OFD Hannover - S 0463 - 1 - StO 143

Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236 AO)

1. Allgemeines

Bei der Festsetzung von Zinsen für Beträge, die in einem Verfahren vor den Steuergerichten streitig waren und nach rechtskräftiger Beendigung des Rechtsstreits dem Kläger zu erstatten oder nachträglich zu vergüten sind, bittet die OFD, neben dem AEAO zu § 236 AO die nachstehenden Hinweise zu beachten:

2. Zu verzinsende Ansprüche

Erstattungszinsen sind zu zahlen für

2.1 Steuererstattungsansprüche oder wenn ein Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer zunächst abgelehnt und danach ein Erstattungsbetrag erfolgreich eingeklagt worden ist. [1]

2.2 Steuervergütungsansprüche (z. B. aus Vorsteuerüberschüssen)

2.3 Ansprüche auf Geldleistungen, auf die die Vorschriften der AO über Steuervergütungen entsprechend anzuwenden sind (z. B. Investitionszulage, Wohnungsbauprämien, Arbeitnehmer-Sparzulagen).

3. Nicht zu verzinsende Ansprüche

3.1 Eine Verzinsung der Ansprüche auf Erstattung der Kirchensteuer ist in Niedersachsen nicht vorgesehen. [2]

3.2 Die Herabsetzung von Haftungsansprüchen und steuerlichen Nebenleistungen fällt nicht unter die Zinsregelung.

3.3 Außerdem ist die Zinsregelung nicht anwendbar, wenn im Erhebungsverfahren ein Verwaltungsakt, z. B. ein Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO, aufgehoben oder geändert wird. Denn hierdurch wird die Festsetzung der Steuer nicht berührt.

3.4 Der Erlass einer Steuer nach § 227 AO im Erhebungsverfahren ist keine Herabsetzung im Sinne des § 236 AO [3].

4. Entstehung des Zinsanspruchs

Hinweis auf AEAO zu § 236 AO Tz. 4.

5. Rechtshängigkeit

Mit Ausnahme der Fälle der Folgeänderung i. S. d. § 236 Abs. 2 Nr. 2 AO muss die Rechtshängigkeit für den zu verzinsenden Betrag unmittelbar gegeben sein.

Keine Zinspflicht besteht für Beträge, die dem Stpfl. aufgrund eines erfolgreichen Einspruchs erstattet werden oder wenn er wegen Aussetzung (§ 363 Abs. 1 AO) oder Ruhens des Einspruchsverfahrens (§ 363 Abs. 2 AO) keine gerichtliche Entscheidung erlangen konnte.

6. Ausschluss der Verzinsung bei verspätetem Vorbringen

Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit einem Beteiligten die Kosten des Verfahrens nach § 137 FGO auferlegt worden sind (§ 236 Abs. 3 AO). Begehrt der Stpfl. mit seiner Klage eine Erstattung oder Vergütung aufgrund von Tatsachen, die er bereits in einem früheren Stadium des Klageverfahrens oder sogar schon im Veranlagungs- und in dem sich daran anschließenden Einspruchsverfahren hätte vorbringen können und sollen, so ist in der Stellungnahme zur Klage, bei außergerichtlicher Erledigung spätestens mit Übersendung der Abschrift des geänderten Bescheids (§ 68 Satz 3 FGO), zu beantragen, die Kosten des Verfahrens dem Stpfl. aufzuerlegen.

7. Gläubiger der Zinsanspruchs

Gläubiger des Zinsanspruchs ist

  1. jeder am Rechtsstreit Beteiligte ist, denn der Zinsanspruch knüpft an die Beteiligtenstellung im finanzgerichtlichen Verfahren an ( BStBl 1984 II S. 185; BStBl 1975 II S. 826, jeweils ergangen zu § 111 Abs. 3 FGO i.d. bis zum gültigen Fassung, aber auf § 236 AO 1977 übertragbar) bzw.

  2. in den Fällen der Folgewirkung nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 AO jeder von der Aufhebung oder Änderung des Grundlagenbescheides Betroffene, soweit die gegen ihn festgesetzten Steuern herabgesetzt werden und er die Steuer gezahlt hat (vgl. EFG 2003 S. 1514, unter Hinweis auf a.a.O., und ausführliche Literatur; BStBl 1995 II S. 37; BStBl 2002 II S. 119).

Zweck der Vorschrift ist es, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die Zeit ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren. ( a.a.O.).

8. Verfahren bei der Auszahlung von Erstattungszinsen

Sind aufgrund einer das gerichtliche Verfahren abschließenden Entscheidung Steuern zu erstatten oder Steuervergütungen auszuzahlen, so ist das Erforderliche beschleunigt zu veranlassen, damit nicht der für die Bestimmung der Zinsdauer maßgebende Auszahlungstag unnötig hinausgeschoben wird und erhöhte Zinsen gezahlt werden müssen.

Die Verzinsung ist von Amts wegen durchzuführen. Der Erstattungsberechtigte braucht deshalb die Festsetzung der Zinsen nicht zu beantragen. Ein solcher Antrag hat allerdings die Wirkung, dass die Festsetzungsfrist nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (vgl. §§ 171 Abs. 3, 239 Abs. 1 AO).

Bei der Festsetzung der Erstattungszinsen sind Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, anzurechnen.

9. Mitteilung an das für den Erlass des Folgebescheides zuständige Finanzamt

Richtet sich ein ganz oder teilweise erfolgreicher Rechtsbehelf gegen einen Grundlagenbescheid (z. B. § 180 AO) und war dessen Vollziehung nicht in Höhe der angegriffenen Besteuerungsgrundlagen ausgesetzt worden, so ist dem für den Erlass des Folgebescheides zuständigen FA bei Übersendung der Mitteilung über die Besteuerungsgrundlagen zusätzlich Folgendes mitzuteilen:

9.1 Wenn der Kläger die gesamten Rechtsbehelfskosten zu tragen hatte, dass eine Verzinsung nicht in Betracht kommt, weil dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs in vollem Umfang auferlegt worden sind (§ 236 Abs. 3 AO i. V. m. § 137 S. 1 FGO);

9.2 bei einer durchzuführenden Verzinsung;

9.2.1 der Kostenanteil des FA in v. H. (soweit die Kosten nicht dem Beteiligten auferlegt worden sind, § 236. Abs. 3 AO);

9.2.2 der Tag der Rechtshängigkeit

10. Mitteilung an die zuständige Gemeinde

Ergibt sich aufgrund eines ganz oder teilweise erfolgreichen Rechtsbehelfs unmittelbar oder durch Folgeänderung nach § 175 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO oder § 35b GewStG ein niedrigerer Gewerbe- oder Grundsteuermessbetrag und war die Vollziehung des Messbescheides nicht in Höhe der angegriffenen Besteuerungsgrundlagen ausgesetzt, so sind der zuständigen Gemeinde bei Übersendung des geänderten Messbescheides entsprechende Angaben (s. o. 9.) mitzuteilen.

11 Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung der Erstattungszinsen

Gegen die Zinsfestsetzung ist der Einspruch gegeben (§ 347 AO). In diesem Verfahren können Einwendungen gegen die Höhe der Erstattungs- und Vergütungsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden. Insoweit sind die geänderten Bescheide als Grundlagenbescheide für die Zinsfestsetzung bindend.

OFD Hannover v. - S 0463 - 1 - StO 143

Fundstelle(n):
VAAAB-76660

1 BStBl 1982 II S. 150

2§ 6 Abs. 1 KiStRG

3 BFH/NV 1999 S. 1055