OFD Frankfurt am Main - S 7104 A - 1 - St I 1.10

Umsatzsteuerliche Behandlung der Drittmittelforschung betreibenden Forschungseinrichtungen des privaten Rechts

Bezug:

1 Unternehmereigenschaft

1.1 Ab dem entfällt die bis dahin praktizierte pauschale Anerkennung der Unternehmereigenschaft bei den in die Listen des Bundesministeriums für Forschung und Technik (BMFT) – seit 1994 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) – bis 1984 aufgenommenen Forschungseinrichtungen des privaten Rechts.

Die Unternehmereigenschaft ist vielmehr bei allen privatrechtlichen Forschungseinrichtungen individuell nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles auf der Grundlage der folgenden Abgrenzungskriterien zu bestimmen.

1.2 Die Unternehmereigenschaft von Forschungseinrichtungen des privaten Rechts ist anhand der in § 2 Abs. 1 UStG und Abschnitt 22 UStR dargelegten Grundsätze zu beurteilen.

Privatrechtliche Forschungseinrichtungen sind Unternehmer, wenn und soweit sie eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausüben. Das Unternehmen umfasst die gesamte berufliche oder gewerbliche Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 UStG).

Die Unternehmereigenschaft setzt daher voraus, dass nachhaltig Leistungen gegen Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches ausgeführt werden. Ein Leistungsaustausch kann nur zustande kommen, wenn der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht. Die Leistung muss sich auf den Erhalt einer Gegenleistung richten und damit die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslösen (vgl. Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 3 UStR).

1.3 Forschungseinrichtungen, deren Aufgaben ausschließlich durch echte Zuschüsse, Mitgliederbeiträge oder etwaige andere Mittel finanziert werden, die nicht Entgelt für eine Leistung darstellen, sind nicht Unternehmer (Abschnitt 22 Abs. 1 Satz 1 bis Satz 3 UStR).

Echte Zuschüsse liegen vor, wenn die Zahlungen nicht im Rahmen eines Leistungsaustausches erbracht werden (vgl.  BStBl 1995 II S. 86). Dies ist dann der Fall, wenn die Zahlungen nicht an bestimmte Umsätze anknüpfen, sondern unabhängig von einer bestimmten Leistung gewährt werden (vgl.  BStBl 1967 III S. 717 und BStBl 1987 II S. 228). Echte Zuschüsse liegen auch dann vor, wenn der leistende Unternehmer (Zahlungsempfänger) die Zahlungen lediglich erhält, um ganz allgemein in die Lage versetzt zu werden, überhaupt tätig zu werden oder seine nach dem Gesellschaftszweck oder Satzung obliegenden Aufgaben erfüllen zu können (vgl. Abschnitt 150 Abs. 7 UStR).

1.4 Vereinnahmen Forschungseinrichtungen neben echten Zuschüssen, Mitgliederbeiträgen oder etwaigen anderen Mitteln ohne Entgeltcharakter auch Entgelte für Leistungen, sind sie insoweit Unternehmer, als ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, nachhaltig entgeltliche Leistungen zu bewirken. Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Zuschüssen als Entgelt für Leistungen an den Zahlenden (unechte steuerbare Zuschüsse) und als zusätzliches Entgelt eines Dritten (Entgelt von dritter Seite) vgl. Abschnitt 150 Abs. 2 bis 6 UStR.

Der unternehmerische Bereich umfasst in diesem Fall unabhängig von der Rechtsform die gesamte zur Ausführung der entgeltlichen Leistungen entfaltete Tätigkeit einschließlich aller unmittelbar hierfür dienenden Vorbereitungen (Abschnitt 22 Abs. 1 Satz 4 und 5 UStR). Werden zur Finanzierung dieser auf Einnahmeerzielung ausgerichteten Tätigkeit zusätzlich Zuschüsse, Mitgliederbeiträge oder andere Mittel ohne Entgeltcharakter der Forschungseinrichtung eingesetzt, hat dies auf den Umfang der unternehmerischen Tätigkeit keinen Einfluss (vgl. Abschnitt 22 Abs. 10 Beispiel 7 Satz 8 UStR).

1.5 Die Forschungseinrichtungen können unabhängig von ihrer Rechtsform neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit auch einen nichtunternehmerischen Bereich besitzen. Eine nichtunternehmerische Tätigkeit ist dann anzunehmen, wenn in einem abgrenzbaren Teilbereich die Forschung ohne die Absicht betrieben wird, Einnahmen zu erzielen, bzw. wenn nicht von vornherein beabsichtigt ist, die Ergebnisse gegen Entgelt zu verwerten (vgl.  BStBl 1985 II S. 176, Abschnitt 22 Abs. 1 Satz 7 und 8 UStR, Abschnitt 22 Abs. 10 Beispiel 7 Satz 11 UStR). Vorstellbar ist dies beispielsweise bei der Grundlagenforschung, wenn diese ausschließlich aus öffentlichen Zuschüssen der Forschungseinrichtung finanziert wird, ohne dass mehr als die Veröffentlichung der Ergebnisse beabsichtigt ist.

Dient dagegen auch die Grundlagenforschung letztlich dem Zweck, am Ende wirtschaftlich – d. h. gegen Entgelt – verwertbare Ergebnisse zu erzielen, so gehört auch diese Forschungstätigkeit zum unternehmerischen Bereich. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Grundlagenforschung als Vorbereitungshandlung für eine unternehmerische Verwertung oder zur Steigerung der Verkaufstätigkeit und zur Festigung der Marktposition der Forschungseinrichtung in unmittelbarem Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit steht. Die Grundlagenforschung kann in diesem Fall – mangels Abgrenzbarkeit – nicht aus dem unternehmerischen Bereich ausgeschieden werden (vgl. Abschnitt 22 Abs. 10 Beispiele 7 bis 9 UStR).

1.6 Sogenannte Hilfsgeschäfte, die der Betrieb des nichtunternehmerischen Bereichs der privatrechtlichen Forschungseinrichtungen mit sich bringt, sind auch dann als nicht steuerbar zu behandeln, wenn sie wiederholt oder mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeführt werden (Abschnitt 22 Abs. 1 Satz 9 und 10 UStR).

2 Vorsteuerabzug

2.1 Die Forschungseinrichtungen des privaten Rechts sind unter den Voraussetzungen des § 15 UStG berechtigt, die Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen, die auf Lieferungen, sonstige Leistungen, den innergemeinschaftlichen Erwerb oder die Einfuhr von Gegenständen für den unternehmerischen Bereich entfallen. Der Vorsteuerabzug wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Kosten der Forschungseinrichtungen im unternehmerischen Bereich teilweise oder ganz überwiegend durch echte Zuschüsse, Mitgliederbeiträge oder etwaige andere Mittel ohne Entgeltcharakter gedeckt werden. Abziehbar sind danach beispielsweise auch Steuerbeträge für Umsätze, die nur dazu dienen, den unternehmerischen Bereich in Ordnung zu halten oder eine Leistungssteigerung in diesem Bereich herbeizuführen (vgl. Abschnitt 22 Abs. 3 UStR).

2.2 Bei Gegenständen, die nur für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wurden, später aber gelegentlich im unternehmerischen Bereich verwendet werden, können nur die unmittelbar durch die unternehmerische Verwendung anfallenden Vorsteuern abgezogen werden. Hinsichtlich der auf die Anschaffung bzw. Herstellung entfallenden Vorsteuerbeträge ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich. Das gleiche gilt, wenn Gegenstände später ganz in den unternehmerischen Bereich überführt werden. Ebenfalls nicht abziehbar sind die Vorsteuern, die mit Hilfsgeschäften i. S. der Ziffer 1.6 in Zusammenhang stehen (vgl. Abschnitt 22 Abs. 4 UStR).

Bei Gegenständen, die zunächst nur dem unternehmerischen Bereich dienen, später aber auch zeitweise im nichtunternehmerischen Bereich verwendet werden, bleibt der Vorsteuerabzug erhalten. Die unternehmensfremde Verwendung führt aber zu einer steuerpflichtigen Leistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG. Auch eine spätere Überführung in den nichtunternehmerischen Bereich nimmt keinen Einfluss auf den Vorsteuerabzug. Sie unterliegt als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer (vgl. Abschnitt 22 Abs. 5 UStR).

2.3 Ist ein Gegenstand oder eine sonstige Leistung in abgrenzbaren Teilbereichen sowohl für den unternehmerischen als auch für den nichtunternehmerischen Bereich der Forschungseinrichtung bestimmt, ist beim Vorsteuerabzug nach den in Abschnitt 192 Abs. 21 UStR dargestellten Grundsätzen zu verfahren (Abschnitt 22 Abs. 6 UStR, sowie die  IV C 3 – S 7100 – 66/96 – BStBl 1996 I S. 702 und vom – IV B 7 – S 7300 – 24/04 – BStBl 2004 I S. 451):

  • Bei der Lieferung vertretbarer Sachen sowie bei sonstigen Leistungen ist die darauf entfallende Umsatzsteuer entsprechend dem Verwendungszweck in einen abziehbaren (unternehmerischer Bereich) und einen nichtabziehbaren Teil (nichtunternehmerischer Bereich) aufzuteilen (Abschnitt 192 Abs. 21 Nr. 1 UStR).

  • Bei der Lieferung eines einheitlichen Gegenstandes hat der Unternehmer die Wahl, ob er den Gegenstand ganz oder teilweise seinem Unternehmen zuordnet (Abschnitt 192 Abs. 21 Nr. 2 UStR).

2.4 Wegen der Schwierigkeiten bei der sachgerechten Zuordnung der Vorsteuern und bei der Versteuerung des Eigenverbrauchs kann das Finanzamt auf Antrag Erleichterungen beim Vorsteuerabzug gewähren. Abschnitt 22 Abs. 7 UStR enthält Möglichkeiten eines erleichterten Aufteilungsverfahrens.

Die Rdvfg. der OFD Frankf./M. vom  – S 7104 A ist überholt und wird aufgehoben.

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Fundstelle(n):
MAAAB-53383