Oberfinanzdirektion Münster - S 2255 - 52 - St 22 - 31

Anwendung der Öffnungsklausel bei der Rentenbesteuerung nach dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG

1 Einleitung

Die Öffnungsklausel soll dazu dienen, eine Zweifachbesteuerung zu verhindern. Sinn und Zweck der Öffnungsklausel ist es, den Fällen Rechnung zu tragen, in denen sich der Sonderausgabenabzug bis zum Kalenderjahr 2004 hinsichtlich der Vorsorgeaufwendungen möglicherweise nicht ausreichend ausgewirkt hat. Eine einheitliche Überleitung der gesetzlichen Renten und der Renten aus den berufsständischen Versorgungseinrichtungen in die nachgelagerte Besteuerung würde diesen Fällen nicht gerecht werden. Eine Zweifachbesteuerung tritt durch den mit dem AltEinkG verbesserten Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen ab 2005 nicht mehr auf.

2 Voraussetzungen für die Anwendung der Öffnungsklausel

2.1 Antrag

Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann ein Teil der Leibrenten und anderer Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3a Doppelbuchst. aa EStG mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3a Doppelbuchst. bb EStG versteuert werden. Der Antrag kann erst bei Leistungsbezug bei Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt werden.

2.2 Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung/10-Jahres-Grenze

Voraussetzung für die Anwendung der Öffnungsklausel ist, dass der Steuerpflichtige vor dem in mindestens 10 Jahren (In-Prinzip) Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) gezahlt hat ( Rz. 123 und 126, BStBl 2005 I S. 429; ). Es ist somit nicht erforderlich, dass die Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung in einem zusammenhängenden Zeitraum von 10 Jahren gezahlt wurden. Bei der Ermittlung der gezahlten Beiträge, die oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags liegen, ist auch im ersten Beschäftigungsjahr und in dem Jahr des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben auf den für das Kalenderjahr geltenden jährlichen Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen .

3 Nachweis

Der Nachweis ist einmalig durch eine Bescheinigung der Versorgungsträger zu erbringen. In dem Nachweis müssen Angaben über die in den einzelnen Jahren geleisteten Beiträge und der Prozentsatz für den Teil der Leistungen enthalten sein, für den die Öffnungsklausel anzuwenden ist. Der Steuererklärung, mit der erstmalig die Anwendung der Öffnungsklausel beantragt wird, ist demnach beizufügen:

  1. Beitragsnachweis, dass vor 2005 in mindestens 10 Jahren Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze gezahlt wurden.

  2. Bescheinigung, aus der sich die Aufteilung der Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3a Doppelbuchst. aa EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3a Doppelbuchst. bb EStG ergibt.

Der Versorgungsträger hat dem Steuerpflichtigen auf dessen Verlangen den Prozentsatz für die Anwendung der Öffnungsklausel zu bescheinigen (vgl. Rz. 138 des . Sofern derartige Bescheinigungen nicht mit der Einkommensteuererklärung vorgelegt werden, sollte der Steuerpflichtige darauf hingewiesen und aufgefordert werden, bei seinem Versorgungsträger eine entsprechende Bescheinigung anzufordern.

4 Mitteilungen zur Öffnungsklausel der Deutschen Rentenversicherung Bund

Wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund feststellt, dass Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in mindestens einem Jahr oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden, so stellt sie – unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Öffnungsklausel erfüllt sind – eine Mitteilung aus, in der bescheinigt wird, welcher Teil der Leistung auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruht. In dieser Bescheinigung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, in wie vielen Jahren der Betrag des Höchstbeitrags überschritten wurde und dass die Öffnungsklausel nur zur Anwendung kommt, wenn in mindestens zehn Jahren Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags geleistet wurden. Dies verhindert, dass der Steuerpflichtige sich erneut an die Deutsche Rentenversicherung Bund wenden muss, um sich im Nachgang zur Beitragsbescheinigung noch eine weitere Bescheinigung über den Prozentsatz erstellen zu lassen, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen der Öffnungsklausel durch Beiträge an weitere Versorgungsträger erfüllt sind. Sofern die Voraussetzungen der Öffnungsklausel nicht erfüllt sind, ist der Prozentsatz nicht zu berücksichtigen.

Soweit in älteren vorgelegten Bescheinigungen der Deutschen Rentenversicherung Bund die Angabe der Zahl der Jahre fehlt und nur ein Prozentsatz bescheinigt wird, ist darauf zu achten, dass die Rente mit dem Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3a Doppelbuchst. aa EStG anzusetzen ist, wenn in weniger als 10 Jahren Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden.

5 Ermittlung des auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruhenden Teils der Leistung

Bei der Ermittlung der Beiträge, die oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung liegen, sind sämtliche Beiträge zusammenzurechnen, die in den einzelnen Jahren an die gesetzliche Rentenversicherung, an landwirtschaftliche Alterskassen und an berufsständische Versorgungseinrichtungen gezahlt wurden.

Nach Rz. 127 des a.a.O. ist der Teil der Leibrenten oder anderer Leistungen, der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruht, grundsätzlich vom Versorgungsträger nach denselben Grundsätzen zu ermitteln wie in Leistungsfällen, bei denen keine Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags geleistet wurden (z.B. Deutsche Rentenversicherung Bund: Ermittlung auf Grundlage der Entgeltspunkte der einzelnen Jahre).

Abweichend hiervon kann bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen zugelassen werden, dass die tatsächlich geleisteten Beiträge und die den Höchstbeitrag übersteigenden Beiträge zum im entsprechenden Jahr maßgebenden Höchstbeitrag ins Verhältnis gesetzt werden (Rz. 128 des o.g. BMF-Schreibens). Bei der Ermittlung des Teils der Leistung, der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruht, werden die Beiträge des jeweiligen Versorgungsträgers zu den übersteigenden Beiträgen ins Verhältnis gesetzt.

Das Verfahren in Rz. 127 des geht grundsätzlich der in Rz. 128 ff. enthaltenen Aufteilungsregel vor ( BStBl 2006 I S. 496), d.h.:

  • Kann die berufsständische Versorgungseinrichtung den Teil der Leistung, der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung beruht, nach Rz. 127 ermitteln, ist Rz. 128 ff. nur anzuwenden, wenn alle Mitglieder der berufsständischen Versorgungseinrichtung der einheitlichen Anwendung der Vereinfachungsregelung zugestimmt haben.

  • Kann die berufsständische Versorgungseinrichtung den Teil der Leistungen, der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung beruht, für bestimmte Gruppen von Mitgliedern nicht nach Rz. 127 ermitteln (z.B. weil die Versorgungseinrichtung nicht über die erforderlichen vergangenheitsbezogenen Daten verfügt), kann insoweit einheitlich auf Rz. 128 ff. zurückgegriffen werden. Für alle übrigen Mitglieder ist Rz. 127 anzuwenden, es sei denn, sie haben alle der Anwendung der Rz. 128 ff. zugestimmt.

Ob das Versorgungswerk die Aufteilung der Leistungen zutreffend vorgenommen hat, ist nicht im Veranlagungsverfahren des einzelnen Steuerpflichtigen zu prüfen. Bei der Veranlagung sind die Berechnungen des Versorgungswerkes nicht im einzelnen zu überprüfen. Die mitgeteilten Prozentsätze zur Anwendung der Öffnungsklausel sind somit grundsätzlich im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen.

Ein Muster der Berechnung für berufsständische Versorgungseinrichtungen nach Rz. 128 ff. ergibt sich aus Rz. 129 des .

6 Aufteilung bei Beiträgen an mehr als einen Versorgungsträger

Leistet der Steuerpflichtige in einem Jahr an verschiedene Versorgungsträger Beiträge, so sind für die Frage, ob die Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze lagen, sämtliche Beiträge zusammenzurechnen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den Beiträgen um freiwillige oder Pflichtbeiträge handelt. Um festzustellen, ob die Voraussetzungen zur Anwendung der Öffnungsklausel erfüllt sind, ist zunächst festzustellen, wer die Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zu bescheinigen hat. Hierbei gilt folgendes:

6.1 Beiträge an mehr als eine berufsständische Versorgungseinrichtung

Die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag sind einer berufsständischen Versorgungseinrichtung vorrangig zuzuordnen. Welcher Versorgungseinrichtung der Steuerpflichtige diese Leistungen vorrangig zuordnet bzw. aus welcher Versorgungseinrichtung ein Teil der Leistungen der Ertragsanteilsbesteuerung unterliegen soll, kann er selber entscheiden. Sinnvoll ist es, die Versorgungseinrichtung zu wählen, welche die höhere Rente zahlt oder die Versorgungseinrichtung mit dem späteren Leistungsbeginn (dann nämlich Ertragsanteil statt höherem Besteuerungsanteil).

6.2 Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung/landwirtschaftliche Alterskassen und an berufsständische Versorgungseinrichtungen

Die Beiträge bis zum Höchstbeitrag der Beitragsbemessungsgrenze sind vorrangig der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen. Ebenso werden Beiträge aus landwirtschaftlichen Alterskassen vorrangig dieser zugeordnet. Die berufsständische Versorgungseinrichtung hat den Teil der Leistung zu ermitteln, der über der Beitragsbemessungsgrundlage gezahlt wurde. Sollte bei der gesetzlichen Rentenversicherung bereits die Beitragsbemessungsgrenze überschritten sein, muss diese den Teil entsprechend ermitteln.

Ein Beispiel ergibt sich aus Rz. 134 des sowie aus dem Beispiel unter Punkt 7.2.

Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige letztendlich für die Beantragung der Öffnungsklausel eine – zusammengefasste – Bescheinigung benötigt, aus der sich die Beitragsleistungen insgesamt ergeben. Hat er sowohl in die gesetzliche Rentenversicherung als auch in eine berufsständische Versorgungseinrichtung eingezahlt, muss er sich zuerst die Beiträge von der gesetzlichen Rentenversicherung bescheinigen lassen und diese anschließend der berufsständischen Versorgungseinrichtung vorlegen. Diese hat dann die Leistungen aufzuteilen.

Bei Zahlungen an verschiedene Versorgungseinrichtungen kann der Steuerpflichtige wählen, welche Versorgungseinrichtung zuerst die Beiträge bescheinigt. Mit diesen Angaben kann die weitere Versorgungseinrichtung die Aufteilung der Leistungen vornehmen und bescheinigen.

Werden Beiträge an mehr als einen Versorgungsträger gezahlt und ist der Höchstbeitrag bei mehreren Versorgungsträgern überschritten – ist für jeden Versorgungsträger der jeweilige Prozentsatz zur Anwendung der Öffnungsklausel unter Berücksichtigung der Beitragszuordnungen bis zum jeweiligen Höchstbeitrag und der übrigen Voraussetzungen für die Öffnungsklausel zu ermitteln. Werden Beiträge an mehr als einen Versorgungsträger gezahlt und ist der Höchstbeitrag nur bei einem Versorgungsträger überschritten, so ist nur von diesem Versorgungsträger eine Bescheinigung zur Aufteilung der Leistung zu erstellen. Der dort bescheinigte Prozentsatz ist nur auf die Leistung dieses Versorgungsträgers anzuwenden.

7 Zusammenrechnung von eigener Altersrente und Witwenrente

Bei der Frage, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Öffnungsklausel erfüllt sind, kommt es auch darauf an, wer vor dem in mindestens 10 Jahren Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) gezahlt hat. Hat eine verwitwete Ehefrau Beiträge zu ihrer eigenen Rentenversicherung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet, sind diese nicht mit Beiträgen des Ehemannes in seine gesetzliche Rentenversicherung zusammenzurechnen, wenn die Ehefrau aus dieser später eine Witwenrente erhält.

Beispiel:

In der Beitragsphase hat

  • die Ehefrau in ihre eigene gesetzliche Rentenversicherung in fünf Jahren Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) und

  • der Ehemann in anderen sechs Jahren Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West)

gezahlt

Lösung:

Eine Zusammenrechnung der Beitragsjahre kommt nicht in Betracht. Die Anwendung der Öffnungsklausel setzt voraus, dass der jeweilige Steuerpflichtige bis zum in mindestens 10 Jahren eigene Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) gezahlt hat. Diese Voraussetzung ist im Beispielsfall nicht erfüllt. Darüber hinaus ist in derartigen Fällen zu vermuten, dass die Steuerpflichtigen in der Beitragsphase ausreichend durch den Sonderausgabenabzug begünstigt worden sind, so dass es in diesem Fall aus dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung nicht zur Anwendung der Öffnungsklausel kommt. Das gleiche gilt für Fälle, in denen die Ehegatten in berufsständische Versorgungseinrichtungen oder landwirtschaftliche Alterskassen eingezahlt haben.

8 Beispiele zur Anwendung der Öffnungsklausel

8.1 Beispiel 1: Anwendung der Öffnungsklausel bei Beträgen an die gesetzliche Rentenversicherung und ein berufsständisches Versorgungswerk

Sachverhalt

Herr Dr. Karl Mustermann erhält seit Mai 1987 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (2005 = 14.512 €) und seit Oktober 1988 eine Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk (2005 = 42.474 €). Im Hinblick auf die Besteuerung von Alterseinkünften nach dem Alterseinkünftegesetz beantragt Herr Mustermann ab dem Veranlagungszeitraum 2005 die Anwendung der Öffnungsklausel, da er 27 Jahre Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat. Laut der der Steuererklärung beigefügten Bescheinigung des berufsständischen Versorgungswerks hat der Steuerpflichtige 27 Jahre lang Beiträge an das berufsständische Versorgungswerk geleistet, die den Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung überschritten haben. Der Prozentsatz für die Anwendung der Öffnungsklausel, der nach Rz. 128 ff. des durch das Versorgungswerk ermittelt wurde, beträgt 41,93 %. Außerdem hat er 4 Jahre lang allein durch die Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung überschritten (hier: Jahre 1968, 1972, 1977, 1979). Die Bescheinigung der gesetzlichen Rentenversicherung über den Prozentsatz der Öffnungsklausel für die gesetzliche Rente fehlt.

Lösung

Herr Mustermann hat vor dem in mindestens 10 Jahren Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Hierbei sind sämtliche Beiträge zusammenzurechnen, die an die gesetzliche Rentenversicherung und an die Ärzteversorgung geleistet wurden. Die Voraussetzungen zur Anwendung der Öffnungsklausel sind damit erfüllt.

  • Anwendung der Öffnungsklausel auf die Rente aus dem berufsständischen Versorgungswerk

    Der Steuerpflichtige hat seiner Steuererklärung 2005 den Beitragsnachweis über die Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung und an das berufsständische Versorgungswerk beigefügt. In der Bescheinigung des Versorgungswerkes ist der Prozentsatz der Versorgungsleistungen ausgewiesen, mit dem diese Rente der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegt (hier: 41,93 %). Das Versorgungswerk hat diesen Anteil nach Rz. 128 ff. des a.a.O. ermittelt und dabei die Beitragsbescheinigung der Deutschen Rentenversicherung berücksichtigt. Die Beiträge bis zum Höchstbeitrag der Beitragsbemessungsgrenze sind dabei vorrangig der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen. Die tatsächlich geleisteten Beiträge und die den Höchstbeitrag übersteigenden Beiträge an das Versorgungswerk werden zum im entsprechenden Jahr maßgebenden Höchstbeitrag ins Verhältnis gesetzt. Aus dem Verhältnis der Summen der sich daraus ergebenden Vomhundertsätze ergibt sich der Vomhundertsatz für den Teil der Leistung, der auf Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags entfällt. Ob das Versorgungswerk den Anteil der Öffnungsklausel tatsächlich nach dieser Methode ermitteln darf, ist bei der Veranlagung von Herrn Mustermann nicht zu überprüfen. Der vom Versorgungswerk bescheinigte Prozentsatz von 41,93 % ist auf die Leistungen aus dem berufsständischen Versorgungswerk (2005 = 42.474 €) anzuwenden.

  • Anwendung der Öffnungsklausel auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung

    Der Steuerpflichtige hat in den Jahren 1968, 1972, 1977, 1979 allein durch Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung die Beitragsbemessungsgrenze überschritten. Die gesetzliche Rentenversicherung hat auf der Grundlage der Entgeltspunkte dieser Jahre (Randziffer 127 des o.g. BMF-Schreibens) den Anteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu ermitteln, der der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG unterliegt. Herr Mustermann sollte darauf hingewiesen und aufgefordert werden, bei der gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage der Bescheinigung des berufsständischen Versorgungswerks eine entsprechende Bescheinigung anzufordern und nachzureichen.

8.2 Beispiel 2: Anwendung der Öffnungsklausel bei Beträgen an die gesetzliche Rentenversicherung und an zwei berufsständische Versorgungswerke

Sachverhalt

Herr Mustermann scheidet am aus dem Erwerbsleben aus. Er hat bis zu diesem Zeitpunkt in unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen Zeitpunkten Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und zwei berufsständische Versorgungseinrichtungen (VE 1 und VE 2) geleistet.

Vom bis zum war Herr Mustermann im Ausland beschäftigt. Er hat in dieser Zeit keine Beiträge an die GRV oder an die berufsständischen Versorgungseinrichtungen VE 1 und VE 2 geleistet. Er war in dieser Zeit weder in der inländischen noch in einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.

Im Jahr 1989 hat er für den Zeitraum von 1980 bis 1983 rückwirkend Beiträge entrichtet.

Die gezahlten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur GRV sowie die Beiträge an die berufsständischen Versorgungseinrichtungen VE 1 und VE 2 ergeben sich aus der Tabelle 1.

Ab dem erhält Herr Mustermann Altersrenten aus der GRV und den beiden berufsständischen Versorgungseinrichtungen VE 1 und VE 2. Außerdem erhält er in 2006 von VE 1 eine Kapitalauszahlung in Höhe von 10.000 Euro. Die Einmalauszahlung beruht auf Beiträgen, die er vor dem gezahlt hat.

Da Herr Mustermann der Auffassung ist, dass seine Rente aus der VE 2 die größte Rendite erzielt hat, soll diese Rente möglichst gering besteuert werden. Deshalb ordnet er VE 1 vorrangig die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag zu.

Lösung

Allgemein

Beantragt ein Steuerpflichtiger die Anwendung der Öffnungsklausel, hat er den Nachweis durch Bescheinigungen des/der Versorgungsträger(s) zu erbringen (Rz. 126 des a.a.O.). Sofern Zahlungen an mehr als eine berufsständische Versorgungseinrichtung nachgewiesen werden, sind die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag einer vom Steuerpflichtigen zu bestimmenden berufsständischen Versorgungseinrichtung vorrangig zuzuordnen (Rz. 131 des o.g. BMF-Schreibens). Die Öffnungsklausel wird bezogen auf jede einzelne Rente von der jeweiligen berufsständischen Versorgungseinrichtung entweder nach dem Grundsatz in Rz. 127 des o.g. BMF-Schreibens oder nach der Vereinfachungsregelung der Rz. 128 ff. in der Fassung des BStBl I Seite 496 ermittelt. Die jeweilige berufsständische Versorgungseinrichtung bescheinigt den prozentualen Anteil der Leistung, der auf die Öffnungsklausel entfällt (Rz. 138 des o.g. BMF-Schreibens).

  1. Besteuerung der Renten

    Die Renten aus der GRV und den berufsständischen Versorgungseinrichtungen VE 1 und VE 2 unterliegen der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG. Von diesem Grundsatz wird insoweit abgewichen wie die Öffnungsklausel nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2 EStG Anwendung findet.

    1. Anwendung der Öffnungsklausel

      Voraussetzung für die Anwendung der Öffnungsklausel ist – neben einem entsprechenden Antrag des Herrn Mustermann –, dass Herr Mustermann bis zum in mindestens 10 Jahren Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat. Es ist der Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter (West) im Jahr der Zahlung heranzuziehen.

      Für die Prüfung der 10-Jahres-Grenze und bei der Ermittlung der gezahlten Beiträge gilt das In-Prinzip, d.h. die im Jahr 1989 von Herrn Mustermann nachgezahlten Beiträge sind insgesamt im Jahr 1989 zu berücksichtigen. Unbeachtlich ist insoweit, dass die Beiträge für die Jahre 1980 bis 1983 geleistet wurden.

      Für die Prüfung, ob in einem Jahr Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags gezahlt wurden, sind sämtliche Beiträge zusammenzurechnen, die in dem einzelnen Jahr an gesetzliche Rentenversicherungen, an landwirtschaftliche Alterskassen und an berufsständische Versorgungseinrichtungen gezahlt wurden (hier: GRV, VE 1 und VE 2).

      Der jährliche Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung ist auch dann maßgebend, wenn nur für einen Teil des Jahres eine Versicherungspflicht bestand oder nicht während des ganzen Jahres Beiträge geleistet wurden. Ein anteiliger Ansatz des Höchstbeitrags erfolgt nicht. Bei der Anwendung der Öffnungsklausel wird nicht auf einen monatlichen Höchstbeitrag im Jahr der Beendigung der Versicherungspflicht bzw. der Wiederaufnahme der Tätigkeit im Inland abgestellt. Dies gilt auch für die Jahre 1980 und 1981, in denen Herr Mustermann wegen seines Auslandsaufenthaltes nur für einen Teil des Jahres entsprechende Beiträge geleistet hat.

      Herr Mustermann hat in mindestens 10 Jahren Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt (hier: 22 Jahre); vgl. Tabelle 1, Spalte 7.

      Die Öffnungsklausel ist damit anwendbar.

    2. Ermittlung der Öffnungsklausel

      Für die Ermittlung der Teile der Renten, die auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruhen, sind alle an die entsprechenden Alterssicherungssysteme geleisteten Beiträge (GRV, VE 1 und VE 2) zu berücksichtigen.

      Die Öffnungsklausel wird bezogen auf jede einzelne Rente ermittelt. Die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag sind vorrangig der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen. D.h. die Öffnungsklausel ist auf die Rente aus der GRV nur dann anzuwenden, wenn die Beiträge an die GRV bereits den Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung übersteigen.

      1. Öffnungsklausel für die GRV

        In den Jahren 1974 bis 1978 und 1989 übersteigen bereits die Beiträge an die GRV den Betrag des Höchstbeitrags. Die Öffnungsklausel ist daher auch auf die Rente aus der GRV anzuwenden. Die GRV hat auf der Grundlage der Entgeltpunkte der einzelnen Jahre den Anteil der Rente aus der GRV zu ermitteln, der auf die Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags entfällt.

        Für die Ermittlung des Prozentsatzes gilt der Grundsatz in Rz. 127 des o.g. BMF-Schreibens, d.h. die GRV ermittelt den Teil der Rente, der auf Beiträgen oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags beruht, nach denselben Grundsätzen wie in Leistungsfällen, bei denen keine Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags geleistet wurden. Die Vereinfachungsregelung nach Rz. 128 ff. des o.g. BMF-Schreibens kommt für die GRV nicht in Betracht. Die Höhe des Prozentsatzes ergibt sich grundsätzlich aus der entsprechenden Bescheinigung der GRV. Für den Beispielsfall wird auf den Ausweis eines Prozentsatzes verzichtet.

      2. Öffnungsklausel für VE 1 und VE 2

        Da der Steuerpflichtige Beiträge an mehr als eine berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt hat, sind die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag einer vom Steuerpflichtigen zu bestimmenden berufsständischen Versorgungseinrichtung vorrangig zuzuordnen.

        Da die Rente aus der VE 2 möglichst gering besteuert werden soll, ordnet Herr Mustermann VE 1 vorrangig die Beiträge bis zum jeweiligen Höchstbeitrag zu.

        Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen haben entsprechend dieser Zuordnung den Teil der Leistung zu ermitteln, der auf Beiträgen beruht, die in den einzelnen Jahren oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Sie wenden dabei die Vereinfachungsregelung nach Rz. 128 ff. des o.g. BMF-Schreibens an. Hierzu werden die tatsächlich geleisteten Beiträge und die den Höchstbeitrag übersteigenden Beiträge zum im entsprechenden Jahr maßgebenden Höchstbeitrag ins Verhältnis gesetzt. Durch diese jährliche Betrachtungsweise wird eine Fortschreibung der Beiträge und Beitragsspitzen entsprechend der von der berufsständischen Versorgungseinrichtung in den jeweiligen Jahren erwirtschafteten Erträge erreicht. Aus dem Verhältnis der Summen der sich ergebenden Prozentsätze ergibt sich der Prozentsatz für den Teil der Leistung, der mit dem Ertragsanteil zu erfassen ist.

        Hierbei sind folgende Schritte zu beachten:

        Die jeweilige berufsständische Versorgungseinrichtung ermittelt gesondert für jedes Beitragsjahr, welche Beiträge den Betrag des Höchstbeitrags übersteigen. Da die Öffnungsklausel für jede Versorgungseinrichtung gesondert zu ermitteln ist, kann es sich bei dem übersteigenden Beitrag maximal um den Beitrag in die jeweilige berufsständische Versorgungseinrichtung handeln. Da die Öffnungsklausel nur auf Leistungen angewendet wird, soweit diese auf bis zum geleisteten Beiträgen beruhen, die oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags gezahlt wurden, ist bei der Berechnung für Beitragsjahre ab 2005 kein übersteigender Beitrag auszuweisen (vgl. Tabellen 2 und 3, Spalte 8).

        Die tatsächlich an die jeweilige berufsständische Versorgungseinrichtung geleisteten Beiträge werden für jedes Beitragsjahr gesondert ins Verhältnis zum jeweiligen Höchstbeitrag gesetzt. Dabei sind auch die Beiträge für Beitragsjahre ab 2005 zu berücksichtigen (vgl. Tabellen 2 und 3, Spalte 9).

        Die den Höchstbeitrag übersteigenden Beiträge der jeweiligen berufsständischen Versorgungseinrichtung werden ebenfalls für jedes Beitragsjahr gesondert ins Verhältnis zum jeweiligen Höchstbeitrag gesetzt (vgl. Tabellen 2 und 3, Spalte 10).

        Auf diese Weise ergeben sich für jedes Beitragsjahr zwei Prozentsätze. Diese werden gesondert über den Zeitraum der Beitragsbiographie addiert (vgl. Anlage 5 Tabellen 2 und 3, Summen der Spalten 9 und 10).

        Aus dem Verhältnis der Summen der Prozentsätze ergibt sich der Prozentsatz für den Teil der Leistung, der auf Beiträge oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags entfällt. Dieser Teil der Leistung wird nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG mit dem Ertragsanteil besteuert (vgl. Tabellen 2 und 3, Verhältnis der Summen der Spalten 9 und 10).

        Für die von Herrn Mustermann bezogene Rente aus VE 1 ergibt sich, dass 42,65 % der Rente der Besteuerung mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG und 57,35 % der Rente der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG unterliegen (vgl. Tabelle 2).

        Auch die Rente der VE 2 ist aufzuteilen. 82,93 % der Rente unterliegen der Besteuerung mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG und 17,07 % der Rente unterliegen der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG (vgl. Tabelle 3).

  2. Besteuerung der Kapitalauszahlung

    Auch die Kapitalauszahlung aus der VE 1 unterliegt grundsätzlich der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG, wobei auch auf die Kapitalauszahlung die Öffnungsklausel Anwendung findet.

    Die von A bezogene Kapitalauszahlung in Höhe von 10.000 € unterliegt zu 57,35 % der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG. Der restliche Anteil von 42,65 % unterliegt nicht der Besteuerung.

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Fundstelle(n):
YAAAC-40876