BMF - IV A 3 - S 0062/08/10006 BStBl 2008 I S. 694

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Bezug:

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Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom (BStBl 2008 I S. 26), der zuletzt durch das (BStBl 2008 I S. 582) geändert worden ist, mit sofortiger Wirkung wie folgt geändert:

1. Die Regelung zu § 30 wird wie folgt geändert:

  1. Nach Nummer 4.6 wird folgende Nummer 4.7 eingefügt:

    4.7.

    „Anträge auf Erteilung von Auskünften über die Besteuerung Dritter bei der Anwendung drittschützender Normen (u. a. §§ 64 – 68 AO und § 2 Abs. 3 UStG) sind zur Vorbereitung einer Konkurrentenklage grundsätzlich zulässig (vgl. BStBl 2007 II, S. 243). Ein solcher Auskunftsanspruch setzt allerdings voraus, dass der Steuerpflichtige substantiiert und glaubhaft darlegt, durch die unzutreffende Besteuerung des Konkurrenten konkret feststellbare und spürbare Wettbewerbsnachteile zu erleiden und deshalb gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Die Auskünfte sind auf das für die Rechtsverfolgung notwendige Maß zu beschränken. In der Auskunft dürfen deshalb nur Angaben über die Art und Weise der Besteuerung der für die Konkurrenzsituation relevanten Umsätze der fraglichen öffentlichen Einrichtung gemacht werden, nicht aber über die Höhe dieser Umsätze und der hierauf festgesetzten Steuer. Der betroffene Dritte soll gehört werden.”

  2. Nach Nummer 8.11 wird folgende Nummer 8.12 eingefügt:

    8.12

    „Liegen den Finanzbehörden Anhaltspunkte zu Misshandlungen von Kindern i. S. d. § 223 StGB und Misshandlungen von Schutzbefohlenen i. S. d. § 225 StGB vor, die sie im Besteuerungs- bzw. Steuerstrafverfahren erlangt haben, ist eine Offenbarung dieser Kenntnisse an die Sozialbehörden bzw. Strafverfolgungsbehörden nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig.”

2. Nach der Regelung zu § 41 wird folgende Regelung zu § 42 eingefügt:

AEAO zu § 42 – Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

1.

Bei Anwendung des § 42 Abs. 1 Satz 2 ist zunächst zu prüfen, ob das im Einzelfall anzuwendende Einzelsteuergesetz für den vorliegenden Sachverhalt eine Regelung enthält, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient. Ob eine Regelung in einem Einzelsteuergesetz der Verhinderung der Steuerumgehung dient, ist nach dem Wortlaut der Regelung und dem Sinnzusammenhang, nach der systematischen Stellung im Gesetz sowie nach der Entstehungsgeschichte der Regelung zu beurteilen.

Liegt danach eine Regelung vor, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, gilt Folgendes:

  • Ist der Tatbestand der Regelung erfüllt, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift, nicht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2. In diesem Fall ist unerheblich, ob auch die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 vorliegen.

  • Ist der Tatbestand der Regelung dagegen nicht erfüllt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 vorliegt. Allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, schließt die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 damit nicht aus.

2.

Sofern ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 vorliegt, entsteht der Steueranspruch bei allen vom Sachverhalt Betroffenen so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3).

2.1

Ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 liegt vor, wenn

  • eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen ist,

  • die gewählte Gestaltung beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem Steuervorteil führt,

  • dieser Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist und

  • der Steuerpflichtige für die von ihm gewählte Gestaltung keine außersteuerlichen Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

2.2

Ob eine rechtliche Gestaltung unangemessen ist, ist für jede Steuerart gesondert nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweiligen maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, zu beurteilen. Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine Gestaltung ist aber insbesondere dann auf ihre Angemessenheit zu prüfen, wenn sie ohne Berücksichtigung der beabsichtigten steuerlichen Effekte unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig erscheint. Die Ungewöhnlichkeit einer Gestaltung begründet allein noch keine Unangemessenheit.

Indizien für die Unangemessenheit einer Gestaltung sind zum Beispiel:

  • die Gestaltung wäre von einem verständigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung ohne den Steuervorteil nicht gewählt worden;

  • die Vor- oder Zwischenschaltung von Angehörigen oder anderen nahe stehenden Personen oder Gesellschaften war rein steuerlich motiviert;

  • die Verlagerung oder Übertragung von Einkünften oder Wirtschaftsgütern auf andere Rechtsträger war rein steuerlich motiviert.

Bei einer grenzüberschreitenden Gestaltung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. , EuGHE I 2006, 7995) Unangemessenheit insbesondere dann anzunehmen, wenn die gewählte Gestaltung rein künstlich ist und nur dazu dient, die Steuerentstehung im Inland zu umgehen.

2.3

Bei der Prüfung, ob die gewählte Gestaltung zu Steuervorteilen führt, sind die steuerlichen Auswirkungen der gewählten Gestaltung mit der hypothetischen steuerlichen Auswirkung einer angemessenen Gestaltung zu vergleichen. Dabei sind auch solche Steuervorteile zu berücksichtigen, die nicht beim handelnden Steuerpflichtigen selbst, sondern bei Dritten eintreten. Dritte i. S. d. § 42 Abs. 2 Satz 1 sind nur solche Personen, die in einer gewissen Nähe zum Steuerpflichtigen stehen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beteiligten Angehörige des Steuerpflichtigen i. S. d. § 15 oder persönlich oder wirtschaftlich mit ihm verbunden sind (z. B. nahe stehende Personen i. S. v. H 36 KStH 2006 oder § 1 Abs. 2 AStG).

2.4

Der in § 42 Abs. 2 verwendete Begriff des „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils” ist nicht deckungsgleich mit dem „nicht gerechtfertigten Steuervorteil” i. S. d. § 370 Abs. 1. Steuervorteile i. S. d. § 42 Abs. 2 sind daher nicht nur Steuervergütungen oder Steuererstattungen, sondern auch geringere Steueransprüche.

2.5

Der durch die gewählte Gestaltung begründete Steuervorteil ist insbesondere dann gesetzlich vorgesehen, wenn der Tatbestand einer Norm erfüllt ist, mit der der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten durch steuerliche Anreize fördern wollte.

2.6

§ 42 Abs. 2 Satz 2 eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die bei Vorliegen des Tatbestands des § 42 Abs. 2 Satz 1 begründete Annahme eines Missbrauchs durch Nachweis außersteuerlicher Gründe zu entkräften. Die vom Steuerpflichtigen nachgewiesenen außersteuerlichen Gründe müssen allerdings nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sein. Sind die nachgewiesenen außersteuerlichen Gründe nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Vergleich zum Ausmaß der Unangemessenheit der Gestaltung und den vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteilen nicht wesentlich oder sogar nur von untergeordneter Bedeutung, sind sie nicht beachtlich. In diesem Fall bleibt es bei der Annahme eines Missbrauchs nach § 42 Abs. 2 Satz 1.

3.

Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 ist als solcher nicht strafbar. Eine leichtfertige Steuerverkürzung oder eine Steuerhinterziehung kann aber vorliegen, wenn der Steuerpflichtige pflichtwidrig unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um das Vorliegen einer Steuerumgehung zu verschleiern.

4.

§ 42 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 ist ab dem für Kalenderjahre, die nach dem beginnen, anzuwenden. Für Kalenderjahre, die vor dem liegen, ist § 42 in der am geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.”

3. In Satz 4 der Regelung zu § 48 wird die Angabe „(§ 3 Abs. 3)” durch die Angabe „(§ 3 Abs. 4)” ersetzt.

4. In Nummer 27 der Regelung zu § 55 wird Satz 1 wie folgt gefasst:

„Nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegt das Vermögen der Körperschaften, auch soweit es durch Umschichtungen innerhalb des Bereichs der Vermögensverwaltung entstanden ist (z.B. Verkauf eines zum Vermögen gehörenden Grundstücks einschließlich des den Buchwert übersteigenden Teils des Preises).”

5. Die Regelung zu § 57 wird wie folgt geändert:

  1. Der Nummer 2 wird folgender Satz angefügt:

    „Eine Hilfspersonentätigkeit in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn der auftraggebenden Person dadurch nicht nach § 57 Abs. 1 Satz 2 die Gemeinnützigkeit vermittelt wird, z. B. Tätigkeiten im Auftrag von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Hoheitsbereich), voll steuerpflichtigen Körperschaften oder natürlichen Personen.”

  2. Nummer 3 wird wie folgt gefasst:

    „Ein Zusammenschluss i. S. d. § 57 Abs. 2 AO ist gegeben, wenn die Einrichtung ausschließlich allgemeine, aus der Tätigkeit und Aufgabenstellung der Mitgliederkörperschaften erwachsene Interessen wahrnimmt. Nach Absatz 2 wird eine Körperschaft, in der steuerbegünstigte Körperschaften zusammengefasst sind, einer Körperschaft gleichgestellt, die unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Voraussetzung ist, dass jede der zusammengefassten Körperschaften sämtliche Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt. Verfolgt eine solche Körperschaft selbst unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke, ist die bloße Mitgliedschaft einer nicht steuerbegünstigten Organisation für die Steuerbegünstigung unschädlich. Die Körperschaft darf die nicht steuerbegünstigte Organisation aber nicht mit Rat und Tat fördern (z. B. Zuweisung von Mitteln, Rechtsberatung).”

6. In Anlage 1 der Regelung zu § 60 wird die Angabe „(vgl. Nr. 30 Satz 2 und 3 zu § 55)” durch die Angabe „(vgl. Nr. 29 Satz 2 und 3 zu § 55)” ersetzt.

7. In Nummer 1 der Regelung zu § 61 wird die Angabe „(vgl. Nr. 25 zu § 55)” durch die Angabe „(vgl. Nr. 24 zu § 55)” ersetzt.

8. In Nummer 2 Satz 3 der Regelung zu § 74 wird die Angabe „(§ 3 Abs. 3)” durch die Angabe „(§ 3 Abs. 4)” ersetzt.

9. Satz 4 der Nummer 3.1.4.1 der Regelung zu § 122 wird wie folgt gefasst:

„Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein oder eine Zustellung elektronischer Dokumente zumindest toleriert wird und daher völkerrechtlich zulässig ist; dies gilt nicht hinsichtlich folgender Staaten: Ägypten, Argentinien, China, Republik Korea, Kuwait, Mexiko, Russische Föderation, San Marino, Schweiz, Slowenien, Sri Lanka, Ukraine, Venezuela.”

10. Im zweiten Spiegelstrich der Nummer 3 der Regelung vor §§ 130, 131 wird die Angabe „(§ 3 Abs. 3, § 218 Abs. 1)” durch die Angabe „(§ 3 Abs. 4, § 218 Abs. 1)” ersetzt.

11. In Nummer 5 Satz 2 der Regelung vor §§ 169 bis 171 wird die Angabe „(§ 3 Abs. 3)” durch die Angabe „(§ 3 Abs. 4)” ersetzt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht

BMF v. - IV A 3 - S 0062/08/10006


Fundstelle(n):
BStBl 2008 I Seite 694
AO-StB 2008 S. 242 Nr. 9
BB 2008 S. 1815 Nr. 34
DB 2008 S. 1775 Nr. 33
DStR 2008 S. 1591 Nr. 33
StB 2008 S. 316 Nr. 9
WPg 2008 S. 841 Nr. 17
GAAAC-86074