden, sofern die Festsetzungsfrist für die abhängige Steuer bei Ergehen der Einspruchsentscheidung noch nicht abgelaufen war. Ein vorheriger Verböserungshinweis gem. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vor Ergänzung der Einspruchsentscheidung um den Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ist nach der Entscheidung des BFH entbehrlich, wenn sich die Verböserung durch Einspruchsrücknahme nicht vermeiden lässt.

Bezüglich der Frage, ob für die abhängige Steuer bei Ergehen der Entscheidung über den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid die Festsetzungsfrist abgelaufen war, bleibt (nur) § 171 Abs. 10 AO außer Betracht (§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO). Im Übrigen bleibt § 171 AO unberührt.

Der Tenor der Einspruchsentscheidung kann wie folgt formuliert werden:

’Es wird festgestellt, dass der (angefochtene) Feststellungsbescheid (vom TTMMJJJJ) nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen und daher nur noch für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist bei Ergehen dieser Einspruchsentscheidung noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen wird der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.’

OFD Magdeburg v. - S 0362 - 3 - St 251

Fundstelle(n):
RAAAE-65379