Anerkennung eines Mietvertrags unter Angehörigen
Leitsatz
Der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen stellt nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 dar, weil der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat.
Gesetze: EStG § 9EStG § 21AO 1977 § 42
Instanzenzug: (EFG 2001, 636) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Vater des Klägers und Revisionsbeklagten übertrug auf diesen im April 1993 ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Nach dem Übertragungsvertrag gewährte der Kläger seinen Eltern als Gesamtberechtigten an sämtlichen Räumen des Obergeschosses des Hauses ein unbeschränktes ausschließliches Wohnungsrecht; über die Nutzung der Räume war der Abschluss eines Mietvertrages vorgesehen. Der Kläger war verpflichtet, die Wohnung auf seine Kosten innen und außen instand und bewohnbar zu halten. Der Kläger verpflichtete sich ferner, an seine Eltern als Gesamtgläubiger einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 400 DM vorschüssig bis zum 3. eines Monats als dauernde Last zu zahlen und sie in kranken und alten Tagen zu pflegen bzw. pflegen zu lassen.
Nach dem mit den Eltern abgeschlossenen —formularmäßigen— Mietvertrag vom begann das Mietverhältnis zwischen ihnen und dem Kläger am . Die Miete betrug monatlich 500 DM und war unbar auf ein Konto des Klägers zu zahlen. Die Nebenkosten für Heizung, Wasser, Abwasser und Müllabfuhr sollten in Form monatlicher Abschlagszahlungen erhoben und jährlich nach dem Stichtag 31. Dezember abzurechnen sein. Sonstige Vereinbarungen über Nebenkosten oder die Kostenpflicht zu Schönheitsreparaturen enthält der Vertrag nicht. Das Wohnungsrecht wurde als beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Eltern des Klägers am in das Grundbuch eingetragen.
Im Jahre 1993 baute der Kläger an die Erdgeschosswohnung, die er selbst bewohnte, einen Windfang (6 qm groß) an, führte umfangreiche Renovierungen im Erd- und Obergeschoss sowie an der Fassade und am Dach durch und errichtete eine Garage für eigene Zwecke. Für den Windfang und die Garage wandte er 28 000 DM auf, für die Renovierungsmaßnahmen insgesamt 86 396,84 DM.
In der Steuererklärung für das Streitjahr 1993 machte der Kläger —im Rahmen der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau— hinsichtlich der Obergeschosswohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab in Höhe von ./. 22 360 DM geltend. Hierbei erklärte er u.a. Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 23 818 DM. Die Zahlungen an seine Eltern in Höhe von insgesamt 2 800 DM machte er als dauernde Last geltend.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zwar die dauernde Last, ließ jedoch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt und wies auch den Einspruch insoweit als unbegründet zurück: Für die Anerkennung des Mietverhältnisses fehle die Kausalität zwischen der Gebrauchsüberlassung der Obergeschosswohnung und der Mietzahlung durch die Eltern des Klägers, weil den Eltern das Nutzungsrecht an der Wohnung bereits aufgrund des im Übergabevertrag vereinbarten Wohnungsrechts zugestanden habe. Ferner halte der Mietvertrag einem Fremdvergleich nicht stand.
Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage insoweit statt (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 636).
Mit derRevision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der Mietvertrag sei zwar zivilrechtlich wirksam zustande gekommen und im Wesentlichen tatsächlich durchgeführt worden; er könne aber wegen Gestaltungsmissbrauchs nicht anerkannt werden. Es seien keine nichtsteuerlichen Gründe ersichtlich, für die Übertragung des Grundstücks einerseits eine dauernde Last zu vereinbaren und andererseits einen Mietvertrag abzuschließen. Hilfsweise wird geltend gemacht, die Vorentscheidung weiche vom (BFHE 178, 40, BStBl II 1996, 588) ab, indem das FG trotz der Qualifizierung der Renovierungsaufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten nur den auf den entgeltlichen Teil der Übertragung entfallenden Anteil dieser Aufwendungen als Herstellungskosten berücksichtigt habe.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung des FG-Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr einen Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und Verpachtung in der geltend gemachten Höhe erzielt hat.
1. Dem streitigen Mietverhältnis ist entgegen der Auffassung des FA nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung —AO 1977—) die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen.
a) Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: , BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; , BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen wurde.
aa) Dem Eigentümer eines Immobilienobjekts steht es nämlich frei, dieses ohne jede Auflage oder Einschränkung zu übertragen oder im Zuge der entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung mit dem Erwerber eine —wie auch immer geartete— Nutzungsmöglichkeit für sich vorzusehen (vgl. , BFHE 156, 403, BStBl II 1989, 872). Deshalb ist es nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nicht unangemessen, ein Grundstück unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Mietvertrages mit dem vormaligen Eigentümer —auch wenn es sich um einen Angehörigen handelt— zu übertragen (vgl. dazu , BFHE 178, 542, BStBl II 1996, 158; vom IX R 51/94, BFH/NV 1997, 404; , BFH/NV 1997, 406, m.w.N.).
Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass die Eigentumsübertragung einerseits und die anschließende Vermietung andererseits jeweils zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und deshalb auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander zu beurteilen sind.
bb) Ob das Eigentum entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wurde, ist danach für die Prüfung von Nutzungsverhältnissen zwischen dem Übertragenden und dem Erwerber am Maßstab des § 42 AO 1977 ebenso wenig von Bedeutung (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 178, 542, BStBl II 1996, 158, betreffend die Vermietung einer zuvor von der Mieterin entgeltlich übertragenen Wohnung), wie die Art der Entgeltvereinbarung. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Kaufpreis für das Grundstück in einem Betrag oder in Raten beglichen oder gestundet wird. Für die Übertragung gegen Versorgungsleistungen —wie im Streitfall— gilt nichts anderes (vgl. , BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609; vom IX R 72/90, BFHE 169, 317, BStBl II 1993, 486; vom X R 34/89, BFHE 170, 76, BStBl II 1996, 663; Seithel, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1993, 674, 677).
cc) In Folge dessen kann ein Gestaltungsmissbrauch nicht allein mit der Begründung bejaht werden, die im Zusammenhang mit dem Erwerb vereinbarte Versorgungsleistung an den Übertragenden (als dauernde Last) entspreche der Höhe nach im Wesentlichen der vereinbarten Miete (vgl. auch Stöcker, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1991, 80, 81; Spiegelberger, Die Steuerberatung —Stbg— 1995, 481, 486 f.; a.A. , juris-Dokument-Nr. STRE200170117; Stein, Finanz-Rundschau —FR— 1999, 474, 475).
Insbesondere ist jede der Vereinbarungen für sich allein —wirtschaftlich— sinnvoll. Wer sein Grundstück gegen Versorgungsleistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge überträgt, erhält damit die Mittel für seinen Lebensunterhalt, die er gleichermaßen für die Anmietung des übertragenen Objekts oder eines fremden Objekts verwenden kann; der Erwerber erhält durch die Eigentümerstellung eine vermietbare Immobilie, deren Nutzbarkeit nicht auf die Vermietung an den Übertragenden beschränkt ist, sondern gleichermaßen eine Fremdvermietung eröffnet (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N).
c) Auch ein Nebeneinander von Wohnungsrecht und Mietvertrag ist zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Über dieselbe Wohnung kann ein Mietvertrag und gleichzeitig oder auch nachträglich ein dingliches Nutzungsrecht bestellt werden (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs —BGH— vom V ZR 68/72, Der Deutsche Rechtspfleger, 1974, 187; vom V ZR 221/64, Betriebs-Berater 1968, 767; vom V ZR 29/98, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht —ZIP— 1999, 404; Schön, Der Nießbrauch an Sachen, S. 372 f.; Rothe in Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des BGH, § 1093 Rn. 5). Dementsprechend steht ein Nebeneinander von Mietvertrag und Wohnungsrecht grundsätzlich auch der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Mietvertrags nicht entgegen (, BFHE 190, 125, BStBl II 1999, 826).
d) Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
2. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nicht gegeben und das Mietverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen.
a) Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Mietvertrag in fremdüblicher Weise —auch nach Auffassung des FA bürgerlich-rechtlich wirksam— abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt worden.
b) Der Auffassung des FA, allein die Vereinbarung eines Mietvertrages im Zusammenhang mit der Übertragung eines Grundstücks gegen Versorgungsleistungen als dauernde Last schließe die Anerkennung des Mietvertrages nach § 42 AO 1977 aus, ist nach den vorstehenden Ausführungen (II.1.b) nicht zu folgen. Für die Anerkennung eines Mietverhältnisses ist es unerheblich, ob der Vermieter das betroffene Objekt zuvor von dem Mieter entgeltlich oder unentgeltlich erworben hat.
3. Die Revision führt auch nicht aus den vom FA hilfsweise vorgetragenen Gründen zum Erfolg.
Gegen die tatsächliche Würdigung des FG, die im Haus des Klägers durchgeführten Renovierungsarbeiten hätten Erhaltungsaufwand betroffen, hat das FA keine Einwendungen erhoben; sie ist vom Senat als mögliche Würdigung zugrunde zu legen. Als Erhaltungsaufwendungen sind sie allerdings entgegen der Auffassung des FA nach der zwischenzeitlich geänderten Rechtsprechung des Senats nicht mehr allein wegen ihrer Höhe und ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung der Immobilie als sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten, sondern —entsprechend der Behandlung durch das FG— als sofort abziehbare Werbungskosten zu berücksichtigen (, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569).
4. Die Sache ist spruchreif. Insbesondere ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG davon auszugehen, dass der aus dem übernommenen Vermögen erzielbare —nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) zu ermittelnde— Nettoertrag ausreicht, um die dauernde Last gegenüber den Eltern des Klägers zu erbringen und damit die Voraussetzungen für deren Abzug als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes zu erfüllen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 643
BB 2004 S. 920 Nr. 17
BFH/NV 2004 S. 680 Nr. 5
BStBl II 2004 S. 643 Nr. 14
DB 2004 S. 793 Nr. 15
DStRE 2004 S. 455 Nr. 8
FR 2004 S. 714 Nr. 12
INF 2004 S. 326 Nr. 9
KÖSDI 2004 S. 14166 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2005 S. 4255
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2005 S. 4360
StB 2004 S. 162 Nr. 5
RAAAB-17870