BGH Beschluss v. - 5 StR 215/22

Eröffnung des Hauptverfahrens in reduzierter Besetzung; Verfahrenshindernis

Gesetze: § 199 Abs 1 StPO, § 260 Abs 4 S 2 StPO, § 76 Abs 2 S 1 GVG, § 244 Abs 1 Nr 1 StGB

Instanzenzug: Az: 517 KLs 17/21

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: Den Angeklagten V.    S.    wegen unerlaubten Waffenbesitzes in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit „Waffendiebstahl“ sowie „wegen sechs Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz – hiervon unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in vier Fällen –” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten; den Angeklagten I.    S.    wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit „Waffendiebstahl“ sowie wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

2Die jeweils mit der Sachrüge geführten Rechtsmittel der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

31. Bezüglich der unter Ziffer II.2 a) bis f) der Urteilsgründe festgestellten Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten V.    S.    und bezüglich des unter Ziffer II.3 der Urteilsgründe festgestellten Diebstahls des Angeklagten I.    S.     fehlt es – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – jeweils an einer Verfahrensvoraussetzung. Denn den Taten unter II.2 der Urteilsgründe liegt eine Anklageschrift vom aus einem anderen Verfahren zugrunde, der Tat unter II.3 der Urteilsgründe eine Anklageschrift vom aus einem anderen Verfahren; beide hat das Landgericht am ersten Hauptverhandlungstag in hiesiger Sache nach Hinzuverbindung des anderen Verfahrens in der für die Hauptverhandlung beschlossenen Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen unter Eröffnung des Hauptverfahrens ebenfalls zur Hauptverhandlung zugelassen. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:

Dass die im Protokoll erwähnte „Beratung“ unter Zuziehung eines dritten Berufsrichters und Ausschluss der Schöffen stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich. Da die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage, auch wenn sie in bereits laufender Hauptverhandlung vorgenommen wird, stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, mithin mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen (§ 199 Abs. 1 StPO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG) zu ergehen hat, ist eine Entscheidung unter Mitwirkung von nur zwei Berufsrichtern unwirksam, was ein im selben Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis zur Folge hat (vgl. nur Senat, Beschluss vom – 5 StR 373/20, NStZ-RR 2020, 376).

4Dem schließt sich der Senat an und stellt das Verfahren insoweit ein.

52. Die Verfahrenseinstellung bedingt die Neufassung der Schuldsprüche. Diese war mit Blick auf § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO aber auch deshalb geboten, weil ein „Waffendiebstahl“ im Gesetz nicht vorgesehen ist; die § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB betreffende gesetzliche Überschrift lautet „Diebstahl mit Waffen“ (zur Bezeichnung des nur von dem Angeklagten V.    S.     begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz vgl. Rn. 2).

63. a) Aus den nach der teilweisen Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten V.    S.     verbleibenden Einzelstrafen ist eine neue Gesamtstrafe zu bilden; dies kann – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – nach § 354 Abs. 1b StPO im Beschlussverfahren gemäß den §§ 460, 462 StPO geschehen.

7b) Die Teileinstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten I.    S.     bedingt die Aufhebung des ihn betreffenden Gesamtstrafenausspruchs. Die verbleibende Freiheitsstrafe von zwei Jahren hat hingegen Bestand. Allerdings war das Urteil insoweit aufzuheben, als eine Entscheidung der Strafkammer über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung unterblieben ist. Das Landgericht hat diese Frage nicht geprüft, weil es unter Einbeziehung der für den Diebstahl im Fall II.3 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gelangt war. Nachdem in diesem Verfahren aber nunmehr eine – grundsätzlich aussetzungsfähige – Freiheitsstrafe von zwei Jahren verbleibt, ist diese Prüfung nachzuholen.

8Die Feststellungen zum Strafausspruch sind davon nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben und sind gegebenenfalls durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen zu ergänzen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:140922B5STR215.22.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-24100