OFD München - S 0166 - 64 St 312

§ 46 AO; Überleitung von Steuererstattungsansprüchen nach § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG)

Nach § 90 BSHG können Ansprüche eines Sozialhilfeempfängers unter bestimmten Voraussetzungen durch Verwaltungsakt auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden. Voraussetzung ist u.a., dass der Sozialhilfeempfänger für die Zeit, für die Sozialhilfe gewährt wird, einen Anspruch gegen einen anderen hat, der kein Leistungsträger i.S. des § 12 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches ist. Die Forderung darf gemäß § 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG nur insoweit übergeleitet werden, als bei rechtzeitiger Leistung des Dritten die Hilfe nicht gewährt worden wäre. Zweck der Überleitung ist es, den im Gesetz verankerten Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) nachträglich wieder herzustellen.

Dem entsprechend können auch Steuererstattungsansprüche des Sozialhilfeempfängers an den örtlichen Sozialhilfeträger (kreisfreie Städte und Landkreise) übergeleitet werden (§ 96 BSHG i.V.m. Art 1 des Bayer. Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes – AGBSHG –).

Die Überleitung nach § 90 BSHG hat die Wirkung einer Abtretung (vgl. BStBl 1988 II S. 500), so dass § 46 AO auf Überleitungen nach § 90 BSHG entsprechend anzuwenden ist. Somit wird die Überleitung entsprechend § 46 Abs. 2 AO erst wirksam, wenn sie dem zuständigen FA nach Entstehung des Anspruchs schriftlich gem. § 90 Abs. 1 BSHG angezeigt wird. Eine Überleitung des Anspruchs auf Steuererstattung vor Ablauf des Veranlagungszeitraums ist wirkungslos.

Die Überleitung nach § 90 BSHG kommt nicht nur bei regelmäßigen Zahlungen in Betracht. Überleitungsfähig sind auch einmalige und unregelmäßig auftretende Ansprüche (vgl. BGHZ 1994 S. 141; BVerwGE 1964 S. 333). Notwendige Voraussetzung ist aber die Zeitgleichheit von Hilfegewährung und Entstehung des Steuererstattungsanspruchs (§ 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG). Zeitgleichheit ist gegeben, wenn der Erstattungsanspruch bereits zu Beginn des Zeitraums, für den die der Überleitung zugrundeliegenden Sozialleistungen gewährt wurden, entstanden war. Nur insoweit ist eine Überleitung möglich.

Beispiel:

Sozialhilfe wird ab gewährt.

Es können nur die nach § 38 AO bis zum bereits entstandenen Steuererstattungsansprüche übergeleitet werden, also z.B. Einkommensteuererstattungsansprüche für die Veranlagungszeiträume 2003 und früher.

Der Sozialhilfeträger ist nicht befugt, einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu stellen.

Ist der in der Überleitungsanzeige genannte Erstattungsanspruch bereits abgetreten, verpfändet oder gepfändet worden, ist dies dem Sozialhilfeträger mitzuteilen. Bei Streitigkeiten über die Rangfolge ist entsprechend Tz 5.2, Karte 1 zu § 46 AO zu verfahren. Bestreitet das FA seine Verpflichtung zur Zahlung und ist der Sozialhilfeträger damit nicht einverstanden, ist diesem zur Eröffnung des Finanzrechtswegs ein Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilen. Das FA muss nicht die Berechtigung der Überleitungsverfügung vor dem Verwaltungsgericht oder dem Sozialgericht angreifen, auch wenn die Überleitungsverfügung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen wird.

Inhaltlich gleichlautend
OFD München v. - S 0166 - 64 St 312
OFD Nürnberg v. - S 0166 - 151/St 24

Fundstelle(n):
NAAAB-20066