BFH Beschluss v. - VI B 23/07

Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder als Einkünfte aus Kapitalvermögen (hier: Zinseinnahmen aus einem Darlehen, das ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gewährt)

Gesetze: EStG § 19, EStG § 20

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.; vgl. auch Bundesgerichtshof —BGH—, Beschluss vom V ZR 291/02, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2003, 1943).

Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist erforderlich, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41; , BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896).

Die von der Klägerin herausgestellte Frage, ob Zinseinnahmen aus einem Darlehen, das ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gewährt, den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind, erfüllt die vorgenannten Zulassungsvoraussetzungen nicht.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH werden gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Vorteile „für eine Beschäftigung” gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. zuletzt u.a. , BFHE 214, 373, BStBl II 2006, 917; vom VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 19 Rz 24, m.w.N.).

Andererseits liegt Arbeitslohn dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (z.B. BFH-Urteile in BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076; Beschluss vom VI B 30/04, BFH/NV 2005, 884, m.w.N.; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz 29; umfassend Schneider, Der Betrieb —DB— 2006, Beilage 6 S. 51 ff.).

3. Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung —wie von der Klägerin vorgebracht— zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden (vgl. auch Küttner/Thomas, Personalbuch 2007, Stichwort Arbeitsentgelt, Rz 61 ff.). Da hinsichtlich der vorgenannten zwei Einkunftsarten die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 3 EStG nicht eingreift, ist nach ständiger Rechtsprechung entscheidend, welche Einkunftsart im Vordergrund steht und dadurch die andere Einkunftsart verdrängt (vgl. z.B. , BFHE 213, 341, BStBl II 2006, 654; vom VIII R 210/83, BFHE 160, 11, BStBl II 1990, 532; vom VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 1322, m.w.N.).

4. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat das Finanzgericht (FG) in Abwägung der den Streitfall prägenden Gesamtumstände dahin gehend erkannt, dass die Zahlungen der Klägerin nicht den Einkünften ihrer Arbeitnehmer aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), sondern deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen sind. Dabei ist die Vorinstanz —ebenso wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—)— davon ausgegangen, dass die Zuwendungen der Klägerin wirtschaftlich den Charakter von Sonderzahlungen für erbrachte Dienstleistungen der Arbeitnehmer hatten. Nach den Feststellungen des FG sollten mit dem sog. Mitarbeiter-Beteiligungsmodell in erster Linie die Motivation der Arbeitnehmer und ihre Bindung an das Unternehmen der Klägerin beeinflusst werden. Der Gedanke der Fruchtziehung aus einer Kapitalnutzung habe bei den Arbeitnehmern nicht im Vordergrund gestanden. Dies trete insbesondere in denjenigen Fällen (rd. 50 v.H. aller Arbeitnehmerbeteiligungen) anschaulich zu Tage, in denen die Klägerin ihren Arbeitnehmern zunächst einen Geldbetrag zinslos als Darlehen gewährt habe, um anschließend diesen Betrag als sog. partiarisches Darlehen von den Arbeitnehmern wieder zurückzuerhalten. Darüber hinaus hat das FG weitere Umstände angeführt, die für eine Zuordnung der Zuwendungen als Arbeitslohn der Arbeitnehmer sprächen (u.a. vertragliche Unbestimmtheit des Zinssatzes; nicht spezifizierte Abhängigkeit der Zuwendungen von der Ertragssituation des Unternehmens der Klägerin bzw. Bestimmung der Vorteilshöhe durch die Klägerin; Höhe der Zuwendungen von jährlich rd. 50 v.H. des Darlehensbetrags).

5. Die Vorentscheidung berücksichtigt die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung. Es ist im Streitfall weder hinreichend dargelegt noch erkennbar, worin ein abstraktes, fallübergreifendes Interesse an einer (weiteren) Leitentscheidung des BFH bestehen könnte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Rechtsstreit zwischen den Beteiligten maßgeblich durch spezifische Besonderheiten des vorliegenden „Beteiligungsmodells” geprägt ist.

6. Im Kern richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen die tatrichterlichen Feststellungen des FG. Insoweit verkennt die Klägerin jedoch, dass die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen (vgl. hierzu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 154) einer Nachprüfung durch den BFH weitgehend entzogen sind. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO; vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 702) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Aus revisionsrechtlicher Sicht genügt es, dass der vorrangige Zusammenhang der streitbefangenen Zuwendungen mit den Dienstverhältnissen der Arbeitnehmer vertretbar bzw. möglich ist; die Zuordnung muss nicht zwingend sein (vgl. auch Beermann in Beermann/Gosch, FGO, § 118 Rz 24).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1870 Nr. 10
YAAAC-53684