BFH Beschluss v. - II B 120/02

Nichterscheinen eines Notars als Zeugen, der sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft

Gesetze: FGO §§ 84, 82; AO § 102

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss vom 2 K 754/97

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hatte in dem Rechtsstreit der Kläger gegen das beklagte Finanzamt (FA) wegen Grunderwerbsteuer mit Verfügung des Vorsitzenden Richters des zuständigen Senats vom den Rechtsanwalt und Notar X (Beschwerdeführer) zu der auf den anberaumten mündlichen Verhandlung als Zeugen geladen. Nach der am mit Postzustellungsurkunde bekannt gegebenen Ladung sollte der Beschwerdeführer dazu vernommen werden, ob „die in der Urkunde…enthaltene Formulierung,…, dem seinerzeit zum Ausdruck gebrachten Willen des Anbietenden„ entspreche.

Mit Schreiben vom , welches am beim FG einging, berief sich der Beschwerdeführer auf sein Auskunftsverweigerungsrecht als Notar und kündigte an, er werde zur Beweisaufnahme nicht erscheinen. Er sei nur dann zur Aussage bereit, wenn die Vertragsbeteiligten ihn von der Verschwiegenheitspflicht entbinden oder die Notarkammer mitteile, dass es einer Verschwiegenheitsentbindung nicht bedürfe.

Der Senatsvorsitzende teilte dem Beschwerdeführer daraufhin am per Fax mit, dass nach Auffassung des Gerichts zu dem in der Ladung angegebenen Beweisthema eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht erforderlich sei.

Zum Termin am erschien der Beschwerdeführer nicht.

Das FG setzte gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss vom ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 €, ersatzweise eine Ordnungshaft von einem Tag fest. Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer ordnungsgemäß als Zeuge geladen worden sei und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt habe. Denn selbst wenn dem Beschwerdeführer ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden hätte, hätte ihn dieses gleichwohl nicht davon befreit, zu dem Termin zu erscheinen.

Der Beschwerdeführer hat Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Ordnungsgeldbeschluss sei sachlich und rechtlich nicht begründet.

II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat zu Unrecht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld festgesetzt. Das FG hat den Beschwerdeführer zwar ordnungsgemäß geladen; dieser war aber nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 386 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht verpflichtet, in dem zur Vernehmung bestimmten Termin zu erscheinen. Nach dieser Vorschrift ist ein Zeuge trotz ordnungsgemäßer Ladung von seiner Pflicht zu erscheinen befreit, wenn er seine Zeugnisverweigerung ordnungsgemäß nach § 386 Abs. 1 ZPO vor dem Termin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt hat.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Der Beschwerdeführer hat dem FG vor dem Termin schriftlich mitgeteilt, dass er im Hinblick auf das ihm mitgeteilte Beweisthema als seinerzeit amtierender Notar ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 84 FGO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b der Abgabenordnung (AO 1977) habe und Angaben hierzu nur machen könne, wenn die Vertragsbeteiligten ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht nach § 18 Abs. 1 und 2 der Bundesnotarordnung (BNotO) befreiten. Diese Erklärung reichte aus, um den Beschwerdeführer davon zu befreien, vor Gericht zu erscheinen. Denn dem FG waren damit alle Umstände bekannt und glaubhaft gemacht, aus denen der Beschwerdeführer sein Auskunftsverweigerungsrecht herleitete. Anhaltspunkte dafür, dass das geltend gemachte Zeugnisverweigerungsrecht nicht die gesamte Beweisfrage erfasste, sind nicht ersichtlich. Diese zielte darauf ab festzustellen, ob das vom Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Notar Beurkundete dem wirklichen Willen der Vertragsparteien (hier des Anbietenden) entsprochen hat. Zu dieser Beweisfrage konnte der Beschwerdeführer nur beitragen, wenn er berechtigt war, die vor und bei der Beurkundung abgegebenen und ihm damit bei Ausübung seines Amtes bekannt gewordenen (§ 18 Abs. 1 BNotO) Erklärungen der Vertragsparteien zu offenbaren.

Die Frage, ob die vom Beschwerdeführer angegebene Begründung tatsächlich zur Auskunftsverweigerung berechtigte, hat im Übrigen keinen Einfluss auf seine Erscheinenspflicht. Vielmehr bleibt der Zeuge, der sich nach § 386 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, solange von seiner Pflicht, vor Gericht zu erscheinen befreit, bis im Zwischenstreit über die Zeugnisverweigerung nach § 387 ZPO rechtskräftig sein Verweigerungsgrund für unberechtigt erklärt und er sodann erneut als Zeuge geladen ist (vgl. hierzu: Damrau in Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 386 Rdnr. 7). Die bloße Mitteilung des Senatsvorsitzenden, nach Auffassung des Gerichts sei eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht erforderlich, führte deshalb nicht dazu, dass der Beschwerdeführer vor Gericht zu erscheinen hatte. Entgegen der Auffassung des FG bedarf es in den Fällen des § 386 Abs. 3 ZPO auch keiner „anders lautenden Mitteilung des Gerichts„. Ein Zeuge, der sich nach § 386 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, kann auch ohne ausdrückliche Genehmigung des Gerichts dem Termin fernbleiben.

Das FG beruft sich im Übrigen zu Unrecht auf den (BFH/NV 1994, 640). Anders als im Streitfall fehlte es in dem dort entschiedenen Fall an einer ordnungsgemäßen Zeugnisverweigerung i.S. von § 386 ZPO.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen in sinngemäßer Anwendung des § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 467 der Strafprozessordnung der Staatskasse zur Last (vgl. , BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 658
BFH/NV 2004 S. 658 Nr. 5
XAAAB-17291