BVerwG Beschluss v. - 6 B 29.11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OVG Sachsen, 2 A 273/10 vom Veröffentlichungen: Fachpresse: nein; Amtliche Sammlung: nein

Gründe

1. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14). Die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von Landesrecht kann die Zulassung der Revision allenfalls dann begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277 S. 20 und vom - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171 S. 18). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen bundesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104 S. 43). Daran gemessen führen die aufgeworfenen Fragen nicht zur Revisionszulassung.

a) Der Beklagte möchte geklärt wissen, "ob vor dem Hintergrund von Artikel 7 Abs. 4 Satz 2 GG eine, verschiedene Schulstufen (hier Primarstufe, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II) umfassende Schule, mit den vom Landesgesetzgeber vorgegebenen Schularten des SchulG gleichwertig, d.h. akzessorisch ist, und damit jeweils die entsprechenden Schularten ersetzen kann". Mit dieser Frage formuliert er in der Sache keine grundsätzliche Frage des Bundes(verfassungs)rechts, sondern beanstandet, dass das Oberverwaltungsgericht Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG nicht hinreichend beachtet habe. Dies vermag die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Privatschule als Ersatz für eine öffentliche Schule im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG anzusehen und ihr die Genehmigung nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu erteilen ist. Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedürfen private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates. Die Genehmigung ist unter den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu erteilen. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verfolgt nicht den Zweck, die inhaltliche Einheit des Schulwesens zu sichern, sondern Schüler von Ersatzschulen vor einem ungleichwertigen Schulerfolg zu schützen (vgl. BVerwG 6 C 5.00 - BVerwGE 112, 263 <268> = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 127; und 1 BvR 733/09 - [...] Rn. 17). Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. Art. 7 Abs. 4 GG begründet unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Genehmigung einer privaten Schule ( - BVerfGE 27, 195 <200> und Kammerbeschluss vom a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Das Landesrecht bestimmt, welche öffentlichen Schulen es gibt, denen eine Ersatzschule entsprechen kann (vgl. - BVerfGE 90, 128 <139> und Kammerbeschluss vom a.a.O. Rn. 21). Die Akzessorietät der Ersatzschulen zu den öffentlichen Schulen bezieht sich nicht notwendigerweise auf eine formale Entsprechung zu den jeweils im Landesrecht typisierten Schularten und -formen, sondern auf eine Entsprechung in deren Gesamtzweck. Die privaten Schulen müssen sich in die Gesamtkonzeption des Landesgesetzgebers einpassen. Das ist der Fall, wenn die spezifischen Ziele, die mit der landesrechtlichen Ausgestaltung als Gesamtzweck verfolgt werden, in der vorgesehenen Privatschule erfüllt werden können (vgl. BVerwG 6 C 6.95 - BVerwGE 104, 1 <8 ff.>; a.a.O. S. 139 f. und Kammerbeschluss vom a.a.O. Rn. 21).

Das Oberverwaltungsgericht ist von den vorstehenden Grundsätzen ausgegangen und hat angenommen, dass der Kläger der Gesamtkonzeption der öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen entspreche, so dass er deren Gesamtzweck erfüllen könne. Der Beklagte bestreitet dies insbesondere mit der Erwägung, bei dem Kläger handele es sich um eine die Klassenstufen 1 bis 12 umfassende einheitliche Schule, das Schulsystem des Freistaates Sachsen sehe hingegen eine Ausdifferenzierung nach Primarstufe, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II vor. Damit wirft er keine ungeklärte Frage des Bundesrechts auf, sondern rügt, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich der Kläger hinsichtlich seines Gesamtzwecks in denjenigen der öffentlichen Schulen des Freistaates Sachsen einfüge. Die Beanstandung einer angeblich fehlerhaften Rechtsanwendung wird nicht dadurch zu einer rechtsgrundsätzlichen Frage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass sie abstrakt formuliert wird.

b) Auch die übrigen von dem Beklagten als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

Soweit der Beklagte der Auffassung ist, aus dem angefochtenen Urteil ergäben sich "gravierende Konsequenzen für die Schullandschaft in Sachsen und die Genehmigung von Schulen in freier Trägerschaft und das diesbezügliche Verfahren" (Nr. 2.a) der Beschwerdebegründung), weist er auf die Folgen der aus seiner Sicht fehlerhaften Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hin, zeigt hingegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine für das Revisionsverfahren erhebliche Rechtsfrage ist auch nicht dem Hinweis zu entnehmen, das Oberverwaltungsgericht sei "der Auffassung, dass es sich auch bei Anträgen auf Errichtung von Gemeinschaftsschulen durch freie Träger um vergleichbare Sachverhalte handelt" (Nr. 2.b) der Beschwerdebegründung). Soweit der Beklagte auf "grundsätzliche Auswirkungen" hinweist, die "sich möglicherweise (...) auf beantragte Dehnungen und Verkürzungen von Bildungsgängen durch freie Träger ergeben" (Nr. 2.c) der Beschwerdebegründung), ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht ausreichend aufgezeigt. Das gilt gleichermaßen, soweit der Beklagte die Frage aufwirft, "ob und inwieweit bei hinreichender Berücksichtigung von Artikel 7 Abs. 4 Satz 2 GG der vom Landesgesetzgeber mit dem SchulG vorgegebenen Schulstrukturen der vom Kläger für die Klassenstufen 4 bis 6 geplante jahrgangs- und schulartübergreifende Unterricht zulässig sein kann" (Nr. 2.d) der Beschwerdebegründung). Damit beanstandet er in der Sache, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, der Kläger erfülle den Gesamtzweck der öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen. Dies vermag hingegen - wie aufgezeigt - die Zulassung der Revision nicht zu begründen. Entsprechendes gilt, soweit der Beklagte den Rechtsstreit für grundsätzlich bedeutsam erachtet, "da wesentliche Grundgedanken der staatlichen Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft mit Genehmigung einer einheitlichen Schule ausgehebelt würden, indem Wartefristen umgangen werden könnten" (Nr. 3. der Beschwerdebegründung).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
HAAAD-89714