BFH Beschluss v. - X B 173/03

Verfassungsmäßigkeit der sog. Fünftel-Regelung in § 34 Abs. 1 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002

Gesetze: EStG § 34

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2000) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie veräußerten am ihr in Form einer Betriebsaufspaltung geführtes ...unternehmen und erzielten daraus einen Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 3 579 898 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) unterwarf diese Einkünfte dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (sog. Fünftel-Regelung). Gegen den betreffenden Einkommensteuerbescheid vom erhoben die Kläger Einspruch und begehrten, die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn unter Anwendung des § 34 EStG in der ab geltenden Fassung festzusetzen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Kläger erhoben Klage. Während des Verfahrens beantragten die Kläger unter Bezugnahme auf den (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) und das beim BFH anhängige Revisionsverfahren XI R 26/03 die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Mit Beschluss vom lehnte das Finanzgericht (FG) den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren auszusetzen.

Das FA hat von einer Äußerung abgesehen.

II. Die Beschwerde ist statthaft, aber nicht begründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für einen Verfahrensstillstand verneint.

1. Nach § 74 FGO kann das FG das Verfahren u.a. aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine solche Situation ist im Streitfall nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den FG zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (vgl. Senatsentscheidung vom X R 147/94, BFH/NV 1997, 254). Die Aussetzung des Verfahrens nach diesen Maßstäben kommt nicht in Betracht, wenn lediglich vor dem BFH ein Musterverfahren anhängig ist (, BFHE 178, 559, BStBl II 1996, 20; Senatsentscheidung vom X B 255/96, BFH/NV 1997, 785).

Danach kommt hier eine Aussetzung des Klageverfahrens weder wegen des beim BFH anhängigen Verfahrens XI R 26/03 noch wegen eines beim BVerfG anhängigen Musterverfahrens in Betracht. Der XI. Senat des BFH hat mit Beschluss in BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257 das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die —höhere— Besteuerung einer Entlassungsentschädigung, die noch vor Zuleitung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) an den Bundesrat () vereinbart, jedoch erst nach dem ausgezahlt worden ist, nach der sog. Fünftel-Regelung verfassungsgemäß ist oder gegen das Verbot der Rückwirkung von Steuergesetzen verstößt. Hierum geht es vorliegend nicht. Denn die Kläger haben ihr Einzelunternehmen erst am nach Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am veräußert. Außerdem betrifft die Vorlage des XI. Senats des BFH keinen Veräußerungsgewinn, sondern eine Entlassungsentschädigung.

2. Das Ruhen des Klageverfahrens hat das FG bereits deshalb nicht gemäß § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO anordnen können, weil das FA die Zustimmung dazu nicht erteilt hat. Der Senat teilt im Übrigen auch die Erwägung des FG, dass das Ruhen des Verfahrens nicht zweckmäßig ist. Der Senat hat bereits in seinen Beschlüssen vom X B 28/02 (BFH/NV 2003, 471) und vom X B 106/02 (BFH/NV 2003, 618) ausgeführt, dass der Gesetzgeber weder verpflichtet war, an der Besteuerung mit dem halben Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG in der vor 1999 geltenden Fassung festzuhalten, noch die seit 2001 geltende Regelung des § 34 Abs. 3 EStG auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zurückzubeziehen. Dies entspricht auch der Auffassung anderer Senate des BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 163/02, BFH/NV 2003, 777; vom III B 130/02, BFH/NV 2003, 773; vom VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 956
BFH/NV 2004 S. 956 Nr. 7
WAAAB-20734