BFH Urteil v. - X R 35/05 BStBl 2007 II S. 445

Keine Abgeltung der Kfz-Nutzung für andere Einkünfte durch 1-v.H.-Regelung

Leitsatz

Die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zur Erzielung von Überschusseinkünften ist durch die Bewertung der privaten Nutzung nach der 1 v.H.-Regelung nicht mit abgegolten. Sie ist vielmehr mit den auf sie entfallenden tatsächlichen Selbstkosten als Entnahme zu erfassen.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1 Satz 2EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2

Instanzenzug: (EFG 2006, 403) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Ehegatten zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1999 zusammenveranlagt. Der Kläger war als Prokurist bei einer Fabrik beschäftigt. Außerdem betrieb er in den Räumlichkeiten einer Tanzschule eine Schankwirtschaft. Im Betriebsvermögen der Schankwirtschaft hielt der Kläger einen PKW, den er auch für außerbetriebliche Fahrten verwendete. Die außerbetriebliche Nutzung des PKW wurde in der Gewinnermittlung mit 1 v.H. des Bruttolistenpreises je Kalendermonat als Entnahme erfasst (sog. 1 v.H.-Regelung, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des EinkommensteuergesetzesEStG—). Die Aufwendungen für die Fahrten mit dem PKW zu seiner Arbeitsstätte in der Fabrik setzte der Kläger mit den Kilometer-Pauschbeträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG —im Streitjahr in Höhe von 2 904 DM— als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an.

Im Anschluss an eine Außenprüfung im Gewerbebetrieb des Klägers vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, die Nutzung des betrieblichen PKW im Rahmen einer anderen Einkunftsart werde von der pauschalierenden Listenpreisregelung nicht erfasst. Der Wert der Nutzungsentnahme sei daher wegen der Verwendung des Fahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte —über den sich nach der 1 v.H.-Regelung ergebenden Betrag von 4 731 DM hinaus— nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG um weitere 5 620 DM zu erhöhen. Den zusätzlichen Betrag ermittelte das FA durch Aufteilung der tatsächlich durch den PKW verursachten Kosten im Verhältnis der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstättezur Gesamtfahrleistung des PKW. Es erging ein entsprechend geänderter Einkommensteuerbescheid.

Die dagegen erhobene Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 403 abgedruckt.

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stelle auf die „private” Nutzung des Kraftfahrzeugs ab und sei dahin gehend zu verstehen, dass von der 1 v.H.-Regelung nur Privatfahrten ohne Bezug zu einer steuerlich relevanten Einkunftsart umfasst seien. Demgegenüber betreffe § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG die Entnahmen des Steuerpflichtigen „für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke”. Die voneinander abweichenden Formulierungen sprächen dafür, dass der Gesetzgeber bei Abfassung der beiden Vorschriften jeweils unterschiedliche Formen der Entnahme im Sinn gehabt habe. Nutze der Steuerpflichtige ein Kraftfahrzeug des Betriebsvermögens für private Zwecke und zusätzlich zur Erzielung nicht betrieblicher Einkünfte, so sei daher zum einen für die private Nutzung die 1 v.H.-Regelung und zum anderen für die andere betriebsfremde Nutzung ein weiterer Entnahmetatbestand nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG anzusetzen.

Das FA beantragt, das angegriffene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie machen geltend, der typisierende Ansatz der privaten Nutzungsentnahme nach der 1 v.H.-Regelung bewirke im Ergebnis, dass die darüber hinausgehenden Aufwendungen für das Kraftfahrzeug als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. In bestimmten, besonders gelagerten Sachverhalten sei dieses steuerliche Ergebnis zwar nicht befriedigend. Dies dürfe aber nicht zu einer Entscheidung gegen den Wortlaut des Gesetzes Anlass geben. Die gesetzliche Regelung sei durch die Befugnis des Gesetzgebers, zur Ordnung von Massenerscheinungen typisierende Regelungen zu treffen, hinreichend gerechtfertigt.

II.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Der angegriffene Einkommensteuerbescheid verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Das FA hat den gewerblichen Gewinn des Klägers zutreffend um den auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Teil des Aufwands für den betrieblichen PKW erhöht. Die Verwendung des Fahrzeugs zur Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist nicht bereits durch die Besteuerung der privaten Nutzung als Entnahme im Rahmen der 1 v.H.-Regelung abgegolten worden.

2. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der sich durch Betriebsvermögensvergleich ergebende Unterschiedsbetrag um den Wert der Entnahmen zu vermehren. Entnahmen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG „alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahrs entnommen hat”. Der Klammerzusatz verdeutlicht, dass auch die Nutzung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens für außerbetriebliche Zwecke als Entnahme zu behandeln ist (vgl. , BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8). Der in der außerbetrieblichen Nutzung liegende Werttransfer ist durch Stornierung von betrieblich verbuchtem Aufwand mittels Hinzurechnung einer entsprechenden Entnahme rückgängig zu machen (vgl. Senatsurteil vom X R 57/93, BFHE 185, 230, BFH/NV 1998, 1160, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1998, 887).

3. Für die Bewertung der Entnahmen sieht § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG im Regelfall den Ansatz mit dem Teilwert vor. Wie schon aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu § 6 Abs. 1 EStG und aus der Teilwertdefinition in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG folgt, gilt diese Vorschrift allerdings nur für bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter (BFH-Urteil in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8; Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rdnr. E 17). Nach ganz herrschender Auffassung regelt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG daher lediglich die Bewertung der Sach-Entnahmen und trifft für die Bewertung der Nutzungs-Entnahmen keine Aussage (vgl. , BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395, m.w.N.). Die insoweit für die Bewertung von Nutzungsentnahmen bestehende Gesetzeslücke hat der BFH in ständiger Rechtsprechung in der Weise geschlossen, dass der durch diese verursachte Aufwand und damit die tatsächlichen Selbstkosten als entnommen angesetzt werden (BFH-Entscheidungen vom GrS 2/86, BFHE 151, 523, 534, BStBl II 1988, 348, 353; in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8; vom X R 1/92, BFHE 173, 356, BStBl II 1994, 353; in BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395). Die Besteuerung als Nutzungsentnahme ist damit das steuerrechtliche Korrektiv zur Neutralisierung außerbetrieblich veranlassten Aufwands, der wegen der einheitlichen Zuordnung gemischt genutzter Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen in der Gewinnermittlung zunächst gewinnmindernd erfasst worden ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 185, 230, BFH/NV 1998, 1160, DStR 1998, 887).

An diesen Grundsätzen hält der erkennende Senat auch für den Streitfall fest. Die mittlerweile erfolgte Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 2 EStG durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) lässt zwar erkennen, dass der Gesetzgeber offenbar eine Bewertung bestimmter Nutzungsentnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG für vorstellbar hält. Die neu eingefügte Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Fälle, in denen der Steuerpflichtige die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs (gemeint wohl: deren Wert) nach dieser Vorschrift ermittelt, gilt allerdings erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem beginnen (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG). Zudem geht auch der Gesetzgeber in den von der Änderung betroffenen Fällen letztlich von einem Wertansatz mit den tatsächlichen Aufwendungen und nicht mit dem Teilwert aus (vgl. BTDrucks 16/634, S. 10). Jedenfalls im Ergebnis deckt sich dies mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Bewertungsmaßstäben.

4. Für die Verwendung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu bestimmten außerbetrieblichen Fahrten gilt seit Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) eine spezialgesetzliche Regelung, die von den genannten Bewertungsgrundsätzen abweicht. Danach ist die private PKW-Nutzung regelmäßig für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen.

Die abgeltende Wirkung der Bewertung mit 1 v.H. des Bruttolistenpreises bezieht sich indessen nur auf die Kraftfahrzeugnutzung zu Zwecken, die dem nach § 12 Nr. 1 EStG einkommensteuerlich unbeachtlichen Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen sind. Nutzungsentnahmen, die —wie im Streitfall— im Zusammenhang mit der Verwendung des Fahrzeugs zur Erzielung anderweitiger steuerbarer Einkünfte stehen, sind durch die 1 v.H.-Regelung dagegen nicht erfasst.

a) Entgegen der Ansicht der Kläger gebietet der Gesetzeswortlaut es nicht, der Vorschrift eine abschließende Bedeutung für die Bewertung sämtlicher Nutzungsentnahmen zu außerbetrieblichen Zwecken beizulegen.

§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG selbst regelt nur den Entnahmewert für die „private” Nutzung eines (betrieblichen) Kraftfahrzeugs. Eine nähere Festlegung, welche Nutzungszwecke davon im Einzelnen erfasst und abgegolten werden sollen, enthält die Norm dagegen nicht.

Damit verglichen beziehen sich sowohl der gesetzliche Entnahmetatbestand in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG als auch die allgemeine (wenn auch nicht für Nutzungsentnahmen geltende) Entnahmebewertungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG jeweils auf die Entnahmen des Steuerpflichtigen „für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke”. In beiden Vorschriften bildet daher nicht der Begriff der „privaten” Zwecke, sondern derjenige der „betriebsfremden” Zwecke den abschließenden, gemeinsamen Oberbegriff zur Umschreibung des Veranlassungszusammenhangs aller nach dem Gesetz als Entnahme zu behandelnden Betriebsvermögensminderungen. Mit dieser Begriffsbildung wird verdeutlicht, dass die in den genannten Vorschriften näher bezeichneten Zwecke der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen („für sich” bzw. „für seinen Haushalt”) nur einen Ausschnitt aus der Gesamtheit aller denkbaren betriebsfremden Zwecke abbilden sollen.

Offen bleibt in diesem Zusammenhang allerdings, ob das Gesetz auch die PKW-Verwendung zu anderen als den beschriebenen betriebsfremden Zwecken und insbesondere dessen Einsatz zur Erzielung anderer, betriebsfremder Einkünfte noch als „private” Nutzung verstanden wissen will. Dass in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gerade dieser Begriff anstelle des im vorangehenden Satz 1 enthaltenen, weiter reichenden Begriffs der „betriebsfremden” Nutzung herangezogen wird, legt indessen —ohne dass der Gesetzeswortlaut insoweit eindeutig wäre— eher die Annahme des Gegenteils nahe.

b) Anhaltspunkte für eine umfassende Abgeltungswirkung sind auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. In der Begründung zur Stellungnahme des Bundesrats zum JStG 1996 (BTDrucks 13/1686, S. 8), auf dessen Initiative die 1 v.H.-Regelung beruht, werden die Begriffe „private Nutzung” und „Privatfahrten” zwar wiederholt verwendet, ohne sie dabei allerdings näher zu erläutern. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber lediglich den typischen Regelfall im Blick hatte, dass der Steuerpflichtige zur Einkünfteerzielung nur einen einzigen Betrieb unterhält, ohne daneben weitere ins Gewicht fallende einkommensteuerlich relevante Betätigungen zu entfalten, für die er das zu seinem Betriebsvermögen gehörende Kraftfahrzeug in nennenswertem Umfang einsetzen könnte.

c) Die durch den Streitfall aufgezeigte, vom Gesetzgeber offenbar nicht bedachte Regelungslücke ist daher in sachgerechter und am Normzweck orientierter Auslegung dahin gehend zu schließen, dass mit der Entnahmebewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nur solche PKW-Nutzungen erfasst und abgegolten werden, die dem einkommensteuerlich unbeachtlichen Bereich der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) zuzurechnen sind (Nutzungsentnahmen des Steuerpflichtigen „für sich” oder „für seinen Haushalt”). Dazu können etwa Urlaubs-, Wochenend- und andere Freizeitfahrten oder Fahrten zum Arzt oder zu einem anderen privaten Termin zählen (Nolte in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Anm. 1203a). Für die Nutzung zu anderen betriebsfremden Zwecken verbleibt es dagegen bei dem von der Rechtsprechung entwickelten Bewertungsansatz der tatsächlichen Selbstkosten. Die sich daraus ergebenden Entnahmewerte müssen gegebenenfalls auch nebeneinander in Ansatz gebracht werden.

aa) Nach Sinn und Zweck der Regelung und nach der Systematik der Gewinnermittlungsvorschriften ist die Verwendung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeugs im Rahmen eines anderen Betriebes des Steuerpflichtigen zwar eine „betriebsfremde”, aber keine „private” Nutzung, auf die § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG seinem Tatbestand nach nicht anwendbar ist.

Unterhält der Steuerpflichtige nämlich mehrere Betriebe, so wäre es sachlich verfehlt, bei der erforderlichen getrennten Ermittlung des Gewinns die Verwendung eines im Betriebsvermögen des ersten Betriebes gehaltenen Kraftfahrzeugs in seinem zweiten Betrieb im Rahmen der Gewinnermittlung des ersten Betriebes als „private Nutzung” zu behandeln und die Nutzungsentnahme nach der 1 v.H.-Regelung zu bewerten. Denn der mit dem Einsatz des Fahrzeugs verbundene Aufwand ist in dem zweiten Betrieb in Höhe der tatsächlichen Selbstkosten gewinnmindernd im Wege einer Aufwandseinlage geltend zu machen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, 534, BStBl II 1988, 348, 353; Schmidt/Glanegger, EStG, 25. Aufl., § 6 Rz 440). Von diesem Einlagewert würde ein nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelter Entnahmewert im ersten Betrieb indessen regelmäßig erheblich abweichen, wobei die Abweichung je nach Umfang der PKW-Verwendung im zweiten Betrieb in dem einen Fall zugunsten des Steuerpflichtigen und im anderen Fall zu seinen Ungunsten ausfallen würde. Ein solches unzutreffendes steuerliches Ergebnis ließe sich auch durch den grob typisierenden Charakter der 1 v.H.-Regelung nicht rechtfertigen.

Aus Sicht des ersten Betriebes erfüllt die Verwendung des Fahrzeugs im zweiten Betrieb daher zwar den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, richtigerweise allerdings nicht in Gestalt der Entnahme einer „privaten Nutzung” i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, sondern in Form einer Nutzungsentnahme „für andere betriebsfremde Zwecke”. Daraus folgt weiter, dass die Entnahme des PKW für Zwecke des zweiten Betriebes nicht mit 1 v.H. des Bruttolistenpreises, sondern —ebenso wie dort die Aufwandseinlage— mit den anteiligen Selbstkosten des Steuerpflichtigen (vgl. Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz. 188b, m.w.N.) zu bewerten ist.

Bei diesem Ergebnis hat es konsequenterweise auch dann zu verbleiben, wenn zur Verwendung des Kraftfahrzeugs im Rahmen zweier getrennter Betriebe noch eine Nutzung zu Zwecken der privaten Lebensführung hinzutritt. Wegen der hinzukommenden privaten Nutzung ist dann zwar zusätzlich noch ein Entnahmewert nach der 1 v.H.-Regelung anzusetzen. Dieser Wert kann jedoch die Verwendung des Fahrzeugs in dem zweiten Betrieb nicht mit abgelten, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG folgerichtig auch insoweit nicht vorliegen können. Hierfür sind nach wie vor die tatsächlichen Selbstkosten anzusetzen.

bb) Unterfällt aber die Verwendung des Fahrzeugs in einem zweiten Betrieb, den der Steuerpflichtige im Rahmen einer Gewinneinkunftsart unterhält, nicht dem Begriff der „privaten” Nutzung, so kann derselbe Begriff bei verfassungskonformer Auslegung —entgegen der Ansicht des FG— nicht dahin gehend verstanden werden, dass er zumindest die Verwendung des betrieblichen Kraftfahrzeugs zur weiteren Einkünfteerzielung im Rahmen der Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG) mit umfasst.

Die damit verbundenen Aufwendungen des Betriebes sind in diesem Falle zwar keine Aufwandseinlage bei den weiteren, betriebsfremd erzielten (Überschuss-)Einkünften; sie stellen dort jedoch Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG dar und mindern dadurch die Höhe der weiteren Einkünfte in gleicher Weise. Unter dieser Voraussetzung aber bestünde für eine unterschiedliche Behandlung der Nutzungsentnahme in der Gewinnermittlung des Betriebes je nach Zuordnung der weiteren Einkünfte zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG oder zu § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG kein sachlicher Grund. Die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG allein kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine Ungleichbehandlung in den Rechtsfolgen nicht rechtfertigen (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 363 f., Der Betrieb —DB— 1991, 2522, 2524; vom 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6, BStBl II 1997, 518; vom 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95, DStR 1998, 1743, 1745).

cc) In den vom Gesetzgeber offen gelassenen atypischen Fällen der PKW-Verwendung sowohl für Fahrten zu Zwecken der privaten Lebensführung als auch für Fahrten, die der Erzielung anderweitiger Einkünfte dienen, ist der Ansatz einer zusätzlichen Nutzungsentnahme neben der 1 v.H.-Regelung zur Vermeidung unangemessener, dem Grundsatz gleichmäßiger Besteuerung widersprechender Ergebnisse zudem sachlich geboten.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG wird der betriebliche Gewinn dadurch ermittelt, dass der durch Betriebsvermögensvergleich errechnete Unterschiedsbetrag um den Wert der Entnahmen vermehrt wird. Der Gesamtwert aller Nutzungsentnahmen aber wird in Fällen, in denen das Fahrzeug sowohl zu Privatfahrten für Belange der persönlichen Lebensführung als auch im Zusammenhang mit der Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte eingesetzt worden ist, regelmäßig erheblich höher sein, als wenn der Steuerpflichtige den PKW betriebsfremd nur zu einkommensteuerlich unbeachtlichen Belangen i.S. des § 12 Nr. 1 EStG verwendet. Durch den Ansatz nach der 1 v.H.-Regelung würde der solchermaßen erhöhte Entnahmewert nur unzulänglich abgebildet werden.

Nach Auffassung des erkennenden Senats wäre es daher sachlich nicht gerechtfertigt, dem Wertansatz dennoch eine umfassende Abgeltungswirkung auch für derartige (atypische) Fälle beizumessen, die der Gesetzgeber bei Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht im Blick gehabt hat. Anschaulich zeigt sich dies gerade am Streitfall, in dem die Nutzung des dem Gewerbebetrieb zugeordneten PKW des Klägers zu den Fahrten zwischen Wohnung und (außerbetrieblicher) Arbeitsstätte ungeachtet der weiteren betriebsfremden Fahrten zu Zwecken der privaten Lebensführung bereits einen Anteil von fast 49 v.H. an der Gesamtfahrleistung ausmachte. Das Erfordernis, diese Fahrten zusätzlich gesondert bewerten zu müssen, steht auch nicht in Widerspruch zu dem mit der grob typisierenden und pauschalierenden 1 v.H.-Regelung verfolgten Vereinfachungszweck (vgl. , BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273; vom X R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472). Denn der durch die Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte veranlasste Nutzungsumfang muss im Hinblick auf die steuerliche Berücksichtigung des damit verbundenen abzugsfähigen Aufwands —anders als der Umfang der Fahrten zu Zwecken der privaten Lebensführung— ohnehin im Einzelnen näher ermittelt werden.

dd) Zu Unrecht stützt das FG seine Entscheidung darauf, dass die Begleichung betriebsfremd veranlasster Verbindlichkeiten mit betrieblichen Mitteln als „Privatentnahme” zu erfassen sei und dass dies auch dann gelte, wenn die Verbindlichkeit im Zusammenhang mit einer auf die Erzielung etwa von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gerichteten Tätigkeit des Steuerpflichtigen entstanden ist.

Dass der Einsatz betrieblichen Barvermögens zur Tilgung außerbetrieblicher Verbindlichkeiten als Entnahme (in der Form einer Barentnahme) einzuordnen und als solche mit dem Teilwert des entnommenen Geldbetrags anzusetzen ist, folgt unmittelbar aus § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Im Rahmen dieser Vorschriften ist es mangels unterschiedlicher Rechtsfolgen unerheblich, ob die entnommenen Gelder zum privaten Konsum oder zur Erzielung anderweitiger Einkünfte bestimmt sind, da hier bereits die bloße Verwendungsabsicht zu „betriebsfremden Zwecken” ausreicht. Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der 1 v.H.-Regelung lässt sich daraus nichts herleiten, denn die spezialgesetzliche Bewertungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG knüpft ausdrücklich an die „private” und nicht an die „betriebsfremde” Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge an. Das Auslegungsergebnis zur Reichweite der Bewertungsvorschriften kann daher durchaus ein anderes sein.

d) Der im Schrifttum vereinzelt vertretenen Ansicht, der nach der 1 v.H.-Regelung versteuerte Betrag stehe neben den Aufwendungen für steuerlich nicht relevante Privatfahrten anteilig auch als fiktiver Aufwand für Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei anderen Einkünften zur Verfügung, wenn das (betriebliche) Kraftfahrzeug für einen anderen Betrieb oder für andere Einkunftsarten benutzt werde (Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz 419), folgt der Senat aus den dargelegten Gründen nicht.

Die (DStR 1999, 593) bezieht sich auf die Bestimmung des Sachbezugswerts privater PKW-Nutzung im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG), nicht aber auf die (hier streitige) Abgeltungswirkung der Nutzungsentnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Für die Auffassung, mit dem Ansatz von 1 v.H. des inländischen Listenpreises als steuerpflichtigem Sachbezug würden alle nicht für den Arbeitgeber durchgeführten Fahrten abgegolten, die nicht als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder als Familienheimfahrten durchgeführt werden, liefert sie zudem keine nähere Begründung.

5. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; sie war daher aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst und weist die Klage ab.

Entgegen der Rechtsauffassung des FG war der Entnahmewert aus der Verwendung des betrieblichen PKW zu betriebsfremden Zwecken nur insoweit nach der 1 v.H.-Regelung zu bestimmen, als die Entnahmen im Zusammenhang mit einer „privaten” Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Fahrten standen. Für die Verwendung des PKW zu Fahrten zwischen Wohnung und außerbetrieblicher Arbeitsstätte hatte es hingegen bei der Bewertung mit dem durch sie verursachten betrieblichen Aufwand und damit —wie im angegriffenen Einkommensteuerbescheid geschehen— beim zusätzlichen Ansatz der anteiligen tatsächlichen Selbstkosten zu verbleiben.

Wie das FG richtig erkannt hat, konnten diese Fahrten nicht im Wege einer nichtabziehbaren Betriebsausgabe in Höhe von 0,03 v.H. des Bruttolistenpreises je Kalendermonat und Entfernungskilometer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG) gewinnwirksam berücksichtigt werden. Die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers im Betrieb seines Arbeitgebers stellte schon begrifflich keine Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift dar. Außerdem handelte es sich bei den mit den betreffenden Fahrten verbundenen Aufwendungen bereits der Sache nach nicht um Betriebsausgaben, da die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht durch den Gewerbebetrieb des Klägers veranlasst waren (vgl. § 4 Abs. 4 EStG).

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 445
BB 2006 S. 2345 Nr. 43
BB 2007 S. 83 Nr. 2
BBK-Kurznachricht Nr. 21/2006 S. 1153
BFH/NV 2006 S. 2157 Nr. 11
BStBl II 2007 S. 445 Nr. 10
DB 2006 S. 2262 Nr. 42
DStR 2006 S. 1876 Nr. 42
DStRE 2006 S. 1431 Nr. 22
DStZ 2006 S. 750 Nr. 22
EStB 2006 S. 400 Nr. 11
FR 2007 S. 299 Nr. 6
GStB 2006 S. 42 Nr. 11
HFR 2006 S. 1204 Nr. 12
INF 2006 S. 844 Nr. 22
NJW 2007 S. 112 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2006 S. 3521
SJ 2006 S. 27 Nr. 23
StB 2006 S. 406 Nr. 11
StBW 2006 S. 2 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2006 S. 802
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2008 S. 162
WPg 2006 S. 1417 Nr. 22
ZAAAC-17017