(Unterrichtung des Betriebsrats über Massenentlassungen - Einhaltung der Schriftform - Heilungsmöglichkeit durch abschließende Stellungnahme des Betriebsrats - EGRL 59/98)
Leitsatz
Beabsichtigt der Arbeitgeber Massenentlassungen, hat er den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich u.a. über die Gründe für die geplanten Entlassungen zu unterrichten. Ob "schriftlich" in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Unterrichtung der Formvorschrift des § 126 Abs. 1 BGB genügen muss, kann offenbleiben. Hat der Arbeitgeber die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG geforderten Angaben in einem nicht unterzeichneten Text dokumentiert und diesen dem Betriebsrat zugeleitet, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen, um einen etwaigen Schriftformverstoß zu heilen.
Gesetze: § 17 Abs 2 S 1 KSchG, § 111 S 3 Nr 1 BetrVG, § 126 Abs 1 BGB, Art 2 Abs 3 UAbs 1 Buchst b EGRL 59/98, § 125 Abs 2 InsO, § 1 Abs 2 S 1 Alt 3 KSchG, § 17 Abs 3 S 1 KSchG
Instanzenzug: ArbG Paderborn Az: 4 Ca 88/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 6 Sa 1344/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste erklärten Kündigung und über Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt.
2Die im September 1956 geborene, verheiratete Klägerin war seit 1986 bei der Schuldnerin, der Q GmbH, beschäftigt. Sie war als Verkaufsberaterin im Bereich Flächenmanagement des Betriebs „Zentrale N“ im Vertriebsaußendienst tätig, zuletzt im Bereich H gegen eine Vergütung von 3.600,00 Euro brutto. Die Schuldnerin beschäftigte mehrere Tausend Arbeitnehmer. Am wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
3Am schloss der Beklagte mit dem im Unternehmen der Schuldnerin gebildeten Gesamtbetriebsrat einen ersten Interessenausgleich, aufgrund dessen die Tätigkeit mehrerer Betriebe der Schuldnerin eingeschränkt werden sollte.
Nach einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation schloss der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat am einen Interessenausgleich für die Arbeitnehmer der Betriebe „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“. Der Gesamtbetriebsrat war dazu und zu der Ausübung der damit in Zusammenhang stehenden Beteiligungsrechte von den drei örtlichen Betriebsräten „Zentrale N“, „Küchenvertrieb L“ und „Küchenvertrieb Mitte“ nach § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt worden. Der Interessenausgleich sah vor, dass der Geschäftsbetrieb der sog. Q-Shops einschließlich der Betriebsteile des Vertriebsaußen- und Vertriebsinnendienstes, die zum Betrieb „Zentrale N“ gehörten, bis spätestens vollständig eingestellt werden sollte. Mit dem Interessenausgleich wurde eine seitens des Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterschriebene Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer verleimt. In der Liste ist der Name der Klägerin aufgeführt. Der Interessenausgleich nennt die Gründe für die geplanten Kündigungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu kündigenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten, und die Kriterien für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer. Der von beiden Seiten unterzeichnete Interessenausgleich lautet in Auszügen wörtlich:
5Mit Schreiben vom hörte der Insolvenzverwalter den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ zu den in diesem Betrieb beabsichtigten Kündigungen - ua. des Arbeitsverhältnisses der Klägerin - an. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den geplanten Kündigungen betroffen. Unter dem teilte der örtliche Betriebsrat mit, er nehme die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis und werde keine Stellungnahme abgeben. Er gehe davon aus, dass die Anhörungen mit dem Inhalt des Interessenausgleichs vom und den dort vereinbarten Namenslisten übereinstimmten. Die Stellungnahme sei abschließend.
6Der Beklagte erstattete mit Schreiben vom Massenentlassungsanzeige, die der Agentur für Arbeit am zuging. Er teilte ua. mit, von den zum Zeitpunkt der Anzeige beschäftigten 3.040 Arbeitnehmern sollten insgesamt 433 Arbeitnehmer entlassen werden. Der Anzeige war eine „Bestätigung des Gesamtbetriebsrats der Q GmbH gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ vom beigefügt, die inhaltlich § 5 des Interessenausgleichs vom entsprach. Außerdem lag der Massenentlassungsanzeige dieser Interessenausgleich bei. Die Agentur für Arbeit teilte unter dem mit, die Frist des § 18 Abs. 1 KSchG beginne am und ende am . Da die Arbeitsverhältnisse nicht in dieser Frist enden sollten, könnten die Kündigungen ausgesprochen werden.
7Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom ordentlich zum . Der Vertrieb wurde zum eingestellt. Die Betriebe wurden am vollständig stillgelegt.
8Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt und Ansprüche auf Annahmeverzugsentgelt für Februar und März 2010 erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte das Konsultationsverfahren vor der Anzeige der Massenentlassung nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Er habe seine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht erfüllt und der Agentur für Arbeit deshalb entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG auch keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zugeleitet. Das Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sei nicht disponibel und von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (MERL) vorgegeben.
Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt
10Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, die Anforderungen des § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG seien gewahrt. Er habe dem Gesamtbetriebsrat bereits im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen alle Auskünfte erteilt, die § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlange. Jedenfalls komme dem Bescheid der Agentur für Arbeit vom Bindungswirkung zu.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Sie verlangt zudem hilfsweise anstelle des Feststellungsantrags zu 2. Vergütung für Februar und März 2010 von 5.927,06 Euro brutto.
Gründe
12Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem . Der Klägerin steht daher keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.
13A. Die Kündigung vom ist nicht sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG.
14I. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ist nicht widerlegt.
151. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt.
16a) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.
17aa) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind (vgl. für die st. Rspr. - Rn. 46 mwN). Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 41 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).
18bb) Der Personalabbau überschritt die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin „Zentrale N“ eingesetzte Zahl von Arbeitnehmern. In diesem Betrieb waren 201 Arbeitnehmer von den beabsichtigten Kündigungen betroffen, wie sich aus der schriftlichen Anhörung des örtlichen Betriebsrats vom ergibt. Obwohl die Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht festgestellt ist, ergibt sich aus der Zahl der geplanten Kündigungen zugleich, dass die Mindestbeschäftigtenzahl von 60 Arbeitnehmern erreicht und damit der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG von mehr als 25 zu Kündigenden erreicht ist. Sollten im Betrieb „Zentrale N“ über 500 Arbeitnehmer beschäftigt worden sein, wäre die Mindestzahl von 30 beabsichtigten Kündigungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG deutlich überschritten.
19b) Die vonseiten des beklagten Insolvenzverwalters und des Gesamtbetriebsrats unterzeichnete Namensliste weist den Namen der Klägerin aus und war mit dem Interessenausgleich vom fest verbunden.
202. Die Klägerin hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Der Vertrieb der Schuldnerin wurde zum nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten vollständig eingestellt.
21II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, ob und welche weiterbeschäftigten Arbeitnehmer sie mit sich selbst für vergleichbar hält. Die Arbeitsverhältnisse der mit ihr tätigkeitsbezogen vergleichbaren Arbeitnehmer wurden zum selben Zeitpunkt wie das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt, weil der Vertriebsinnen- und Vertriebsaußendienst zum eingestellt wurde.
22B. Der Beklagte hörte den örtlichen Betriebsrat der „Zentrale N“ vor Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom ordnungsgemäß und mit detaillierter Begründung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG an. Er musste die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht wahren, weil der Betriebsrat unter dem abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung genommen hatte. Dafür genügte die eindeutige Äußerung des Betriebsrats, zu den Kündigungen keine Stellung nehmen zu wollen.
23C. Die Kündigung vom verstößt nicht gegen die Anzeigepflicht aus § 17 KSchG. Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei den gerügten Verletzungen von § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG um mögliche Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung handelt. Er braucht ferner nicht darüber zu befinden, ob die Klägerin Verstöße gegen diese beiden Bestimmungen entweder bereits in erster Instanz beanstandet hat oder das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG verletzt und die Klägerin die Rügen im zweiten Rechtszug wirksam nachgeholt hat (vgl. dazu - Rn. 11 ff., EzA KSchG § 6 Nr. 4). Der Beklagte wurde seinen Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht.
24I. Die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 KSchG gilt uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter (vgl. - Rn. 13, EzA KSchG § 17 Nr. 25; - 6 AZR 407/10 - Rn. 29 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4; siehe auch bis C-239/10 - [Claes] Rn. 53, NZA 2011, 337).
25II. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Revision der Klägerin nicht schon deswegen unbegründet, weil die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige vom nicht beanstandete. Der auf der Grundlage von § 18 Abs. 1, § 20 KSchG ergangene Bescheid der Agentur für Arbeit vom hindert die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht daran, die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festzustellen. Er heilt mögliche Fehler der Massenentlassungsanzeige nicht (vgl. detailliert - Rn. 70 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).
261. Gegenüber der durch das Verfahren nach §§ 17 ff. KSchG nur mittelbar betroffenen Klägerin kann ein solcher Bescheid keine materielle Bestandskraft entfalten. Sie hätte gegen ihn nicht vorgehen können (vgl. im Einzelnen - Rn. 71 mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).
272. Auch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit kommt einem derartigen Bescheid keine materielle Bestandskraft zu. Das ergibt sich aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und wird vom unionsrechtlichen Grundsatz des sog. effet utile verlangt.
28a) Die Bindungswirkung eines Bescheids der Agentur für Arbeit nach § 20 KSchG umfasst nur den eigentlichen Inhalt dieses Bescheids, also die Dauer der Sperrfrist und den Zeitpunkt ihres Ablaufs oder die Genehmigung, Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist vorzunehmen, nicht aber die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbst (vgl. Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 154 f.; Reinhard RdA 2007, 207, 214). Die Einhaltung der formalen Anforderungen des § 17 KSchG ist lediglich eine Vorfrage des Bescheids nach § 20 KSchG und gehört damit nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zum Regelungsinhalt des Bescheids (vgl. - Rn. 73 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).
29b) Die Mitgliedstaaten müssen zudem nach Art. 6 MERL Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Ausgestaltung dieser Bestimmung darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. - [Mono Car Styling] Rn. 34 und 36, Slg. 2009, I-6653). Diese Verpflichtung steht einer Auslegung der §§ 17 ff. KSchG durch die nationale Arbeitsgerichtsbarkeit entgegen, die die Bindungswirkung eines Bescheids der Arbeitsverwaltung nach §§ 18, 20 KSchG über seinen eigentlichen Regelungsgehalt hinaus annimmt. Weder die Arbeitnehmer noch der (Gesamt-)Betriebsrat sind am Verwaltungsverfahren beteiligt. Würde ein Bescheid nach §§ 18, 20 KSchG dem Arbeitnehmer dennoch die Möglichkeit nehmen, sich im Kündigungsschutzprozess auf Formfehler bei den Anforderungen des § 17 Abs. 3 KSchG zu berufen, wäre das von Art. 6 MERL geforderte Schutzniveau unterschritten (vgl. näher - Rn. 76 ff. mwN, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3).
30III. Der Wirksamkeit der Kündigung vom steht nicht entgegen, dass der Beklagte seiner Anzeige keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügte.
311. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt, dass der Arbeitgeber bei Entlassungen, die der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzuzeigen sind, die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügt.
322. Der Beklagte musste der Massenentlassungsanzeige vom aber keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der „Zentrale N“ beifügen. Es genügte, dass er der Anzeige die Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats vom und den Interessenausgleich vom beifügte. Der mit dem originär zuständigen Gesamtbetriebsrat geschlossene Interessenausgleich ersetzte nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des „Betriebsrats“ iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG (vgl. - Rn. 18 ff., AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).
33a) § 125 Abs. 2 InsO besagt zwar nicht ausdrücklich, dass auch ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 125 Abs. 2 InsO sprechen jedoch für ein solches Verständnis.
34aa) Die Formulierung „Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt …“ in § 125 Abs. 2 InsO erfasst jeden qualifizierten Interessenausgleich mit Namensliste unabhängig davon, ob der Interessenausgleich mit dem Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat zustande kommt.
35bb) Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.
36(1) Es muss sich um eine Angelegenheit handeln, die mehrere Betriebe betrifft. Darüber hinaus muss objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung bestehen. Ob ein solches zwingendes Erfordernis besteht, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands (vgl. - Rn. 21 mwN).
37(2) Wird ein geplanter Personalabbau - wie hier - auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts durchgeführt und sind mehrere Betriebe von der Betriebsänderung betroffen, ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig für den Abschluss eines betriebsübergreifenden Interessenausgleichs mit Namensliste. Dann kann nur auf dieser überbetrieblichen Ebene geklärt werden, welche Arbeitnehmer gekündigt und welche Arbeitnehmer in welchem Betrieb weiterbeschäftigt werden. In einem solchen Fall haben nicht die örtlichen Betriebsräte gegenüber der Agentur für Arbeit zu den geplanten Kündigungen Stellung nehmen. Der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt dessen Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG (vgl. - Rn. 24 f. mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).
38b) Sinn und Zweck sowohl des § 125 Abs. 2 InsO als auch des § 17 KSchG bestätigen dieses Verständnis.
39aa) § 125 Abs. 2 InsO will möglichst schnelle Sanierungen ermöglichen und Verzögerungen bei der Abwicklung der Rechtsverhältnisse des Schuldners vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 149). Dieses Vereinfachungs- und Beschleunigungsziel würde bei betriebsübergreifenden Betriebsänderungen zur Sanierung von Unternehmen verfehlt, wenn ein mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzte (vgl. im Einzelnen - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3).
40bb) Auch der Zweck des § 17 KSchG spricht für eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsübergreifende Massenentlassungen. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einleiten und für anderweitige Beschäftigungen der Entlassenen sorgen können. Dazu ist den Arbeitnehmern mit Art. 2 MERL und der Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht durch § 17 KSchG ein kollektiv ausgestaltetes Recht auf Information und Konsultation eingeräumt (vgl. - Rn. 27 mwN, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 Nr. 3 unter Hinweis auf - [Mono Car Styling] Rn. 42, Slg. 2009, I-6653). Dieser Zweck erfordert es nicht, dass nur ein örtlicher Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung verstanden wird und daher lediglich ein vom örtlichen Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter geschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt. Erforderliche Kenntnisse des Gesamtbetriebsrats über die betrieblichen und regionalen Verhältnisse sind dadurch gewährleistet, dass jeder örtliche Betriebsrat mindestens ein Mitglied in den Gesamtbetriebsrat entsendet (vgl. - Rn. 28, aaO).
413. Das Erfordernis der beizufügenden Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG wurde demnach mit dem beigefügten qualifizierten Interessenausgleich vom , den der Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen hatte, gewahrt. Aufgrund der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Interessenausgleichs kommt es nicht darauf an, dass die örtlichen Betriebsräte ihn hier ausdrücklich nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit der Stellungnahme und der Ausübung der zugehörigen Beteiligungsrechte beauftragt hatten. Selbst die in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats hätte den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt, wenn der Gesamtbetriebsrat abschließend zu der beabsichtigten Massenentlassung Stellung genommen hätte (vgl. - Rn. 56, EzA-SD 2012 Nr. 19, 3; - 6 AZR 596/10 - Rn. 14 ff. und 34, EzA KSchG § 17 Nr. 25).
42IV. Der Beklagte verletzte auch nicht seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG.
431. Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen. Der Arbeitgeber hat der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten. Sie muss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG zumindest die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 KSchG enthaltenen Angaben enthalten.
442. Mit §§ 5 und 13 des Interessenausgleichs vom und mit seiner Stellungnahme vom erklärte der Gesamtbetriebsrat, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügt zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG allerdings noch nicht. Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt nur die Stellungnahme des Betriebsrats oder Gesamtbetriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die vorherige schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG (vgl. - Rn. 33 und 39 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).
45a) Unschädlich ist, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG mithilfe der Angaben im Interessenausgleich gerecht werden wollte.
46aa) Die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist zulässig.
47(1) Soweit die gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflichten aus § 111 BetrVG mit denen aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen (vgl. - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25). Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollen, muss dabei hinreichend klargestellt werden (vgl. - Rn. 34 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).
48(2) Aus § 5 Satz 1 und Satz 2 des Interessenausgleichs vom geht ausdrücklich hervor, dass mit dem Interessenausgleich zugleich die Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt werden sollte.
49bb) Die Verbindung des Verfahrens nach § 111 BetrVG mit der Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben. Insoweit ist kein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich. Die Frage ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. dazu zB - Rn. 20 ff., ZIP 2012, 1876; - 1 BvR 3461/08 - Rn. 5 ff., CR 2011, 88; siehe auch - Rn. 33 ff., ZIP 2012, 1927).
50(1) § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG setzt Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL um. Es handelt sich um ein von dieser Richtlinienvorgabe gewährleistetes kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, nicht um ein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Nach Art. 6 der Richtlinie 98/59/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59/EG vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Da die Richtlinie die Verpflichtung aber nicht weiter ausformt, ist die Ausgestaltung dieser teilharmonisierten Verfahren Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit iSd. Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips nehmen (vgl. - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO).
51(2) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass die Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der schriftlichen Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG richtlinienkonform ist.
52(a) Der Entwurf des Interessenausgleichs dokumentiert gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat die Bemühungen des Arbeitgebers, Massenentlassungen zumindest zu beschränken (vgl. dazu bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337; - C-44/08 - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 64, Slg. 2009, I-8163).
53(b) Dem widerspricht die Vorgabe in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 MERL nicht, wonach der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig unterrichten muss. Der Wortlaut der Richtlinienvorgabe bringt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung die betreffenden Auskünfte rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen erteilen muss, damit die Arbeitnehmervertreter konstruktive Vorschläge unterbreiten können (vgl. - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163). Daraus folgt, dass diese Auskünfte im Verlauf und nicht unbedingt im Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen sind. Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmervertretung nach dem Grundgedanken der Richtlinienvorgabe während der gesamten Konsultationen die relevanten Informationen zu geben. Eine flexible Handhabung ist erforderlich, weil die Auskünfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Konsultationsprozesses zur Verfügung stehen können. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit und die Pflicht hat, die Auskünfte im Lauf des Verfahrens zu vervollständigen (vgl. - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 52 ff., aaO). Dieser Prozess kann gegenüber dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat deshalb unmittelbar vor Schluss der Konsultation nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich dokumentiert werden.
54(c) Die Annahme einer rechtlich zulässigen Verbindung des Interessenausgleichsverfahrens mit der Information des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entspricht damit auch dem Erfordernis unionsrechtskonformer Auslegung (vgl. für die st. Rspr. des EuGH etwa - C-42/11 - [Lopes Da Silva Jorge] Rn. 53 ff.; - C-97/11 - [Amia] Rn. 27 ff., EurUP 2012, 210; - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 23 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 7 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8).
55b) Es kann ferner auf sich beruhen, ob § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG gesetzliche Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Sollte das zutreffen, ist der Schriftformverstoß durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats in § 5 des Interessenausgleichs geheilt, die die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erfüllt.
56aa) Im Streitfall ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass der Interessenausgleich vom zuerst durch den Bevollmächtigten des beklagten Insolvenzverwalters unterzeichnet wurde. Demnach steht bisher nicht fest, dass der Beklagte den Gesamtbetriebsrat vor Abschluss des Konsultationsverfahrens in einer Weise unterrichtete, die der gesetzlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB entsprach.
57bb) Eine Verletzung des etwaigen gesetzlichen Schriftformerfordernisses ist hier aber jedenfalls geheilt. Der Betriebsrat machte mit seiner abschließenden Stellungnahme deutlich, dass er sich für ausreichend unterrichtet hielt und die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen wollte.
58(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob für die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB einzuhalten ist (vgl. - Rn. 40, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Weite Teile des Schrifttums nehmen an, dass sie zu wahren ist (so v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 17 Rn. 56; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20 und 28; APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 70; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 17 Rn. 52; Stahlhacke/Vossen 10. Aufl. Rn. 1653; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 56; Thüsing/Laux/Lembke/Lembke/Oberwinter KSchG 2. Aufl. § 17 Rn. 82 lassen demgegenüber eine Unterrichtung per Telefax oder E-Mail genügen).
59(2) Die Frage braucht auch in diesem Fall nicht beantwortet zu werden. Es kann auf sich beruhen, ob der Vertreter des Insolvenzverwalters den Interessenausgleich vom erst nach dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterschrieb.
60(a) Jedenfalls dann, wenn die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat in einem schriftlichen, wenn auch nicht unterzeichneten Text dokumentiert wurden, genügt die abschließende Stellungnahme des (Gesamt-)Betriebsrats, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen (weiter gehend - LAGE KSchG § 17 Nr. 2; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 65, die eine mündliche Unterrichtung bei abschließender Stellungnahme des Betriebsrats für ausreichend halten; offengelassen von APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76). Dafür spricht der Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung soll konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken (vgl. zu Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51 und 64, Slg. 2009, I-8163). Bringt das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurden, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet hält, drückt es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten kann oder will (vgl. - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25). Die Arbeitnehmervertretung will in einem solchen Fall gerade nicht die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ausschöpfen.
61(b) Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass eine solche Heilungsmöglichkeit durch eine abschließende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung der von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL vorgegebenen Pflicht zur schriftlichen Mitteilung genügt. Wie bereits ausgeführt, gewährleistet die Richtlinienvorgabe ein kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, kein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer (vgl. - [Mono Car Styling] Rn. 38 ff., Slg. 2009, I-6653). Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Arbeitgebers ist nach Art. 6 MERL Sache der Mitgliedstaaten. Die Verfahrensausgestaltung darf aber nicht dazu führen, dass der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. - [Mono Car Styling] Rn. 33 ff. und 59 ff., aaO). Dem sog. effet utile ist nach dem Zweck der Richtlinienvorgabe jedenfalls bei einem schriftlich abgefassten, wenn auch nicht unterschriebenen Unterrichtungstext genügt. Führt die Arbeitnehmervertretung ohne einschränkende oder weiterführende Zusätze selbst aus, sie sei ausreichend unterrichtet, will sie keine weiteren Vorschläge unterbreiten, um die Massenentlassung abzuwenden oder zu beschränken (vgl. zum Zweck von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL - [Akavan Erityisalojen Keskusliitto] Rn. 51, Slg. 2009, I-8163; zu der Heilung einer anderen im Richtlinienrecht verbürgten Schriftform [für Kreditverträge] auch - Rn. 29 ff., BGHZ 165, 213). Die Heilung eines etwaigen Schriftformverstoßes verringert die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL gewährleistet, unter diesen Voraussetzungen nicht (vgl. zu der nötigen Aufrechterhaltung des Pflichtenniveaus - [Mono Car Styling] Rn. 65, aaO).
623. Der Beklagte wurde auch seiner Pflicht gegenüber der Agentur für Arbeit aus § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG gerecht, indem er der Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich vom beifügte. Die Agentur für Arbeit konnte dem Interessenausgleich, der den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG entsprach, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Gesamtbetriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG entnehmen. Der Gesamtbetriebsrat hatte mit § 5 des Interessenausgleichs deutlich gemacht, dass er annahm, der Beklagte habe seine Pflichten aus §§ 111, 112 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt. Daraus konnte die Agentur für Arbeit ersehen, dass ein etwaiger Schriftformverstoß jedenfalls durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats geheilt war. Mit dieser Stellungnahme belegte der Gesamtbetriebsrat zugleich, dass Kündigungen in dem aus dem Interessenausgleich ersichtlichen Umfang auch nach seiner Auffassung unvermeidlich waren und soziale Maßnahmen beraten worden waren (vgl. - Rn. 45 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).
63D. Die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO ist eingehalten. Die der Klägerin am zugegangene Kündigung wirkte zum .
64E. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum auflöste, steht der Klägerin keine Vergütung für Februar und März 2010 zu.
F. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2012 S. 2495 Nr. 40
BB 2012 S. 3072 Nr. 49
DB 2012 S. 17 Nr. 39
DB 2012 S. 2876 Nr. 50
DB 2012 S. 9 Nr. 48
DStR 2012 S. 12 Nr. 41
GmbHR 2012 S. 280 Nr. 20
NJW 2012 S. 8 Nr. 51
ZIP 2012 S. 2412 Nr. 49
ZIP 2012 S. 5 Nr. 39
KAAAE-23963