BFH Beschluss v. - III B 90/03

Betriebsstätte bei Leasing; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Rechtsfortbildung und Sicherung einer einheitlichen Rspr.

Gesetze: AO § 12; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2

Instanzenzug:

Gründe

Von der Wiedergabe des Sachverhalts sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt einen substantiierten Vortrag der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen. Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (, BFH/NV 2002, 217, m.w.N.).

a) Die Klägerin misst den Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zu, ob es für die Begründung einer Betriebsstätte durch Einrichtung einer Verkaufsstelle nach § 12 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erforderlich ist, Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung zu haben und ob eine Verkaufsstelle nach § 12 Satz 2 AO 1977 auch dann gegeben ist, wenn kein Verkauf, sondern das Verleasen von Gegenständen erfolgt.

b) Ob eine Betriebsstätte i.S. von § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 im Fördergebiet besteht, zu deren Anlagevermögen im Zeitpunkt der Anschaffung der beweglichen Wirtschaftsgüter, für die Investitionszulage begehrt wird, gehört, richtet sich nach § 12 AO 1977 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991. Während die Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsstätte nach dem Grundtatbestand in § 12 Satz 1 AO 1977 geklärt sind (vgl. , BFHE 203, 568, BStBl II 2004, 250, m.w.N.), ist das Verhältnis der in § 12 Satz 2 AO 1977 beispielhaft aufgeführten weiteren Formen von Betriebsstätten weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum bislang abschließend geklärt. Unklar ist deshalb noch, ob die Annahme einer Einkaufs- und Verkaufsstelle i.S. von § 12 Satz 2 Nr. 6 AO 1977 eine feste Geschäftseinrichtung unter der Verfügungsmacht des Unternehmers erfordert, ob also die zu Satz 1 der Vorschrift entwickelten allgemeinen Kriterien für eine Betriebsstätte auch in den in Satz 2 der Regelung geregelten Fällen erfüllt sein müssen.

Der I. Senat des BFH hat im Urteil vom I R 15/93 (BFHE 172, 301, BStBl II 1994, 148) lediglich „vorsorglich” zur Auslegung des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO 1977 bemerkt, dass § 12 AO 1977 nur in seinem Grundtatbestand (Satz 1) eine feste Geschäftseinrichtung oder eine Anlage verlange, die der Tätigkeit eines Unternehmens diene. Hingegen enthalte die Vorschrift in Satz 2 eine Definitionserweiterung, die nicht notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetze. Im Schrifttum wird das Verhältnis der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 12 AO 1977 zueinander unterschiedlich gesehen (vgl. Buciek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 12 AO 1977 Rz. 6 und 36; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 12 AO 1977 Rz. 5 und 31; Koch/Scholz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 12 Rz. 3; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 12 AO 1977 Tz. 29; a.A. Schwarz, Abgabenordnung, § 12 Rz. 39).

Unbeschadet wie dieses Verhältnis zu lösen ist und der Beantwortung der weiteren, von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob auch das Verleasen von Gegenständen einem Verkauf i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 6 AO 1977 gleichgesetzt werden könne, würden sich diese Rechtsfragen indes in einem künftigen Revisionsverfahren nicht in entscheidungserheblicher Weise stellen.

Die Klägerin behauptet zwar, im Rahmen des mit der X GmbH abgeschlossenen Kooperationsvertrages seien die maßgeblichen Tätigkeiten beim Abschluss des Leasingvertrages von Letzterer in A (Fördergebiet) durchgeführt worden. Indes hat die X GmbH nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) allenfalls den Vertragsabschluss vorbereitende Tätigkeiten in A ausgeübt, die für den Abschluss der Leasingverträge oder der Kaufverträge maßgebenden Tätigkeiten sind hingegen von der Klägerin an ihrem Firmensitz in Z (altes Bundesgebiet) verrichtet worden, so dass vom Vorliegen einer Verkaufsstelle auch nur an diesem Ort auszugehen sei. Auch Schwarz (a.a.O., Rz. 39) verlangt für die Annahme einer Verkaufsstelle aber den Verkauf an dem betreffenden Ort. Ebenso lässt die Finanzverwaltung (, BStBl I, 768 Tz. 43) nicht bloße vertragsvorbereitende Tätigkeiten in der Betriebsstätte im Fördergebiet genügen. Vielmehr verlangt sie auch die Abwicklung des Vertrages, insbesondere des Zahlungsverkehrs, und die spätere Betreuung der Kunden von dort aus. Der Senat hat die in diesem Schreiben aufgeführten Kriterien als zutreffend für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet angesehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 568, BStBl II 2004, 250).

Schließlich wäre die Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfragen auch insoweit näher darzulegen gewesen, als die Zulagengewährung nicht nur das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Fördergebiet verlangt, sondern zusätzlich auch die Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen dieser Betriebsstätte bereits im Zeitpunkt der Anschaffung erfordert.

Dem Zugehörigkeitsmerkmal kommt nämlich dann besondere Bedeutung zu, wenn die Betriebsstätte der Geschäftsleitung außerhalb des Fördergebiets liegt. Sofern in solchen Fällen —wie im Streitfall— keine eindeutige räumliche Zuordnung möglich ist, sind die Wirtschaftsgüter derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die engeren Beziehungen bestehen. Diese Entscheidung ist nach den Gesamtumständen des jeweiligen Falles zu treffen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 568, BStBl II 2004, 250, m.w.N.).

Außerdem ist der Kooperationsvertrag erst am rechtswirksam abgeschlossen worden. Ausweislich der in der Anlage zum Investitionszulagenantrag für 1991 aufgeführten Daten sind die einzelnen Wirtschaftsgüter zumindest überwiegend zeitlich früher angeschafft worden (vgl. dazu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 203, 568, BStBl II 2004, 250).

2. Die weitere Rechtsfrage, ob eine vertragliche Vereinbarung, wonach in den Geschäftsräumen des Vertragspartners eine Betriebsstätte errichtet wird, so auszulegen ist, dass zivilrechtlich die Verfügungsmacht des anderen Vertragspartners mit der Folge begründet wird, dass in steuerlicher Hinsicht eine Betriebsstätte anzunehmen ist, betrifft eine in das Gewand einer abstrakten Rechtsfrage gekleidete, in Wirklichkeit aber den konkreten Fall betreffende Frage.

Die Klägerin hat keine insoweit abstrakt klärungsbedürftige Rechtsfrage nach den für die Auslegung von Verträgen geltenden Regeln aufgeworfen. Dazu hätte es insbesondere einer intensiven Auseinandersetzung mit der vorhandenen reichhaltigen Judikatur und dem Fachschrifttum bedurft.

Einen derartigen (weiteren) Klärungsbedarf hinsichtlich der gesetzlichen Auslegungsregeln für Willenserklärungen oder Verträge (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—; dazu , BFHE 188, 415, BStBl II 1999, 735; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 24, m.w.N.) hat die Klägerin aber nicht dargelegt.

Soweit die Klägerin im Kern das Auslegungsergebnis des FG beanstandet, wird mit der Behauptung einer fehlerhaften Anwendung der Auslegungsregeln im konkreten Streitfall indes kein Zulassungsgrund dargetan (vgl. , BFH/NV 2003, 783).

3. Auch die weitere Frage, ob die Beherrschung einer Kapitalgesellschaft durch die geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft dazu führt, dass die Personengesellschaft Verfügungsmacht über die von der Kapitalgesellschaft von Dritten angemieteten Geschäftsräume hat, wenn das beherrschte Unternehmen in den Geschäftsräumen zugleich als Subunternehmer für die Personengesellschaft tätig wird, legt keinen abstrakten Klärungsbedarf im Allgemeininteresse dar, sondern ist lediglich allgemein formuliert, jedoch erkennbar ausschließlich auf den Streitfall bezogen.

Die Klägerin legt vielmehr die ihrer Meinung nach zugrunde zu legende zutreffende rechtliche und tatsächliche Würdigung des Sachverhalts dar, ohne eine unklare oder streitige und damit klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuzeigen. Hierzu müsste sie darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Frage umstritten ist (vgl. , BFH/NV 2003, 320).

Eine fehlende BFH-Entscheidung allein bzw. zu einem vergleichbaren Fall (BFH-Beschlüsse vom VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463; vom VII B 351/00, BFH/NV 2002, 506) verleiht der Frage noch keine grundsätzliche Bedeutung. Daraus kann noch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache abgeleitet werden.

Ebenso wenig würde eine „schlichte” Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung, insbesondere eine unrichtige Auslegung und Anwendung von Rechtsvorschriften oder höchstrichterlicher Rechtsgrundsätze im Einzelfall einen Zulassungsgrund darstellen (, BFH/NV 2002, 213).

Der Senat hat schließlich klargestellt, dass die bloße Überlassung von Einrichtungen und Anlagen noch keine Betriebsstätte begründet; vielmehr muss sie dem Gewerbebetrieb unmittelbar dienen. Der Betriebsinhaber muss die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber innehaben. Auch der Besitz daran allein reicht nicht aus. Vielmehr muss hinzukommen, dass dort eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird (, BFH/NV 1999, 1122).

Das FG hat überdies im finanzgerichtlichen Verfahren bereits einen Vortrag der Klägerin dazu vermisst, dass und welche Räumlichkeiten ihr für die in dem Kooperationsvertrag erwähnten Aufgaben tatsächlich zur Verfügung gestanden haben sollen.

4. Die Klägerin hat ebenso wenig die Erforderlichkeit einer (weiteren) Rechtsfortbildung (vgl. zu den insoweit gleichermaßen strengen Darlegungsanforderungen wie zur Grundsatzrevision BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 217) bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinreichend dargetan. Dazu reicht weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzellfalles noch bloße Subsumtionsfehler des FG. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen oder ein offensichtlicher (materieller oder formeller) Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung (, BFH/NV 2003, 495, m.w.N.).

Fundstelle(n):
FAAAB-23511