Leitsatz
[1] In § 4 Abs. 2 BetrVG ist die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung eigenständiger nicht betriebsratsfähiger Betriebe zu einem Hauptbetrieb geregelt. Unterhält der Arbeitgeber neben dem nicht betriebsratsfähigen Betrieb mehrere weitere Betriebe und wird die Leitung des nicht betriebsratsfähigen Betriebs in personellen und sozialen Angelegenheiten von der Leitung eines der anderen Betriebe beratend unterstützt, ist dieser Betrieb Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 2 BetrVG.
Gesetze: BetrVG § 4 Abs. 2
Instanzenzug: ArbG München 11 BV 60/05 vom LAG München 7 TaBV 48/05 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung einer Betriebsstätte.
Der zu 2) beteiligte Arbeitgeber betreibt Seniorenzentren, Kindergärten und Kinderhorte sowie pädagogische und psychiatrische Einrichtungen mit insgesamt 2.200 Mitarbeitern in mehr als 90 Einrichtungen im Bereich Oberbayern. Im September 2004 eröffnete der Arbeitgeber in P , einen Kinderhort, in dem seither drei Arbeitnehmer beschäftigt sind. Der Arbeitgeber betreibt in P außerdem ein Seniorenzentrum, einen Kindergarten und einen weiteren Kinderhort. Die Leiterin des im September 2004 eröffneten Kinderhorts (im Folgenden: Kinderhort P neu) ist zugleich Leiterin des in P bestehenden Kindergartens. Die Hauptverwaltung des Arbeitgebers befindet sich in M . Der dort bestehende Betriebsrat ist Antragsteller des vorliegenden Verfahrens. An der im November 2002 in der Hauptverwaltung durchgeführten Betriebsratswahl hatten nicht nur die Arbeitnehmer der Hauptverwaltung, sondern auch die Belegschaften verschiedener anderer Einrichtungen des Arbeitgebers teilgenommen, ua. die Arbeitnehmer des in P betriebenen Kindergartens. Am wurde in der Hauptverwaltung unter Beteiligung der Belegschaft des Kinderhorts P neu ein neuer Betriebsrat gewählt.
Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat der Betriebsrat die Feststellung begehrt, dass der Kinderhort P neu zu seinem Zuständigkeitsbereich gehört. Er hat die Auffassung vertreten, der Kinderhort sei der Hauptverwaltung als Hauptbetrieb zuzuordnen. Sein Mandat erstrecke sich daher auch auf die Belegschaft dieses Kinderhorts.
Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, dass der Kinderhort P als unselbständiger Betriebsteil der Hauptverwaltung zuzuordnen ist.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers den erstinstanzlichen Beschluss teilweise abgeändert und festgestellt, dass der Kinderhort P neu der Hauptverwaltung zuzuordnen ist. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen und der Anschlussbeschwerde des Betriebsrats, mit der dieser die Feststellung beantragt hatte, dass sich sein Mandat auch auf die Belegschaft des Kinderhorts P neu bezieht, stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Arbeitgeber die Abweisung der Anträge des Betriebsrats. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Anschlussbeschwerde des Betriebsrats stattgegeben hat. Für den mit der Anschlussbeschwerde verfolgten Antrag des Betriebsrats ist nach Verkündung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts das erforderliche Feststellungsinteresse entfallen. Der Antrag ist daher unzulässig. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kinderhort P neu nach § 4 Abs. 2 BetrVG der Hauptverwaltung zuzuordnen ist.
I. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, soweit das Landesarbeitsgericht der Anschlussbeschwerde des Betriebsrats stattgegeben hat. Der mit der Anschlussbeschwerde erhobene Antrag ist nach Verkündung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts unzulässig geworden, da das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entfallen ist. Die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats ist daher zurückzuweisen.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO, der im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anwendung findet (vgl. - BAGE 106, 188 = AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 89 Nr. 1, zu B III 1 der Gründe), kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das Feststellungsinteresse muss als Sachentscheidungsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, vorliegen. Dies ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. zum Urteilsverfahren: - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 73 = EzA ZPO § 256 Nr. 67, zu I 2 der Gründe; - 5 AZR 364/01 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78 = EzA ZPO § 256 Nr. 68, zu 1 a der Gründe; - 6 AZR 277/02 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2, zu I 1 der Gründe). Endet das streitige Rechtsverhältnis im Laufe des gerichtlichen Verfahrens, bleibt ein auf die Vergangenheit bezogenes Feststellungsinteresse nur erhalten, wenn sich aus der begehrten Feststellung noch konkrete Folgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (st. Rspr., vgl. - aaO; - 5 AZR 727/95 - BAGE 85, 347 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 40 = EzA ZPO § 256 Nr. 47, zu 2 der Gründe).
2. Danach ist der mit der Anschlussbeschwerde gestellte Antrag des Betriebsrats nach Verkündung der Beschwerdeentscheidung unzulässig geworden. Der Betriebsrat hat an der begehrten Feststellung, dass sich sein Mandat auch auf die Belegschaft des Kinderhorts P neu erstreckt, kein rechtliches Interesse mehr. Gegenstand des mit der Anschlussbeschwerde verfolgten Antrags ist nicht die Frage, ob der Kinderhort P neu der Hauptverwaltung zuzuordnen ist. Diese Frage bildet den Gegenstand des bereits erstinstanzlich gestellten, der Beschwerde des Arbeitgebers zugrunde liegenden Antrags. Der mit der Anschlussbeschwerde verfolgte Antrag diente ausschließlich der Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob der Betriebsrat zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben für die Belegschaft des Kinderhorts P neu zuständig war, obwohl diese an der Betriebsratswahl am nicht teilgenommen hatte, weil der Kinderhort seinerzeit noch nicht bestand. Diese Frage ist für die Gegenwart nicht mehr von Bedeutung, da am in der Hauptverwaltung eine Neuwahl des Betriebsrats stattgefunden hat und die Belegschaft des Kinderhorts P neu an dieser Betriebsratswahl beteiligt wurde.
II. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet, soweit das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, dass der Kinderhort P neu nach § 4 Abs. 2 BetrVG der Hauptverwaltung zuzuordnen ist. Der Kinderhort P neu ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein Betrieb, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllt, da in dem Kinderhort nur drei wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden. Der Kinderhort P neu ist daher nach § 4 Abs. 2 BetrVG dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Hauptverwaltung als Hauptbetrieb des Kinderhorts P neu anzusehen ist.
1. Der auf Feststellung der Zuordnung des Kinderhorts P neu zur Hauptverwaltung gerichtete Antrag ist zulässig. Für den Antrag ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ebenso gegeben wie die Antragsbefugnis des Betriebsrats.
a) Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. jeder beteiligte Betriebsrat eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Mit diesem Verfahren wird die Möglichkeit eröffnet, unabhängig von einer konkreten Betriebsratswahl verbindlich klären zu lassen, ob Betriebe oder Betriebsteile selbständig sind oder einem Hauptbetrieb zugeordnet werden müssen. Ziel dieses Verfahrens ist es zum einen, Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, die zum Teil von der Anzahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängen, zu entscheiden. Zum anderen dient das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG dazu, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße künftige Betriebsratswahl zu schaffen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt daher eine für die gesamte Betriebsverfassung grundsätzliche Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann ( - BAGE 68, 1 = AP BetrVG 1972 § 18 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 18 Nr. 7, zu II 2 c der Gründe; - 7 ABR 62/04 -, zu B II 1 der Gründe).
b) Danach hat der antragstellende Betriebsrat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Zwischen den Beteiligten ist streiitig, ob der Kinderhort P neu der Hauptverwaltung zuzuordnen ist und damit, ob die Belegschaft des Kinderhorts an künftigen Betriebsratswahlen der Hauptverwaltung zu beteiligen ist und ob sie betriebsverfassungsrechtlich von dem Betriebsrat der Hauptverwaltung repräsentiert wird. Diese Streitfrage wird durch die gerichtliche Entscheidung über den Feststellungsantrag abschließend geklärt. Der Antragsteller ist als der in der Hauptverwaltung gewählte Betriebsrat nach § 18 Abs. 2 BetrVG antragsbefugt.
2. Der Antrag ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt,
dass der Kinderhort P neu der Hauptverwaltung als Hauptbetrieb zuzuordnen ist. Der Kinderhort P neu gehört der Hauptverwaltung zwar nicht als Betriebsteil an. Der Kinderhort P neu ist vielmehr nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein eigenständiger Betrieb, der nach § 4 Abs. 2 BetrVG der Hauptverwaltung zuzuordnen ist, da er die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllt und die Hauptverwaltung in Bezug auf den Kinderhort P neu als Hauptbetrieb anzusehen ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd.
Betriebsverfassungsgesetzes eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (vgl. etwa - BAGE 68, 67 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 6, zu B II 1 der Gründe; - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 1 a der Gründe). Ein Betriebsteil ist auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Er ist gegenüber dem Hauptbetrieb allerdings organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt ( - aaO mwN). Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt ( - aaO, zu B II 2 der Gründe; - 7 ABR 59/94 -AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 7, zu B I 2 der Gründe; - 1 ABR 26/01 - aaO, zu B II 1 a der Gründe). Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb.
b) Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt und ist unter Würdigung der betrieblichen Gegebenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kinderhort P neu kein Betriebsteil, sondern ein eigenständiger Betrieb ist. Diese Beurteilung ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die Begriffe Betrieb und Betriebsteil sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb iSd. § 1 BetrVG oder ein selbständiger oder unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat ( - BAGE 69, 286 = AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 7 Nr. 1, zu B IV 2 c und B II 1 c der Gründe; - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 2 der Gründe; - 7 ABR 26/03 -, zu B II 1 a und 2 b der Gründe; - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1, zu B I 1 der Gründe).
bb) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Betriebsbegriff ausgegangen und hat unter Berücksichtigung sämtlicher von den Beteiligten vorgetragener Umstände angenommen, dass der Kinderhort P neu kein Betriebsteil ist, sondern ein eigenständiger Betrieb, da die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von der Leiterin des Kinderhorts wahrgenommen werden. Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beruhen auf dem Vorbringen beider Beteiligter, insbesondere auch auf demjenigen des antragstellenden Betriebsrats in einem Wahlanfechtungsverfahren, in dem dieser am erklärt hatte, er gehe davon aus, dass auf Grund vorgenommener Kompetenzverlagerungen wesentliche Befugnisse in personellen und sozialen Angelegenheiten zwischenzeitlich von den Leitern der einzelnen Einrichtungen ausgeübt werden und dass die Einrichtungen nicht als Betriebsteile, sondern als Betriebe anzusehen seien. Das Landesarbeitsgericht hat außerdem festgestellt, dass die Leitung des Kinderhorts P neu und des in P befindlichen Kindergartens voneinander getrennt erfolgt, obwohl beide Einrichtungen von derselben Person geleitet werden. Gegen diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Beteiligten keine durchgreifenden Rügen erhoben. Der Betriebsrat hat lediglich geltend gemacht, das vom Landesarbeitsgericht gefundene Ergebnis könne nicht allein auf die Erklärung des Betriebsrats in dem Wahlanfechtungsverfahren gestützt werden. Der Betriebsrat hat jedoch nicht dargelegt, auf Grund welcher Umstände das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Beurteilung hätte gelangen müssen.
c) Der Kinderhort P neu ist als eigenständiger Betrieb nach § 4 Abs. 2 BetrVG der Hauptverwaltung als Hauptbetrieb zuzuordnen.
Nach § 4 Abs. 2 BetrVG sind Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen, dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt. § 4 Abs. 2 BetrVG regelt somit nicht die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung von Betriebsteilen, sondern die Zuordnung selbständiger Betriebe, in denen mangels Betriebsratsfähigkeit kein eigener Betriebsrat gewählt werden kann. Um einen solchen Betrieb handelt es sich bei dem Kinderhort P neu, da in ihm seit seiner Eröffnung im September 2004 lediglich drei wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Der Kinderhort P neu ist daher nach § 4 Abs. 2 BetrVG dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Hauptbetrieb iSd. § 4 Abs. 2 BetrVG ist in Bezug auf den Kinderhort P neu nicht eine andere der vom Arbeitgeber in P betriebenen Einrichtungen, sondern die Hauptverwaltung in M . Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.
aa) Das Betriebsverfassungsgesetz enthält keine Definition des Begriffs "Hauptbetrieb". Was hierunter zu verstehen ist, ist daher durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist vom Wortlaut der Vorschrift auszugehen. Daneben sind der Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung, die Gesetzesgeschichte sowie der Normzweck zu berücksichtigen, soweit er im Gesetz erkennbaren Ausdruck gefunden hat ( - AP BPersVG § 79 Nr. 1, zu A IV 2 der Gründe; - 2 AZR 530/83 - BAGE 48, 40 = AP BGB § 613a Nr. 40 = EzA BGB § 613a Nr. 42, zu II 2 a der Gründe; - 6 AZR 108/01 - AP BAT-O § 23a Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 4, zu 2 d aa der Gründe).
Aus der Verwendung des Begriffs "Hauptbetrieb" in § 4 Abs. 2 BetrVG ergibt sich, dass der Betrieb, dem der nicht betriebsratsfähige Betrieb zuzuordnen ist, gegenüber diesem, ggf. auch gegenüber anderen Betrieben des Arbeitgebers, eine hervorgehobene Bedeutung haben muss. Diese Bedeutung kann nicht wie im Falle des Hauptbetriebs im Verhältnis zu einem Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 BetrVG auf der organisatorischen Eingliederung der zuzuordnenden Betriebsstätte in einen aus mehreren Betriebsteilen bestehenden Gesamtbetrieb beruhen. Denn im Gegensatz zu einem Betriebsteil ist ein Betrieb nicht in einen anderen Betrieb eingegliedert, sondern organisatorisch eigenständig. Die für einen "Hauptbetrieb" iSv. § 4 Abs. 2 BetrVG erforderliche hervorgehobene Bedeutung ergibt sich vielmehr aus einer besonderen Funktion des Betriebs für das Unternehmen des Arbeitgebers oder für den zuzuordnenden Betrieb. Bestehen in dem Unternehmen des Arbeitgebers neben dem nicht betriebsratsfähigen Betrieb mehrere weitere Betriebe und werden in einem dieser Betriebe - wenn auch lediglich beratend - Arbeitgeberfunktionen im mitbestimmungsrelevanten Bereich auch für den nicht betriebsratsfähigen Betrieb wahrgenommen, ist dieser Betrieb "Hauptbetrieb" iSv. § 4 Abs. 2 BetrVG. Die Art der arbeitstechnischen Zwecksetzung der Betriebe oder die räumliche Entfernung des nicht betriebsratsfähigen Betriebs zu anderen Betrieben des Arbeitgebers ist demgegenüber für die Bestimmung des "Hauptbetriebs" nach § 4 Abs. 2 BetrVG in der Regel nicht von entscheidender Bedeutung. Dies folgt aus dem mit der Zuordnung nach § 4 Abs. 2 BetrVG verfolgten Gesetzeszweck.
Durch die am in Kraft getretene Vorschrift des § 4 Abs. 2 BetrVG wurde die bis dahin für Nebenbetriebe geltende Regelung in § 4 Satz 2 BetrVG aF ersetzt. Nach dieser Bestimmung waren Nebenbetriebe, die die Voraussetzungen des § 1 BetrVG nicht erfüllten, dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren Nebenbetriebe iSv. § 4 Satz 2 BetrVG aF organisatorisch selbständige Betriebe, die unter eigener Leitung einen eigenen Betriebszweck verfolgten, jedoch in ihrer Aufgabenstellung auf eine reine Hilfeleistung für den Hauptbetrieb ausgerichtet waren und den vom Hauptbetrieb angestrebten Betriebszweck unterstützten ( - BAGE 53, 119 = AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 6, zu II 3 der Gründe mwN; - 7 ABR 15/92 -, zu B II 1 a der Gründe). Nach § 4 Satz 2 BetrVG aF konnten daher nur solche Betriebe einem Hauptbetrieb zugeordnet werden, deren Aufgabenstellung in einer Hilfsfunktion für den Hauptbetrieb bestand oder die denselben arbeitstechnischen Zweck verfolgten wie dieser (vgl. hierzu - BAGE 50, 251 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 4, zu B II 1 a der Gründe). Nunmehr hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 BetrVG die Zuordnung zum Hauptbetrieb nicht mehr auf Nebenbetriebe beschränkt, sondern auf alle Betriebe eines Unternehmens erstreckt, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass möglichst alle Arbeitnehmer eines Arbeitgebers von einem Betriebsrat repräsentiert werden, und zwar auch dann, wenn die betriebliche Organisationseinheit, in der sie beschäftigt sind, selbst nicht betriebsratsfähig ist und sie weder als Betriebsteil noch als Nebenbetrieb eines anderen Betriebs des Arbeitgebers anzusehen ist. Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck scheidet die Zuordnung zu einem Hauptbetrieb nach der arbeitstechnischen Zwecksetzung des nicht betriebsratsfähigen Betriebs und der anderen Betriebe des Arbeitgebers aus. Denn dies könnte dazu führen, dass ein nicht betriebsratsfähiger Betrieb keinem Hauptbetrieb zugeordnet werden kann, weil in ihm ein arbeitstechnischer Zweck verfolgt wird, der in keiner Beziehung zu den Betriebszwecken der anderen Betriebe des Arbeitgebers steht. Die Belegschaft des nicht betriebsratsfähigen Betriebs wäre in diesem Fall von einer kollektiven Interessenvertretung auch dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber betriebsratsfähige Betriebe unterhält. Dies wollte der Gesetzgeber durch die Regelung in § 4 Abs. 2 BetrVG jedoch gerade verhindern. Auch die Belegschaft solcher nicht betriebsratsfähiger Betriebe soll von dem Betriebsrat eines anderen Betriebs mitvertreten werden und an der Wahl dieses Betriebsrats teilnehmen. Unterhält der Arbeitgeber mehrere weitere Betriebe und werden in einem dieser Betriebe Arbeitgeberfunktionen in Angelegenheiten betrieblicher Mitbestimmung auch für den nicht betriebsratsfähigen Betrieb - sei es auch nur in geringem Umfang und beschränkt auf die Beratung der Leitung des nicht betriebsratsfähigen Betriebs - wahrgenommen, ist dieser Betrieb Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 2 BetrVG. Dies ergibt sich aus dem im Betriebsverfassungsrecht geltenden Grundsatz, dass betriebliche Mitbestimmung möglichst dort ausgeübt werden soll, wo die Entscheidungen des Arbeitgebers in mitbestimmungsrelevanten Angelegenheiten getroffen werden. Diese Angelegenheiten werden zwar für den nicht betriebsratsfähigen Betrieb nicht in einem Hauptbetrieb, sondern von seiner eigenen Leitung entschieden. Da dort jedoch kein eigener Betriebsrat gewählt werden kann, erscheint es geboten, die diesen Betrieb betreffenden Mitbestimmungsrechte von dem Betriebsrat des Betriebs wahrnehmen zu lassen, in dem die mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen über personelle und soziale Angelegenheiten des nicht betriebsratsfähigen Betriebs zumindest durch die gelegentliche Beratung der Leitung dieses Betriebs beeinflusst werden. Dabei kommt es auf die räumliche Entfernung von dem nicht betriebsratsfähigen Betrieb grundsätzlich nicht an, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber noch andere, räumlich näher zu dem nicht betriebsratsfähigen Betrieb gelegene Betriebe unterhält. Die in § 4 Abs. 2 BetrVG getroffene Regelung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Zuordnung zum Hauptbetrieb räumliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Die Vorschrift unterscheidet sich von anderen Bestimmungen wie zB § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, wonach Betriebe, die die Voraussetzungen für die Bildung von Schwerbehindertenvertretungen nicht erfüllen, für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung mit räumlich nahe liegenden Betrieben des Arbeitgebers zusammengefasst werden können, oder § 1 Abs. 2 SprAuG, wonach leitende Angestellte in Betrieben, die die Voraussetzungen für die Wahl eines Sprecherausschusses nicht erfüllen, als leitende Angestellte des räumlich nächst gelegenen Betriebs desselben Unternehmens gelten, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 SprAuG erfüllt. Im Gegensatz zu diesen Bestimmungen werden in § 4 Abs. 2 BetrVG räumliche Gesichtspunkte nicht erwähnt. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die räumliche Entfernung der Betriebe für die Zuordnung zum Hauptbetrieb nach § 4 Abs. 2 BetrVG nicht von Bedeutung sein soll. Etwas anderes kann allenfalls dann angenommen werden, wenn die räumliche Entfernung zwischen dem nicht betriebsratsfähigen Betrieb und dem Betrieb, in dem in beratender Form Arbeitgeberfunktionen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten auch für den nicht betriebsratsfähigen Betrieb wahrgenommen werden, so erheblich ist, dass von dessen Betriebsrat die Mitbestimmungsrechte für den nicht betriebsratsfähigen Betrieb nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden können.
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Hauptverwaltung in Bezug auf den Kinderhort P neu Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 2 BetrVG ist und nicht eine andere der in P betriebenen Einrichtungen des Arbeitgebers.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind in der Hauptverwaltung nicht nur die Geschäftsführer der Arbeitgeberin und die Fachbereichsleiter ansässig, sondern auch der Leiter Personalrecht und die Personalverwaltung. Der Leiter Personalrecht und die Personalverwaltung werden in personellen Angelegenheiten von der Leiterin des Kinderhorts P neu beratend und konsultierend herangezogen. Demgegenüber bestehen zwischen den in P betriebenen Einrichtungen hinsichtlich der Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten keine Verbindungen. Dies gilt auch für den Kinderhort P neu und den in P befindlichen Kindergarten, obwohl beide Einrichtungen von derselben Person geleitet werden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfolgt die Leitung beider Einrichtungen unabhängig und voneinander getrennt. Bei dieser Sachlage hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die Hauptverwaltung als Hauptbetrieb in Bezug auf den Kinderhort P neu iSv. § 4 Abs. 2 BetrVG angesehen und dem Umstand, dass die Hauptverwaltung von dem Kinderhort P neu 55 km entfernt liegt, keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Es ist nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht vorgetragen, dass auf Grund dieser räumlichen Entfernung die Mitbestimmungsrechte für den Kinderhort P neu durch den in der Hauptverwaltung ansässigen Betriebsrat nicht sinnvoll wahrgenommen werden können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1872 Nr. 34
WAAAC-43982
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein