Oberfinanzdirektion Koblenz - S 0550 A - St 34 2 S 0127 A - St 35 1

Örtliche Zuständigkeit in Insolvenzfällen

Fortführung der Besteuerung nach § 26 S. 2 AO

Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit in eröffneten Insolvenzfällen wird eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt.

Bis zur endgültigen Regelung ist wie folgt zu verfahren:

Örtliche Zuständigkeit in Insolvenzfällen

1. Personengesellschaften und juristische Personen

Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder den Beginn einer Liquidation ergeben sich im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich keine Besonderheiten. Ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit kann jedoch dann eintreten, wenn der Insolvenzverwalter die für das Unternehmen maßgeblichen Entscheidungen von einem Ort aus trifft, der nicht im Bezirk des bisher zuständigen Finanzamts liegt (vgl. §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 i.V.m. 18 Abs. 1 Nr. 2 AO).

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie durch die Bestellung eines vorläufig „starken” Verwalters gem. § 22 Abs. 1 InsO geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den vom zuständigen Insolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).

Bei einer (vorläufigen) Liquidation obliegt es den mit der Abwicklung betrauten Liquidatoren, die laufenden Geschäfte zu beenden, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (§§ 149, 161 Abs. 2 HGB, § 70 Satz 1 GmbHG, §§ 268, 269 AktG).

In beiden Fällen werden die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die die gewöhnliche Tagespolitik einer Gesellschaft mit sich bringt, dauernd durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter bzw. Liquidator ausgeübt, so dass diese die Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO innehaben. Führt der (vorläufige) Insolvenzverwalter bzw. Liquidator die Geschäfte der Gesellschaft an einem Ort – z.B. seinem eigenen Büro –, der nicht im Bezirk des bisher für die Besteuerung der Gesellschaft zuständigen Finanzamts liegt, tritt ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit nach § 26 Satz 1 AO ein.

Es ist in diesen Fällen jedoch nicht zweckmäßig, kurz vor dem Erlöschen der Steuerpflicht noch ein anderes Finanzamt mit der Bearbeitung des u.U. komplizierten Steuerfalles des auslaufenden Unternehmens zu befassen. Zudem kann die andernfalls erforderliche Aktenüberweisung, deren Abwicklung sich nach allgemeiner Erfahrung häufig über einen längeren Zeitraum hinzieht, Ursache dafür sein, dass wichtige Fristen und Termine (z.B. nach §§ 28 Abs. 1, 194 Abs. 1 InsO) versäumt werden und dadurch Steuerausfälle eintreten. In derartigen Fällen hat daher regelmäßig das bisher für die Besteuerung zuständige Finanzamt das Verwaltungsverfahren gemäß § 26 Satz 2 AO fortzuführen und abzuschließen.

Der Zustimmung des – vorläufigen – Insolvenzverwalters zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch das bisher zuständige Finanzamt gem. § 26 Satz 2 AO bedarf es nicht; er soll jedoch von der Fortführung des Verwaltungsverfahrens benachrichtigt werden (vgl. AEAO zu § 26, Nr. 2).

In Fällen der Sanierung in sonstiger Weise (§ 156 Abs. 1 Satz 2 InsO) oder mittels Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO), die mit einem Zuständigkeitswechsel einhergehen, sollte von der Anwendung des § 26 Satz 2 AO und dem Verbleib beim bisherigen Finanzamt grundsätzlich abgesehen werden.

In den Fällen der vom Insolvenzgericht angeordneten Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) ist der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die Tätigkeit des Sachwalters beschränkt sich in diesen Fällen grundsätzlich auf eine Überwachung des Schuldners. Da hier der Schuldner die laufenden Geschäfte der Gesellschaft führt, ergeben sich hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit keine Besonderheiten.

2. Insolvenz von natürlichen Personen

2a. Regelung für Aktenabgaben innerhalb von Rheinland-Pfalz

Für die Dauer eines eröffneten Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahrens verbleibt es aus Gründen der Verfahrensökonomie bei der Zuständigkeit des bisherigen Finanzamts.

Dies gilt z.B. dann,

  • wenn eine natürliche Person nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Wohnsitz in einen anderen Finanzamtsbezirk verlegt

  • oder eine neue gewerbliche oder freiberufliche oder nichtselbständige Tätigkeit in einem anderen Finanzamtsbezirk aufnimmt

  • oder ihren Wohnsitz in einen anderen Finanzamtsbezirk verlegt und dort eine neue gewerbliche oder freiberufliche oder nichtselbständige Tätigkeit aufnimmt.

Die Fortführung der Besteuerung durch das bisher zuständige Finanzamt ist in diesen Fällen auf § 26 S. 2 AO zu stützen.

Nach Bekanntwerden des Zuständigkeitswechsels und vor Erlass weiterer Verwaltungsakte durch das bisher zuständige Finanzamt ist die schriftliche Zustimmung des nunmehr zuständigen Finanzamtes einzuholen, weil ansonsten die vom bisher zuständigen Finanzamt erlassenen Verwaltungsakte mit einem Verfahrensfehler behaftet sind (vgl. § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO) und Ermessensentscheidungen allein wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben wären (vgl. AEAO zu § 127, Nr. 2).

Der Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch das bisher zuständige Finanzamt gem. § 26 Satz 2 AO bedarf es nicht; er soll jedoch gehört und von der Fortführung des Verwaltungsverfahrens benachrichtigt werden (vgl. AEAO zu § 26, Nr. 2).

Die Besteuerung des Insolvenzschuldners während einer etwaigen Wohlverhaltensphase ist von dem ggf. nach dem Wechsel des Wohnsitzes zuständig gewordenen Finanzamt durchzuführen.

2b. Regelung für Aktenabgaben außerhalb von Rheinland-Pfalz

Bei Abgaben von bzw. in andere Bundesländer gilt bis zu einer einheitlichen Regelung die nachfolgende Vereinbarung:

Verlegt eine natürliche Person nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Wohnsitz in einen anderen Finanzamtsbezirk und eröffnet dort einen neuen Gewerbebetrieb, ist es aus Gründen der Verfahrensökonomie sinnvoll, das auch in diesen Fällen das bisher zuständige Finanzamt bereits begonnene Verwaltungsverfahren nach § 26 S. 2 AO weiter durchführt (AO II/2004 vom 16.06. – ).

In allen anderen Fällen erfolgt eine Abgabe der Fälle.

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Fundstelle(n):
OAAAB-92618