EuGH Urteil v. - C-485/09

Ausfuhrerstattung und Tierschutz

Leitsatz

1. Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG in der durch die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom geänderten Fassung ist u. a. auf Eisenbahntransporte anwendbar.

2. Für den Fall, dass der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628 in der durch die Richtlinie 95/29 geänderten Fassung nicht zum Verenden der transportierten Tiere geführt hat, sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und deren Gerichte bei der Ausübung ihrer Kontrolle verpflichtet, Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport in einer Weise anzuwenden, die im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, indem sie die Zahlung der Ausfuhrerstattung für die Tiere ablehnen, bei denen die ihr Wohlbefinden betreffenden Bestimmungen der Richtlinie nicht eingehalten worden sind.

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (ABl. L 340, S. 17) in der durch die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom (ABl. L 148, S. 52) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/628) sowie Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. L 82, S. 19).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines zwischen der Viamex Agrar Handels GmbH (im Folgenden: Viamex) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas anhängigen Rechtsstreits über Erstattungen für die Ausfuhr lebender Rinder nach Ägypten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Nach Art. 13 Abs. 9 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) in durch die Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom (ABl. L 356, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 805/68) setzt die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von lebenden Tieren die Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere während des Transports, voraus.

Die Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 805/68 wurden mit der Verordnung Nr. 615/98 festgelegt.

Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 setzt die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder voraus, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Richtlinie 91/628 und diese Verordnung eingehalten werden.

Nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 wird die Ausfuhrerstattung nicht gezahlt für Tiere, die während des Transports verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund der Unterlagen nach Art. 5 Abs. 2, der Berichte über die Kontrolle nach Art. 4 dieser Verordnung und/oder sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 dieser Verordnung zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist.

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/628 heißt es: "Die vorgeschlagene Regelung muss einen effizienteren Schutz der Tiere beim Transport gewährleisten."

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 91/628 enthält folgende Begriffsbestimmungen:

"a) 'Transportmittel': Teile von Straßenfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen und Luftfahrzeugen, die für das Verladen und den Transport von Tieren benutzt werden, sowie Behältnisse zum Transport auf dem Land-, See- oder Luftweg;

b) 'Transport': jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen;

...

g) 'Verbringung': der Transport vom Versandort zum Bestimmungsort;

h) 'Ruhezeiten': ein ununterbrochener Zeitraum während der Verbringung, in dem die Tiere nicht in einem Transportmittel befördert werden;

..."

Kapitel VII (Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt- und Ruhezeiten) des Anhangs der Richtlinie 91/628 bestimmt in Nr. 48:

"1. Die Anforderungen dieses Kapitels finden Anwendung auf den Transport der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a) genannten Tierarten mit Ausnahme des Lufttransports, der in Kapitel I Abschnitt E Nummern 27 bis 29 geregelt ist.

2. Tiere der unter Nummer 1 genannten Arten dürfen nicht länger als acht Stunden transportiert werden.

3. Die unter Nummer 2 genannte maximale Transportdauer kann verlängert werden, sofern das Transportfahrzeug folgende zusätzliche Anforderungen erfüllt:

...

- die Futtermenge, die das Transportfahrzeug mitführt, muss den beförderten Tierarten und der Transportzeit angemessen sein;

...

4. Die Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt- und Ruhezeiten sind bei Verwendung eines unter Nummer 3 genannten Fahrzeugs die folgenden:

a) Kälber, Lämmer, Zickel und Fohlen ... sowie ... Ferkel ...

b) Schweine ...

c) Einhufer, die als Haustiere gehalten werden ...

d) Alle anderen unter Nummer 1 genannten Tiere müssen nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden.

5. Nach der festgesetzten Transportdauer müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.

6. Übersteigt die maximale Transportdauer die in Nummer 2 vorgesehene maximale Transportdauer, so dürfen Tiere nicht mit der Bahn transportiert werden. Sind allerdings mit Ausnahme der Ruhezeitanforderungen die Anforderungen der Nummern 3 und 4 erfüllt, so gelten die in Nummer 4 vorgesehenen Transportzeiten.

7. a) Übersteigt die maximale Transportdauer die in Nummer 2 vorgesehene maximale Transportdauer, so dürfen Tiere nicht auf dem Seeweg transportiert werden, es sei denn, die Anforderungen der Nummern 3 und 4, ausgenommen die Transportdauer- und die Ruhezeitanforderungen, sind erfüllt.

b) Beim Transport auf dem Seeweg im direkten Linienverkehr zwischen zwei geografischen Punkten der Gemeinschaft mit Fahrzeugen, die ohne Entladen der Tiere auf das Schiff verladen werden, muss nach Entladen der Tiere im Bestimmungshafen oder in dessen Nähe eine Ruhezeit von zwölf Stunden eingelegt werden, es sei denn, die Dauer des Transports auf dem Seeweg entspricht den allgemeinen Regeln der Nummern 2 bis 4.

8. Die Transportzeiten gemäß den Nummern 3, 4 und 7 Buchstabe b) dürfen - insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes - im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden.

..."

Nationales Recht

Die zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltende Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport vom (BGBl. I S. 348) (Tierschutztransportverordnung) sah in § 24 zur Begrenzung von Transporten vor:

"(1) Liegen der Versandort und der Bestimmungsort im Inland, dürfen Nutztiere zur Schlachtstätte nicht länger als acht Stunden befördert werden. ...

(2) Bei anderen als in Absatz 1 genannten Nutztiertransporten haben der Beförderer und der Transportführer nach einer Transportdauer von höchstens acht Stunden sicherzustellen, dass die Nutztiere entladen und im Rahmen einer 24-stündigen Ruhepause gefüttert und getränkt werden, und zwar an einem Aufenthaltsort, der von der zuständigen Behörde ... zugelassen worden ist. ...

...

(5) Auf den Schienen- und Seetransport [von Nutztieren] finden die Vorschriften der Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Anlage 2 über das Entladen und die Ruhepausen keine Anwendung."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Am meldete Viamex beim Hauptzollamt Itzehoe 20 lebende Rinder zur Ausfuhr nach Ägypten an. Am beantragte sie beim Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) die Gewährung von Ausfuhrerstattungen. Die Tiere wurden mit der Bahn von Husum (Deutschland) nach Rasa (Kroatien) transportiert und anschließend verschifft.

Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass ausweislich des Transportplans die Verladung der Tiere in Husum am in der Zeit von 11.30 bis 18.00 Uhr erfolgte. Gegen 20.10 Uhr fuhr der Zug in Husum ab. Nach einem Halt am in Jesenice (Slowenien), wo die Tiere in der Zeit von 21.00 bis 22.30 Uhr getränkt und gefüttert wurden, erreichte der Bahntransport am gegen 5.30 Uhr Rasa.

Mit Bescheid vom lehnte das Hauptzollamt, das den besagten Transportplan ausgewertet hatte, den Erstattungsantrag mit der Begründung ab, der Transport habe 33 Stunden und 20 Minuten gedauert und damit die nach Kapitel VII Nr. 48 des Anhangs der Richtlinie 91/628 zulässige maximale Transportzeit von 28 Stunden überschritten.

In ihrem gegen den Bescheid gerichteten Einspruch wandte Viamex u. a. ein, dass die Dauer des Eisenbahntransports der nationalen Regelung entsprochen habe und es daher treuwidrig sei, ihr die Ausfuhrerstattung zu versagen.

Mit Entscheidung vom wies das Hauptzollamt den Einspruch mit der Begründung zurück, die Europäische Kommission habe festgestellt, dass die durchschnittliche Transportdauer von Husum nach Rasa 36 Stunden und 35 Minuten betragen habe, auch wenn sich nach den von der Deutschen Bundesbahn Cargo den Veterinärbehörden übermittelten Fahrplänen für die fragliche Fahrtzeit eine Dauer von 34 Stunden und 41 Minuten ergebe. Dies zeige folglich, dass dieser Transport nicht nur die nach der Richtlinie 91/628 vorgeschriebene maximale Transportdauer überschritten habe, sondern dass auch die von dieser Richtlinie nach der maximalen Transportdauer vorgeschriebene Ruhepause von 24 Stunden nicht eingehalten worden sei.

Mit ihrer am erhobenen Klage hat Viamex erneut vorgetragen, dass nach den der Umsetzung der Richtlinie 91/628 in deutsches Recht dienenden nationalen Bestimmungen die Vorschriften über die Ruhepausen und die Transportdauer auf Schienentransporte keine Anwendung fänden.

Nach Ansicht des Finanzgerichts Hamburg hängt die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits davon ab, ob Viamex die Vorschriften in Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628 verletzt hat, wonach die Tiere nach der festgesetzten Transportdauer entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten müssen. Das Gericht wirft die Frage auf, ob aus der systematischen Stellung der Vorschrift geschlossen werden könne, dass diese lediglich auf Straßentransporte Anwendung finde.

Überdies möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens verpflichtet ist, zu prüfen, ob die zuständige Behörde des Mitgliedstaats Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt hat. In diesem Zusammenhang ergibt sich nach Auffassung des vorlegenden Gerichts aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass bestimmte Verstöße, u. a. solche, die nicht zum Verenden der Tiere führten, nicht automatisch den Verlust des Anspruchs auf Ausfuhrerstattung nach sich zögen, so dass die zuständige Behörde unter Beachtung des genannten Grundsatzes über die Aufrechterhaltung, die Kürzung oder den Verlust der Ausfuhrerstattung entscheiden müsse.

Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Nr. 48.5 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628 auf Bahntransporte anwendbar?

2. Ist das Gericht in Fallgestaltungen, in denen der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628 nicht zum Verenden der Tiere geführt hat, generell zur Prüfung verpflichtet, ob die zuständige Behörde des Mitgliedstaats Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt hat?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628 auf Eisenbahntransporte anwendbar ist.

Viamex stützt sich für ihre Auffassung, dass Nr. 48.5 nicht auf diese Art des Transports anwendbar sei, auf eine systematische Auslegung dieses Kapitels. Nach dieser Auslegungsmethode beziehe sich Nr. 48 in ihren Ziff. 2 bis 5 auf den Transport per Lkw, in ihren Ziff. 6 und 7 auf den Eisenbahn- bzw. Schiffsverkehr sowie in ihren Ziff. 8 und 9 auf jedes Transportmittel.

Hierzu ist festzustellen, dass Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628 in allgemeiner Formulierung bestimmt, dass die Tiere nach der festgesetzten Transportdauer entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten müssen.

Nichts in dieser Ziff. 5 noch in einer anderen Bestimmung der Richtlinie 91/628 lässt ein Verständnis dahin zu, dass der Unionsgesetzgeber den Anwendungsbereich dieser Ziffer auf den Straßentransport hätte beschränken wollen.

Aus dem jeweiligen Wortlaut der verschiedenen Ziffern von Kapitel VII Nr. 48 des Anhangs der Richtlinie 91/628 ergibt sich nämlich, dass diejenigen, deren Anwendungsbereich auf ein konkretes Transportmittel beschränkt ist, dieses ausdrücklich angeben. So lässt sich dem Wortlaut der Ziff. 4, 6 und 7 von Nr. 48 entnehmen, dass sie für den Straßentransport, den Eisenbahntransport bzw. den Transport auf dem Seeweg gelten. Da Ziff. 5 von Nr. 48 keine solche Angabe enthält, ist davon auszugehen, dass sie alle Transportmittel erfasst.

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie auch für den Eisenbahntransport gilt.

Zum einen findet diese Auslegung eine Bestätigung in der Systematik der Bestimmungen der Richtlinie 91/628. Den Definitionen der Begriffe "Transport" und "Ruhezeit" in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie lässt sich nämlich entnehmen, dass die Zeiten zwischen der Verladung der Tiere auf ein Transportmittel und ihrer Entladung aus diesem notwendigerweise beide entweder Transport- oder Ruhezeit sind. Da feststeht, dass die in Kapitel VII Nr. 48.2 und 3 des Anhangs der Richtlinie 91/628 vorgesehenen Regeln über die maximale Transportdauer u. a. für den Eisenbahntransport gelten, ist davon auszugehen, dass die Regeln über die sich an die Transportzeit anschließende Ruhezeit ebenfalls für dieses Transportmittel gelten.

Zum anderen wird diese Auslegung durch das Ziel der Richtlinie 91/628 gestützt, das nach ihrem neunten Erwägungsgrund darin besteht, einen effizienteren Schutz der Tiere beim Transport zu gewährleisten.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628 u. a. auf Eisenbahntransporte anwendbar ist.

Zur zweiten Frage

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob für den Fall, dass der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628 nicht zum Verenden der beförderten Tiere geführt hat, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und deren Gerichte bei der Ausübung ihrer Kontrolle verpflichtet sind, Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 in einer Weise anzuwenden, die im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 38 des Urteils vom , Viamex Agrar Handel und ZVK (C-37/06 und C-58/06, Slg. 2008, I-69), im Rahmen einer Rechtssache zwischen denselben Parteien entschieden hat, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten über die Höhe der Ausfuhrerstattung nur nach Maßgabe zweier in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 klar getrennter Fallgestaltungen entscheiden können. Im ersten Fall, wenn das Verenden der Tiere auf die Nichteinhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 91/628 zurückzuführen ist, räumt der Unionsgesetzgeber der zuständigen Behörde keinerlei Ermessen ein, da er ausdrücklich vorschreibt, dass die Erstattung nicht gezahlt wird. Im zweiten Fall hingegen, wenn die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist, ohne dass dieser Verstoß jedoch zum Verenden der Tiere geführt hat, räumt der Unionsgesetzgeber der zuständigen Behörde bei der Entscheidung, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung dieser Richtlinie zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führt, ein gewisses Ermessen ein.

Hinsichtlich dieses zweiten Falles hat der Gerichtshof erläutert, dass die zuständige Behörde zu prüfen hat, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628 auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Viamex Agrar Handel und ZVK, Randnr. 44, und vom , Viamex Agrar Handel, C-96/06, Slg. 2008, I-1413, Randnr. 51).

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof befunden, dass die Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628 zur Kürzung oder zum Verlust der Ausfuhrerstattung nur bei den Bestimmungen dieser Richtlinie führen kann, die das Wohlbefinden der Tiere, d. h. ihren Zustand und/oder ihre Gesundheit betreffen, nicht aber bei denen, die grundsätzlich keinen solchen Bezug aufweisen (Urteil Viamex Agrar Handel und ZVK, Randnr. 42).

Weiter hat der Gerichtshof entschieden, dass es Sache der zuständigen Behörde ist, zu prüfen, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628 geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss. Die Behörde hat auch zu entscheiden, ob die Ausfuhrerstattung anteilmäßig im Verhältnis zur Zahl der Tiere zu kürzen ist, die ihrer Meinung nach unter der Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628 gelitten haben können, oder ob keine Erstattung zu zahlen ist, da sich die Nichteinhaltung einer Bestimmung dieser Richtlinie auf das Wohlbefinden sämtlicher Tiere ausgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Viamex Agrar Handel und ZVK, Randnr. 44, und Viamex Agrar Handel, Randnr. 51).

Viamex meint, aus der vorstehend angeführten Rechtsprechung ergebe sich, dass die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dazu führe, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und deren Gerichte ein abgestuftes Sanktionssystem einführen müssten und die Gewährung der Ausfuhrerstattung davon abhängig zu machen sei, dass keine konkrete Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere beim Transport vorliege.

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

Der Gerichtshof hat nämlich in Randnr. 47 des angeführten Urteils Viamex Agrar Handel entschieden, dass aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 klar hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber die Zahlung von Ausfuhrerstattungen von der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 91/628 abhängig gemacht hat, und zwar unabhängig von irgendeiner Feststellung eines konkreten Schadens, den die Tiere beim Transport erlitten haben.

In diesem Sinne ist das Wohlbefinden der Tiere gefährdet und kann nicht mehr gewährleistet werden, sobald die deren Gesundheit betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 91/628 nicht mehr eingehalten werden. Ebenso ist es für die zuständige Behörde in der Praxis nicht immer möglich, festzustellen, dass die Tiere wegen der Nichtbeachtung der genannten Bestimmungen konkret gelitten haben oder verletzt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Viamex Agrar Handel, Randnrn. 48 und 49).

Aus der in den Randnrn. 32 und 33 sowie 36 und 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung lässt sich ableiten, dass die Prüfung der zuständigen Behörde erstens die Frage erfassen muss, ob die Bestimmung der Richtlinie 91/628, die nicht eingehalten wurde, das Wohlbefinden der Tiere betrifft. Ist dies der Fall, ist zweitens zu prüfen, ob eine solche Nichtbeachtung das Wohlbefinden sämtlicher Tiere oder nur einer begrenzten Zahl der Tiere betraf, für die die Ausfuhrerstattung beantragt wurde. Drittens müsste die zuständige Behörde prüfen, ob die festgestellte Nichtbeachtung geheilt werden kann. Auf der Grundlage dieser Gesichtspunkte entscheidet die Behörde, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628 zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss.

Für den Fall, dass diese Behörde zu der Feststellung gelangt, dass der Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie 91/628 das Wohlbefinden sämtlicher transportierter Tiere betraf, hat sie die Ausfuhrerstattung zu versagen, ohne dass besonders nachgewiesen werden müsste, dass die Tiere bei ihrem Transport eine konkrete Beeinträchtigung erlitten haben.

Betrifft hingegen der Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie 91/628 nur einen Teil dieser Tiere, ist es Aufgabe der zuständigen Behörde, zu entscheiden, ob die Ausfuhrerstattung anteilmäßig im Verhältnis zur Zahl der Tiere zu kürzen ist, die unter diesem Verstoß gelitten haben können. Auf jeden Fall wird die Erstattung nicht für Tiere gewährt, hinsichtlich deren die Bestimmungen der Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden sind.

Daher ist auf die zweite Frage in dem Sinne zu antworten, dass für den Fall, dass der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628 nicht zum Verenden der transportierten Tiere geführt hat, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und deren Gerichte bei der Ausübung ihrer Kontrolle verpflichtet sind, Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 in einer Weise anzuwenden, die im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, indem sie die Zahlung der Ausfuhrerstattung für die Tiere ablehnen, bei denen die ihr Wohlbefinden betreffenden Bestimmungen der Richtlinie nicht eingehalten worden sind.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

1. Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG in der durch die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom geänderten Fassung ist u. a. auf Eisenbahntransporte anwendbar.

2. Für den Fall, dass der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628 in der durch die Richtlinie 95/29 geänderten Fassung nicht zum Verenden der transportierten Tiere geführt hat, sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und deren Gerichte bei der Ausübung ihrer Kontrolle verpflichtet, Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport in einer Weise anzuwenden, die im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, indem sie die Zahlung der Ausfuhrerstattung für die Tiere ablehnen, bei denen die ihr Wohlbefinden betreffenden Bestimmungen der Richtlinie nicht eingehalten worden sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BAAAD-86829