Vergütungen einer in Deutschland ansässigen Person für Tätigkeit als Organ eines schweizerischen rechtsfähigen Vereins nicht von der deutschen Einkommensteuer freigestellt
Leitsatz
Die von einer in Deutschland ansässigen Person für ihre Tätigkeit als Mitglied des geschäftsführenden Organs eines schweizerischen rechtsfähigen Vereins bezogenen Vergütungen sind keine Vergütungen i. S. des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz 1992 für die Tätigkeit in einem entsprechenden Organ einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft. Die Vergütungen unterliegen deshalb der deutschen Einkommensteuer, soweit sie auf Tätigkeiten außerhalb der Schweiz entfallen.
Gesetze: KStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, DBA- Schweiz Art. 15 Abs. 4, DBA-Schweiz Art. 24 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die im Inland wohnenden Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden in den Streitjahren 2001 bis 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger war in den Jahren 2001 bis 2003 Mitglied des . (geschäftsführenden Organs) der X und in den Jahren 2002 und 2003 zusätzlich Mitglied des . (geschäftsführenden Organs) der Y.
Sowohl bei der X als auch bei der Y handelt es sich um im Handelsregister eingetragene Vereine i.S. der Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Ihr Sitz befindet sich in der Schweiz. Die Sitzungen der . (geschäftsführenden Organe) beider Organisationen, an denen der Kläger teilgenommen hat, fanden teilweise in der Schweiz, teilweise aber auch in anderen Staaten statt. Den Angaben des Klägers zufolge verteilten sich die Tätigkeitstage in den Streitjahren wie folgt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2001 | |
Tätigkeit für die X | |
Tätigkeitstage in der Schweiz | 11 Tage |
Tätigkeitstage außerhalb der Schweiz | 3 Tage |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2002 | |
Tätigkeit für die X | |
Tätigkeitstage in der Schweiz | 8 Tage |
Tätigkeitstage außerhalb der Schweiz | 10 Tage |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Tätigkeit für die Y | |
Tätigkeitstage in der Schweiz | 2 Tage |
Tätigkeitstage außerhalb der Schweiz | 2 Tage |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2003 | |
Tätigkeit für die X | |
Tätigkeitstage in der Schweiz | 13 Tage |
Tätigkeitstage außerhalb der Schweiz | 27 Tage |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Tätigkeit für die Y | |
Tätigkeitstage in der Schweiz | 22 Tage |
Tätigkeitstage außerhalb der Schweiz | 18 Tage |
Für seine Tätigkeit als Mitglied des . (geschäftsführenden Organs) der X bezog der Kläger in allen Streitjahren jeweils . Schweizer Franken (CHF), von denen jeweils eine Quellensteuer in Höhe von . CHF einbehalten wurde. Für seine Tätigkeit als Mitglied des . (geschäftsführenden Organs) der Y vereinnahmte er in den Streitjahren 2002 und 2003 jeweils ein „Honorar” in Höhe von . US-Dollar ($). Davon wurde jeweils eine Quellensteuer in Höhe von . $ einbehalten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erfasste diese Einnahmen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die er jedoch, soweit sie auf die Schweiz entfielen, nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) —DBA-Schweiz 1992— von der Besteuerung ausnahm und lediglich bei der Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG 1999/2002) berücksichtigte.
Gegen die hiernach ergangenen —aus anderen Gründen mehrfach geänderten— Steuerbescheide erhoben die Kläger Klage, mit der sie unter Berufung auf Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 die vollständige Freistellung der vereinnahmten Beträge begehrten und lediglich die Einbeziehung in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG 1999/2002 akzeptierten. Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg wies sie mit Urteil vom 4 K 213/05 ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 522 veröffentlicht.
Ihre Revision stützen die Kläger auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide dahin zu ändern, dass die vorbezeichneten Einkünfte unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts von der Steuer freigestellt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die auf die Tätigkeit außerhalb der Schweiz entfallenden Vergütungen, die der Kläger als Mitglied der . (geschäftsführenden Organe) erzielt hat, sind in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen.
1. Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen und deshalb im Revisionsverfahren bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hatte der Kläger in den Streitjahren einen Wohnsitz im Inland. Er war mithin gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999/2002 unbeschränkt steuerpflichtig mit der Folge, dass er mit allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der Einkommensteuer unterlag. Ferner ist das FG ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher Sicht in Deutschland ansässig war (Art. 4 DBA-Schweiz 1992).
2. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person aus der Schweiz stammende Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie in der Schweiz besteuert werden können und wenn die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird.
a) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat (hier Deutschland) ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Staat ausgeübt. Abkommensrechtlich verbleibt damit die Besteuerung von Einkünften für eine Tätigkeit in Deutschland oder in einem Drittstaat bei Deutschland als Wohnsitzstaat (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, 1319 f.). Das wird von den Klägern im Grundsatz auch nicht beanstandet.
b) In der Schweiz besteuert werden können darüber hinaus gemäß Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 die Einkünfte einer natürlichen Person, die in Deutschland ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, vorausgesetzt, die Tätigkeit ist nicht so abgegrenzt, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst und die Schweiz verzichtet nicht auf ihr Besteuerungsrecht. Wo der betreffende leitende Angestellte seine Tätigkeit ausübt, ist insoweit ohne Belang; Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthält für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom I R 81/04, BFHE 215, 237).
aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Fiktion wurden von dem Kläger jedoch nicht erfüllt. Denn bei den genannten Verbänden handelt es sich nach den tatrichterlichen Feststellungen um Vereine im Sinne des Schweizer Zivilrechts und damit zwar sowohl nach schweizerischem wie nach deutschem Rechtsverständnis um juristische Personen und um Körperschaften, jedoch nicht um Kapitalgesellschaften (vgl. z.B. Hardt in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 3 Schweiz Rz 42 f., m.w.N.). Für eine davon abweichende Ausdehnung des in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 verwendeten (engeren) Begriffs der Kapitalgesellschaft auf Körperschaften jeglicher Art gibt der Abkommenstext und -zusammenhang nichts her. Im Gegenteil spricht das Abkommen immer dann, wenn darin allgemein von juristischen Personen oder von Rechtsträgern, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, die Rede ist, ausweislich der insoweit maßgeblichen (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz) Abkommensdefinition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz 1992 (nur) von „Gesellschaft”. Berücksichtigt man überdies, dass es sich bei Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 um eine Sondervorschrift handelt, die das Besteuerungsrecht abweichend von dem Regelfall in Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 und dem darin bestimmten Merkmal der physischen Anwesenheit des betreffenden Arbeitnehmers zuordnet, besteht umso weniger Anlass, den rechtlich unmissverständlichen Begriff der „Kapitalgesellschaft” in Abs. 4 der Vorschrift auf juristische Personen jeglicher Art auszudehnen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1317, 1319). Ob demgegenüber dem Niedersächsischen FG beizupflichten wäre, das für einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit anders entschieden hat (Urteil vom VI 676/89, Recht der Internationalen Wirtschaft 1991, 963), braucht nicht abschließend beantwortet zu werden; bei einem eingetragenen Verein sieht der Senat jedenfalls keine Handhabe für ein derartiges (erweiterndes) Verständnis.
Auch dass Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 die Rechtsgrundsätze zugrunde liegen, welche der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluss vom GrS 1/71 (BFHE 103, 433, 436, BStBl II 1972, 68, 69) aufgestellt hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1317, 1319), kann kein anderes Auslegungsergebnis nach sich ziehen. Zwar wird in jenem Beschluss des Großen Senats in erster Linie auf die Wahrnehmung von Weisungs- und Leitungsaufgaben durch ein Organ einer juristischen Person abgestellt, nicht auf deren Art oder Rechtsform. Über diese letztere Frage hatte der Große Senat des BFH seinerzeit allerdings auch nicht zu befinden. Wenn die Abkommensschließenden sich auf den Begriff der Kapitalgesellschaft verständigt haben, obschon sie eine ggf. weiterreichende Spruchpraxis des BFH umzusetzen gedachten, liegt es demnach näher, dass es ihnen darum ging, den Ausnahmebereich des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 in diesem Punkt abschließend festzulegen.
bb) Zugleich wird dadurch deutlich, dass die analoge Anwendung von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 auf die hier zu beurteilende Konstellation ausscheidet. Dasselbe gilt für die von den Klägern hilfsweise erwogene Anwendung der in dem BFH-Beschluss in BFHE 103, 433, 436, BStBl II 1972, 68, 69 zum Ausdruck kommenden Grundsätze für die Besteuerungszuordnung bei leitenden Angestellten juristischer Personen auf die Grundregel des Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1992. Letztere verbietet sich angesichts der in Abs. 4 enthaltenen Sonderregelung, die die in Abs. 1 enthaltene Grundregel abschließend verdrängt (vgl. Senatsurteil vom I R 67/93, BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95). Die wechselseitige Zuordnung des Besteuerungszugriffs durch die Vertragsstaaten stellt schließlich ein hinreichendes Abgrenzungsmerkmal dar, um eine Ungleichbehandlung der mit Leitungsaufgaben betrauten Personen von Kapitalgesellschaften einerseits und von anderen juristischen Personen andererseits zu rechtfertigen und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes auszuschließen.
3. Auch im Übrigen ist das Urteil der Vorinstanz nicht zu beanstanden und wird es von den Klägern auch nicht angegriffen. Soweit sie beklagen, im Hinblick auf die in Rede stehenden Beträge einer doppelten Besteuerung einerseits der Schweiz, andererseits Deutschlands unterworfen zu sein, sind sie auf die nach Art. 26 DBA-Schweiz 1992 bestehende Möglichkeit zu verweisen, ein zwischenstaatliches Verständigungsverfahren anzuregen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 530 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2008 S. 1735
EAAAC-71424