BSG Beschluss v. - B 6 KA 37/09 B

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LSG Thüringen, L 4 KA 303/05 vom SG Gotha - S 7 KA 1015/98

Gründe

I

Im Streit steht die Gewährung einer Aufwandsentschädigung für eine Tätigkeit als Vorstandsmitglied in der Zeit von Dezember 1997 bis Februar 1998.

Der seinerzeit als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger war von 1995 bis 1998 Mitglied des Vorstandes der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Aufgrund eines Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten erhielten Vorstandsmitglieder für ihre Tätigkeit eine monatliche Aufwandsentschädigung iHv 2.400,00 DM. Im Zeitraum April 1997 bis Februar 1998 nahm der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht an den Vorstandssitzungen teil. Am beschloss die Vertreterversammlung der Beklagten, dass Vorstandsmitglieder, die aus tatsächlichen Gründen (zB Krankheit und Weiterbildung) nicht in der Lage seien, ihr Mandat wahrzunehmen, keinen Anspruch auf Zahlung der Aufwandsentschädigung hätten. Der Beschluss wurde im Dezemberheft des Thüringer Zahnärzteblattes bekannt gegeben. Am beschloss der Vorstand der Beklagten, die Zahlung der Aufwandsentschädigung an den Kläger ab dem einzustellen. Nachdem dieser ab März 1998 wieder an den Vorstandssitzungen teilnahm, wurden die Zahlungen ab diesem Zeitpunkt wieder aufgenommen. Der gegen die Ablehnung der Zahlung für die Zeit von Dezember 1997 bis Februar 1998 erhobene Widerspruch (Bescheid vom ) blieb ebenso erfolglos wie die nachfolgende Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom ).

Das Landessozialgericht (LSG) hat auch die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger falle unter den Personenkreis, dem nach dem Beschluss der Vertreterversammlung keine Aufwandsentschädigung gezahlt werden solle; im Übrigen sei ihm während der Nichtteilnahme an den Vorstandssitzungen auch kein Aufwand entstanden. Der Senat habe in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten entschieden, ohne diesen geladen zu haben. Der darin liegende Verfahrensfehler beruhe darauf, dass die für das hiesige Verfahren erteilte Vollmacht zu einer - ein anderes Verfahren des Klägers betreffenden - Akte (L 4 KA 294/05) gelangt sei; dies sei weder dem Gericht noch dem Bevollmächtigten aufgefallen (Urteil vom ).

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

II

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel einer unzureichenden Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor und führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil das angefochtene Urteil des LSG unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ergangen ist. Das Gebot des rechtlichen Gehörs hat auch zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen haben müssen (BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr 14). Vor allem in der mündlichen Vorhandlung, dem "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens (vgl BSGE 44, 292, 293 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33), ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zum gesamten Streitstoff zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten daher die Möglichkeit haben, hieran teilzunehmen.

Diese Möglichkeit hatte der Kläger jedoch nicht, da sein Bevollmächtigter entgegen § 73 Abs 6 Satz 5 SGG vom LSG nicht zu dem am durchgeführten Termin, in dem verhandelt und entschieden wurde, geladen war und auch nicht erschienen ist. Da allein der Kläger geladen war, war die Ladung nicht wirksam (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 110 RdNr 12) und das LSG somit gehindert, die Instanz durch Urteil nach mündlicher Verhandlung zu beenden (vgl BSG SozR 3-1750 § 551 Nr 6 S 18). Dass es dennoch entschieden hat, verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Verhandlung zu einem anderen als in der Ladung genannten Zeitpunkt durchgeführt wird (vgl hierzu 5b RJ 48/85 - juris RdNr 9; - juris RdNr 10 = HV-INFO 1993, 905; - juris RdNr 10; - juris RdNr 11), sondern erst recht dann, wenn überhaupt keine Ladung erfolgt ist.

Dass der zur Entscheidung berufene Senat des LSG keine Kenntnis von der Bevollmächtigung hatte, weil die Vollmacht offenbar durch ein gerichtsorganisatorisches Versehen in die falsche Akte gelangt war, vermag daran nichts zu ändern. Ob der Bevollmächtigte des Klägers diesen Umstand hätte erkennen müssen, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Ob ein auf einer fehlenden Ladung des Prozessbevollmächtigten beruhender Verfahrensfehler ausnahmsweise unbeachtlich sein kann, wenn dem Bevollmächtigten dieser Fehler zuzurechnen ist oder er sogar von ihm willentlich herbeigeführt worden ist, kann dahingestellt bleiben, denn Derartiges ist nicht ersichtlich. Gerade angesichts der Vielzahl der vom Kläger betriebenen Verfahren erscheint es keinesfalls zwingend, dass der Bevollmächtigte bemerkt haben müsste, dass er Schriftsätze in einem Verfahren erhielt, für das er nicht bevollmächtigt war.

Darlegungen dazu, dass das Urteil des LSG auf der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs beruhen kann, bedurfte es nicht. Ist ein Verfahrensbeteiligter bzw im Falle der Vertretung dessen Prozessbevollmächtigter gehindert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, ist angesichts der Bedeutung der mündlichen Verhandlung für das sozialgerichtliche Verfahren davon auszugehen, dass dieser Umstand für die Entscheidung ursächlich geworden ist (BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 62 RdNr 11c).

Der Senat hat zur Beschleunigung des seit 1998 anhängigen Verfahrens von der durch § 160a Abs 5 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

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Fundstelle(n):
RAAAD-42867