BGH Urteil v. - VII ZR 335/02

Leitsatz

[1] Der Streitgegenstand einer Werklohnklage ändert sich nicht dadurch, daß eine neue Schlußrechnung vorgelegt wird (Bestätigung von ).

Es handelt sich nicht um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der prozeßrechtlichen Präklusionsvorschriften, wenn eine Partei im Laufe des Verfahrens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst schafft und alsdann in den Prozeß einführt.

Gesetze: ZPO § 263; ZPO § 296

Instanzenzug: LG Berlin

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung restlichen Werklohns.

Er wurde von den Beklagten im Jahre 1994 unter Geltung der VOB/B mit den Bauleistungen für die Gewerke Maurer- und Betonarbeiten, Trockenbauarbeiten sowie Innen- und Außenputzarbeiten in drei selbständigen Verträgen beauftragt. Die Putzarbeiten wurden zu einem Pauschalpreis, die anderen Arbeiten zu Einheitspreisen vergeben. Die Beklagten kündigten die Verträge im Jahre 1998. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beton- und Maurerarbeiten fertiggestellt. Der Kläger rechnete seine Leistungen mit Schlußrechnung vom ab, die von den Beklagten nicht bezahlt wurde.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 84.077,92 DM gerichtete Klage nach mündlicher Verhandlung vom abgewiesen. Es hat die Schlußrechnung teilweise nicht als prüfbar, teilweise als sachlich nicht gerechtfertigt angesehen.

Im Juni 2002 übersandte der Kläger den Beklagten eine zwischenzeitlich erstellte erneute Schlußrechnung, die er am im Berufungsverfahren zu den Akten reichte. Die Berufungsverhandlung war nach Eingang der Berufungsbegründung vom auf den terminiert.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen, da sich die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Frage, ob bzw. gegebenenfalls wann in der Geltendmachung einer neuen Schlußrechnung eine Klageänderung zu sehen sei, bislang - soweit ersichtlich - nicht beschäftigt habe.

Der Kläger verfolgt im Revisionsverfahren sein Begehren weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Schlußrechnung vom sei bezüglich aller Leistungen nicht prüfbar gewesen. Die Einführung der neuen Schlußrechnung im Berufungsverfahren stelle eine Klageänderung dar. Dieser hätten die Beklagten nicht zugestimmt. Sie sei auch nicht sachdienlich.

Unabhängig davon sei der Vortrag als neues Angriffsmittel gemäß §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, weil er die Entscheidung verzögert hätte. Der Kläger sei wegen der vom Landgericht geäußerten Bedenken gegen die Prüfbarkeit der Schlußrechnung gehalten gewesen, das neue Vorbringen bereits in der Berufungsbegründung geltend zu machen.

II.

1. Die Revision ist gemäß § 542, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht sie im angegriffenen Urteil zugelassen hat. Da die mündliche Verhandlung, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, nach dem stattgefunden hat, richtet sich die Zulässigkeit der Revision nach der Zivilprozeßordnung in der ab dem geltenden Fassung (§ 26 Nr. 7 EGZPO).

An die Zulassung ist der Senat gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO gebunden, obwohl ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist (nachstehend 2. a.).

Das für die prozessuale Beurteilung des Berufungsverfahrens maßgebende Recht richtet sich nach der Zivilprozeßordnung in der bis zum geltenden Fassung, weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht vor dem geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

2. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht in der Vorlage einer neuen Schlußrechnung eine Klageänderung sieht (a). Rechtsfehlerhaft ist ferner die Hilfserwägung, das Vorbringen zur neuen Schlußrechnung im Schriftsatz vom unterliege wegen Verspätung der Zurückweisung (b).

a) Die vom Berufungsgericht als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage ist vom Bundesgerichtshof entschieden. Nach den Urteilen vom (VII ZR 103/01, ZfBR 2002, 787 = BauR 2002, 1588 = NZBau 2002, 614) und vom (VII ZR 57/00, BauR 2001, 124, 125 = ZfBR 2001, 34 = NZBau 2001, 146) ändert sich der Streitgegenstand nicht dadurch, daß eine neue Schlußrechnung erstellt wird. Der prozessuale Anspruch wird bestimmt durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Dazu zählen alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, die der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet.

Der Kläger verlangt in beiden Instanzen seinen Werklohnanspruch in Höhe von 84.077,92 DM aus den Verträgen über die Maurer- und Betonarbeiten, die Trockenbauarbeiten sowie die Innen- und Außenputzarbeiten. Daran hat sich nichts dadurch geändert, daß er im Berufungsverfahren am eine neue Schlußrechnung vorgelegt hat.

b) Das Berufungsurteil wird auch nicht von der Hilfserwägung getragen, die Einführung der neuen Schlußrechnung sei als verspäteter Vortrag gemäß §§ 527 Abs. 1, 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Innerhalb der am endenden Berufungsbegründungsfrist konnte der Vortrag schon deswegen nicht erfolgen, weil zu diesem Zeitpunkt die überarbeitete neue Schlußrechnung nicht vorlag. Der Kläger war aus prozessualen Gründen nicht gehindert, eine neue Schlußrechnung zu erstellen und im Berufungsrechtszug in den Prozeß einzuführen. Es handelt sich nicht um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im prozeßrechtlichen Sinne, wenn eine Partei im Laufe des Verfahrens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst schafft und alsdann in den Prozeß einführt. Denn die prozeßrechtlichen Präklusionsvorschriften sollen die Partei anhalten, zu einem bereits vorliegenden Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen. Sie haben nicht den Zweck, auf eine beschleunigte Schaffung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken.

War aus Rechtsgründen die zunächst erstellte Rechnung nicht prüfbar, war die Forderung nicht fällig. Die anschließende Erstellung einer prüfbaren Schlußrechnung hatte materiell-rechtlich die Wirkung, die Fälligkeit des Anspruchs herbeizuführen. Der diesbezügliche Vortrag konnte nicht aus prozessualen Gründen zurückgewiesen werden.

Fundstelle(n):
TAAAC-03492

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja