BFH Beschluss v. - III B 158/04

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute. Im Streitjahr 1991 veräußerte die Klägerin ein von ihr im Jahr 1988 erworbenes und mit einem Gebäudekomplex bebautes Grundstück in der X-Straße. Im Folgejahr erwarb sie ein weiteres Grundstück. Nach Genehmigung des Bauantrags veräußerte sie das Grundstück im Jahr 1993 mit der Verpflichtung, darauf ein Mehrfamilienhaus zu errichten.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nahm gewerblichen Grundstückshandel an und versteuerte im geänderten Einkommensteuerbescheid 1991 den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks im Jahr 1991 als gewerbliche Einkünfte.

Im Klageverfahren trugen die Kläger u.a. vor, zu der Veräußerung des Grundstücks hätten sie sich kurzfristig entschlossen, weil das FA einem Mitarbeiter ihres damaligen steuerlichen Beraters nach entsprechender Rückfrage mündlich die verbindliche Zusage erteilt habe, „dass Steuerbeträge auf die Veräußerung nicht anfielen”. Zum Beweis beantragten sie, den Berater und seinen Mitarbeiter als Zeugen zu vernehmen. Ihr Berater habe in dem gegen ihn angestrengten Haftpflichtprozess vortragen lassen, sein Mitarbeiter habe sich „bei dem zuständigen Finanzbeamten…zum einen vergewissert, dass kein Spekulationsgewinn anfallen würde. Zum anderen war der Finanzbeamte mit Herrn…(dem Mitarbeiter) auf dessen gezielte Nachfrage hin auch einer Meinung, dass die Veräußerung allein des Grundstücks X-Straße keinen gewerblichen Grundstückshandel darstellt”. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Klägervertreter, dass er auf die Vernehmung der Zeugen zu den benannten Themen nicht verzichte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, das FA habe den Gewinn aus der Veräußerung des Gebäudekomplexes zu Recht bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb erfasst. Es sei auch nicht durch eine verbindliche Auskunft an der Besteuerung des Gewinns gehindert gewesen. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, dass sie im Jahr 1991 im Rahmen der begehrten Auskunft bereits auf eine zu erwartende weitere Tätigkeit in den Folgejahren hingewiesen hätten. Wegen der veränderten Sachlage hätte eine erteilte Auskunft daher keine Bindungswirkung haben können.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG habe die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, weil es die benannten Zeugen zum Beweis einer verbindlichen Auskunft des FA nicht vernommen habe. Nur der ehemalige Steuerberater könne Auskunft darüber geben, ob er im November 1991 das FA auf eine zu erwartende weitere Tätigkeit in den Folgejahren hingewiesen habe. Wenn das FG gleichwohl von ihnen, den Klägern, den Vortrag des Sachverhalts erwarte, den nur die Zeugen vortragen könnten, hätte es eines richterlichen Hinweises bedurft.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Sie ist durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

1. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nicht verletzt.

In dem Übergehen einer beantragten Zeugenvernehmung liegt nur dann ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel (Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO), wenn das Urteil des FG —ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung— auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann (, BFH/NV 2001, 208).

Nach Auffassung des FG kam es auf den angebotenen Zeugenbeweis aber nicht an. Denn das FG ging davon aus, dass die behauptete verbindliche Auskunft keine Bindungswirkung habe, weil sich die Sachlage nach Erteilung dieser Auskunft verändert habe und die Kläger selbst nicht vorgetragen hätten, dass sie bereits im Jahr 1991 im Rahmen der begehrten Auskunft auf eine zu erwartende weitere Tätigkeit in den Folgejahren hingewiesen hätten.

Die Kläger hatten im finanzgerichtlichen Verfahren wörtlich wiedergegeben, was ihr ehemaliger Steuerberater in dem gegen ihn angestrengten Prozess zum Inhalt der von ihm bzw. seinem Mitarbeiter eingeholten Auskunft vorgetragen hat. Danach sei

das FA mit dem Mitarbeiter einer Meinung gewesen, dass die Veräußerung allein des Grundstücks X-Straße keinen gewerblichen Grundstückshandel darstelle. Dieser Auskunft im November 1991 lag ersichtlich nur der bis dahin verwirklichte Sachverhalt (An- und Verkauf des Grundstücks X-Straße) zugrunde. Die zur Annahme eines Grundstückshandels führenden weiteren Tätigkeiten der Klägerin in den Folgejahren (Ankauf eines weiteren Grundstücks im Jahr 1992 und Veräußerung dieses Grundstücks im Jahr 1993 mit der Verpflichtung, ein Mehrfamilienhaus zu errichten) konnte das FA in die Beurteilung noch nicht einbezogen haben. Da der An- und Verkauf des Grundstücks X-Straße ohne die späteren, nach Auffassung des FG damit zusammenhängenden Tätigkeiten nicht als gewerblicher Grundstückshandel zu beurteilen gewesen wären, war die unter Beweis gestellte Aussage —allein die Veräußerung des Grundstücks X-Straße stelle keinen gewerblichen Grundstückshandel dar— für den Ausgang des Rechtsstreits nicht entscheidungserheblich. Eine solche Zusage wäre wegen der nicht berücksichtigten, späteren Tätigkeiten nicht bindend gewesen. Das FG-Urteil kann somit auf der unterlassenen Zeugenvernehmung nicht beruhen.

Die Kläger haben im Übrigen auch im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen, dass die Pläne der Kläger für weitere Grundstücksaktivitäten dem damaligen Berater bekannt waren, sodass er sie dem FA hätte vortragen können.

2. Das FG hat auch keine, ihm nach § 76 Abs. 2 FGO obliegenden Hinweispflichten verletzt oder durch unterlassene Hinweise gegen den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör durch Erlass einer Überraschungsentscheidung (§ 96 Abs. 2 FGO) verstoßen.

Ist die Notwendigkeit, bestimmte Tatsachen zur Erreichung des Prozessziels vorzubringen, offenkundig, stellt ein unterlassener Hinweis keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn die Kläger —wie im Streitfall— sachkundig vertreten waren (, BFH/NV 2004, 800), zumal auch keine allgemeine Pflicht des FG besteht, auf seine von den Beteiligten abweichende Meinung hinzuweisen (, BFH/NV 2004, 1303, unter 5., m.w.N.).

Bereits im finanzgerichtlichen Verfahren hat das FA schriftsätzlich darauf hingewiesen, dass die laut Vortrag der Kläger von dem Zeugen zu bekundende Aussage des Finanzbeamten sich nur auf die Veräußerung des Grundstücks in der X-Straße bezogen haben könne. Die Kläger hätten daher bereits im finanzgerichtlichen Verfahren auch ohne richterlichen Hinweis Veranlassung gehabt, darzulegen, inwiefern das FA bei seiner, von den Klägern behaupteten verbindlichen Zusage bereits die späteren Tätigkeiten hätte berücksichtigen können.

Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO ist anzunehmen, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1303, unter 5., m.w.N.). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn das FG im angefochtenen Urteil einen rechtlichen Gesichtspunkt als maßgebend herausgestellt hat, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen worden ist (, BFH/NV 2003, 1058, 1059, m.w.N.; Senatsbeschluss vom III B 60/03, juris).

Wie oben dargelegt, hat das FA im finanzgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich darauf hingewiesen, dass der Finanzbeamte bei einer Auskunft im Jahr 1991 in seiner Beurteilung noch nicht die Tätigkeiten der Kläger in den Jahren 1992 und 1993 habe berücksichtigen können.

Fundstelle(n):
ZAAAB-71112