BFH Beschluss v. - VI B 75/12

Aufteilung gemischt veranlasster Aufwendungen; Darlegung einer Divergenz; Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze sind keine Verfahrensmängel

Gesetze: EStG § 12, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 118 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug:

Gründe

1 1. Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.

2 a) Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der FinanzgerichtsordnungFGO—) ist nicht erforderlich. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei einem gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalt in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der —dieselbe Rechtsfrage betreffenden— Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht (z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom IX B 15/08, BFH/NV 2008, 1350, unter 3., m.w.N.). Dabei reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die (angeblich) fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus; erforderlich ist vielmehr eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom VIII B 70/07, BFH/NV 2008, 380; vom VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.).

3 aa) Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) behauptete Divergenz zu der Entscheidung des Großen Senats des (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) ist nicht gegeben. Insbesondere gründet das angefochtene FG-Urteil nicht auf der Erkenntnis, dass in § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot geregelt sei. Dies verkennt der Kläger. Denn das FG hat ihm nicht den anteiligen Werbungskostenabzug von beruflich wie privat veranlassten Aufwendungen versagt, sondern Anschaffungskosten von Gegenständen, deren berufliche Nutzung der Kläger nicht dargelegt hat und die grundsätzlich auch im privaten Bereich genutzt werden können, der steuerunerheblichen Privatsphäre zugeordnet. Damit ist es nicht von der vermeintlichen Divergenzentscheidung des BFH abgewichen. Vielmehr geht der Große Senat des BFH nach wie vor von dem seit der Entscheidung des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom Rep. XI.a.88/01. (PrOVGE 10, 86) geltenden und seither die Rechtsprechung prägenden Grundsatz aus, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht entgegensteht und dass umgekehrt eine unbedeutende berufliche Mitveranlassung von Aufwendungen für die Lebensführung keinen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug eröffnet (BFH-Beschluss in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).

4 bb) Soweit der Kläger geltend macht, das FG sei von der Entscheidung des (BFH/NV 2010, 2035) abgewichen, nach der Prozesskosten grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren, teilen, ist die Beschwerde unzulässig.

5 Zur Darlegung einer Divergenz genügt es nicht, wenn —wie hier vom Kläger insoweit— lediglich bloße Subsumtionsfehler und die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH auf die Besonderheiten des Einzelfalls geltend gemacht werden (BFH-Beschlüsse vom III B 144/09, BFH/NV 2011, 1144, und vom IX B 63/11, BFH/NV 2012, 53). Eine fehlerhafte Einzelfallentscheidung vermag nämlich die Notwendigkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu begründen (, BFH/NV 2012, 772).

6 Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

7 Das Vorbringen des Klägers zielt insoweit allein auf die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Der Einwand, das FG habe materielles Recht verletzt, stellt nach einhelliger Auffassung jedoch noch keinen Grund für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 FGO dar, da die Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu dient, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753, m.w.N, und vom X B 249/08, BFH/NV 2010, 444).

8 b) Die Revision ist auch nicht wegen besonders schwerwiegender Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 2. Alternative FGO). Dies ist nur geboten, wenn das Urteil des FG objektiv willkürlich ist oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, also greifbar gesetzwidrig und somit geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 121/10, BFH/NV 2011, 1391; vom X B 100/10, BFH/NV 2011, 2098; vom III B 155/10, BFH/NV 2012, 48; vom X B 225/10, BFH/NV 2011, 2083, und vom X B 144/10, BFH/NV 2012, 3).

9 Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergeben sich aus der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte. Zwar mag die angefochtene Entscheidung insoweit fehlerhaft sein. Einen sogenannten qualifizierten Rechtsanwendungsfehler vermag dieser Mangel jedoch nicht zu begründen.

10 Dies gilt gleichermaßen für die Rüge, der Schluss des FG, die Angaben des Klägers zu den Wegstrecken im Rahmen der Entfernungspauschale seien zweifelhaft und damit nicht ordnungsgemäß dargelegt worden, verstoße gegen Denkgesetze sowie Erfahrungssätze und beruhe auf diversen Zirkelschlüssen, so dass sich das Urteil als greifbar gesetzwidrig und damit als willkürlich darstelle. Denn auch insoweit wird ein (einfacher, nicht aber ein qualifizierter) materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht, der grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (BFH-Beschlüsse vom V B 26/06, BFH/NV 2006, 2293, und vom III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915, m.w.N.).

11 c) Schließlich hat der Kläger auch keinen Verfahrensmangel dargelegt.

12 Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor, wenn das Verfahren wegen falscher Anwendung oder Nichtanwendung einer Verfahrensvorschrift mit einem Fehler oder Fehlern behaftet ist, sofern dadurch der materielle Inhalt der Entscheidung beeinflusst sein kann. Denkgesetze und Erfahrungssätze sind keine Verfahrensvorschriften. Sie werden, obwohl keine Rechtsnormen, diesen insoweit gleichgestellt, als sie der revisionsrechtlichen Prüfung unterliegen. Sie werden aber nicht als Verfahrensvorschriften, sondern als materielle Rechtsvorschriften behandelt. Das wiederum bedeutet, dass ein etwaiger Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze als Verletzung materiellen Rechts gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO im Rahmen einer Revision zu prüfen ist, wenn die Revision zugelassen ist (, BFH/NV 2010, 444).

13 2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Fundstelle(n):
EAAAE-19309