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Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in Girosammelverwahrung oder Streifbandverwahrung § 23 EStG

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist, Folgendes zu beachten:

I. Allgemeines zur Verwahrung von Wertpapieren

Bei der Verwahrung von Wertpapieren ist zwischen zwei Verwahrungsarten zu unterscheiden:

Sammelverwahrung (Girosammelverwahrung)

Sonderverwahrung (sog. Streifbandverwahrung)

a) Girosammelverwahrung

Sammelverwahrung bedeutet, dass Wertpapiere vom Verwahrer ungetrennt von eigenen und von Papieren Dritter aufbewahrt werden. Im Gegensatz zu der Streifbandverwahrung verliert der Wertpapierinhaber bei der Girosammelverwahrung das Einzeleigentum an bestimmten Wertpapieren und wird stattdessen Bruchteilseigentümer an allen Papieren einer Art und Gattung, die gemeinsam im Girosammeldepot verwahrt werden (§§ 5 ff. des Depotgesetzes – DepotG –).

b) Streifbandverwahrung

Bei der Streifbandverwahrung bleibt der Wertpapierinhaber Eigentümer der speziellen von ihm erworbenen Papiere. Die Wertpapiere werden unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von den eigenen Beständen der Bank oder von denen Dritter verwahrt. Der Name des Eigentümers wird auf dem Papierstreifen o.Ä. vermerkt, der als Streifband die Wertpapiere – ähnlich gebündelter Banknoten – umgibt (§ 2 DepotG).

In den Fällen der Streifbandverwahrung ist zu bedenken, dass lediglich die speziellen Aktien als solche einem bestimmten Eigentümer zugeordnet werden können. Es ist dagegen regelmäßig nicht möglich, den einzelnen Aktien ein genaues Anschaffungsdatum zuzuordnen, da dieses grundsätzlich nicht auf dem Streifband bezeichnet wird. Aus diesem Grunde kann die Rechtsprechung zum Girosammeldepot nach alter Rechtslage (Durchschnittswertmethode) analog auch auf die Streifbandverwahrung übertragen werden.

II. Einkommensteuerliche Behandlung der Veräußerung

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfolgt eine Besteuerung von Wertpapierverkäufen als privates Veräußerungsgeschäft, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr vergangen ist.

a) Rechtslage bis VZ 2003 (Durchschnittswertmethode)

Zur Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in Girosammelverwahrung hat der  – BStBl 1994 II S. 591) entschieden, dass die Veräußerungsfrist i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur dann gewahrt ist, soweit nach der Art und der Stückzahl ausgeschlossen werden kann, dass die veräußerten Wertpapiere außerhalb dieser Frist erworben wurden (vgl. H 169 „Sammeldepot” EStH 2004). Auf die Rzn. 45–48,  IV C 3 – S 2256 – 238/04 (BStBl 2004 I S. 1034; EStG-Kartei § 23 Nr. 7) wird verwiesen. Sowohl das Lifo- als auch das Fifo-Verfahren sind nicht anwendbar; die Anschaffungskosten sind nach den Durchschnittswerten zu ermitteln.

Beispiel 1 (aus Rz. 48 des o.a. BMF-Schreibens):

In dem Depot des Steuerpflichtigen A befinden sich insgesamt 250 Aktien der B-AG, die zu folgenden Zeitpunkten zu unterschiedlichen Kursen angeschafft wurden:


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Anschaffungszeitpunkt
Anzahl
AK je Aktie
50
120 €
80
160 €
120
150 €

Am veräußert A 100 Aktien der B-AG zu einem Kurs von 200 €. Hierbei fallen Bankgebühren in Höhe von 10 € an.

Lösung:

Zunächst gelten die am angeschafften 50 Aktien als veräußert, weil bei diesen im Zeitpunkt der Veräußerung die Behaltensfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bereits abgelaufen war. Die restlichen veräußerten 50 Aktien entfallen anteilig auf den innerhalb der Behaltensfrist angeschafften Bestand.

Die Anschaffungskosten dieser Aktien sind nach Durchschnittssätzen zu ermitteln:


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  80 Aktien je 160 €
= 12.800 €
120 Aktien × 150 €
= 18.000 €
insgesamt 200 Aktien
= 30.800 €
Durchschnitt je Aktie
=      154 €

Es ergibt sich folgender Veräußerungsgewinn:


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Veräußerungserlös insgesamt: 100 Aktien × 200 €:
20.000 €
davon nicht steuerbar: 50 Aktien × 200 €:
10.000 €
verbleiben:
10.000 €
abzüglich AK der 50 Aktien × 154 €:
7.700 €
steuerbarer Veräußerungserlös:
2.300 €
abzüglich anteilige Bankgebühren (50 %):
5 €
privater Veräußerungsgewinn:
2.295 €
steuerpflichtig nach dem Halbeinkünfteverfahren:
1.147 €

Die innerhalb der Behaltensfrist veräußerten 50 Aktien entfallen auf die jeweiligen Anschaffungszeitpunkte mit einem Anteil von 80/200 (2/5) auf die am und mit einem Anteil von 120/200 (3/5) auf die am angeschafften Aktien. Die sich nach der Veräußerung am noch im Sammeldepot befindlichen 150 Aktien verteilen sich somit wie folgt auf die unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte:


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Aktienbestand vor Veräußerung:
150 Stück
• 
abzüglich Verkauf der Aktien
mit Anschaffungszeitpunkt :
50 Stück
Zwischensumme
200 Stück
• 
Aufteilung der weiteren 50 verkauften Aktien auf
Anschaffungszeitpunkt (80/200 – 2/5):
20 Stück
Anschaffungszeitpunkt (120/200 – 3/5):
30 Stück

Für die noch im Depot befindlichen Aktien ergeben sich somit folgende Anschaffungsdaten:


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Anschaffungszeitpunkt
Anzahl
AK je Aktie
80 ./. 20 = 60
160 €
120 ./. 30 = 90
150 €

Beispiel 2 (Fortführung des Beispiels 1):

Am werden die restlichen im selben Depot befindlichen 150 Aktien zum Kurs von 190 € veräußert.

Lösung:

Zunächst gelten die am angeschafften 60 Aktien als veräußert, weil für diese die Behaltensfrist bereits abgelaufen ist. Nur der Teil des Veräußerungsgewinns ist steuerbar, der auf die am angeschafften Aktien entfällt.

Es ergibt sich folgender Veräußerungsgewinn:


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Veräußerungserlös insgesamt: 150 Aktien × 190 €:
28.500 €
davon nicht steuerbar: 60 Aktien × 190 €:
11.400 €
verbleiben:
17.100 €
abzüglich AK der 90 Aktien × 150 €:
13.500 €
steuerbarer privater Veräußerungsgewinn:
3.600 €
steuerpflichtig nach dem Halbeinkünfteverfahren:
1.800 €

b) Rechtslage ab dem VZ 2005 (Fifo-Methode)

Für die Wertpapiere der Girosammelverwahrung fingiert § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG n. F., dass die zuerst angeschafften Wertpapiere auch zuerst veräußert werden (sog. Fifo-Methode).

Der Vorteil der Fifo-Methode liegt – gemessen an der alten Rechtslage – in der einfacheren Ermittlung der realisierten Einkünfte. So werden jedem Veräußerungsgeschäft sowohl zeitlich als auch betragsmäßig ein oder mehrere Anschaffungsgeschäfte eindeutig zugeordnet. Dies erleichtert die Entscheidung darüber, ob die Veräußerung innerhalb der Veräußerungsfrist (steuerbar und steuerpflichtig) oder außerhalb (nicht steuerbar) liegt.

Im Fall der Steuerpflicht sind die feststehenden Anschaffungskosten aus den zugeordneten Erwerben zu berücksichtigen.

Beispiel 3:

Der Steuerpflichtige C erwirbt in den Jahren 2005 – 2006 folgende Aktien der X – AG:


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Anschaffungszeitpunkt
Anzahl
AK je Aktie
100
100 €
40
90 €
30
100 €
30
110 €

Am veräußert C 150 Aktien zu einem Preis von je 150 €.

Lösung:

Nach der Fifo-Methode gelten die am angeschafften Wertpapiere als zuerst veräußert und zwar vorliegend außerhalb der Veräußerungsfrist.

Anschließend folgen nacheinander bis zur Stückzahl der verkauften Aktien die am und am erworbenen Aktien, die innerhalb der Veräußerungsfrist steuerpflichtig veräußert wurden.

Berechnung des Veräußerungsgewinns:


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Veräußerungserlös:
150 Aktien × 150 €
22.500 €
 
davon nicht steuerbar
100 Aktien × 150 €
15.000 €
 
verbleiben
7.500 €
 
davon ½ = steuerpflichtiger Veräußerungserlös
 
 
= 3.750 €
abzgl. AK der am erworbenen Aktien
40 Aktien × 90 €
3.600 €
 
davon ½
 
 
1.800 €
abzgl. AK der am erworbenen Aktien
10 Aktien × 100 €
1.000 €
 
davon ½
 
 
500 €
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
 
=
= 1.450 €

c) Wahlrecht im VZ 2004

Für den VZ 2004 kann der Steuerpflichtige bei der Ermittlung der Anschaffungskosten zwischen der Durchschnittswert- und der Fifo-Methode wählen (vgl. Tz. 3  IV A 3 – S 2259 – 7/05 (BStBl 2005 I S. 617; EStG-Kartei § 52 Nr. 1). Dabei wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige der Gewinnermittlung einen von der Jahresbescheinigung abweichenden Wert nach der jeweils anderen Berechnungsmethode zu Grunde legt, weil dies zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führt.

Hinweis:

Die Auswirkung der Gesetzesänderung auf die Höhe des Veräußerungsgewinns hängt von der jeweiligen Preisentwicklung der nachgekauften Wertpapiere ab:

  • Handelt es sich um ein Wertpapier mit fallenden Kursen bei Folgekäufen, dann ist die Fifo-Methode für den Steuerpflichtigen vorteilhaft.

  • Wenn der Steuerpflichtige bei steigenden Kursen nachkauft, dann stellt die aktuelle Gesetzeslage steuerrechtlich einen Nachteil dar.

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Fundstelle(n):
FAAAB-61173