BGH Urteil v. - II ZR 312/06

Leitsatz

[1] Das Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer GbR, deren Gesellschaftsvermögen aus einem GmbH-Anteil besteht, bedarf nicht schlechthin der notariellen Beurkundung entsprechend § 15 Abs. 4 GmbHG. Formbedürftig ist der Vertrag nur dann, wenn die Errichtung der GbR dazu dient, die Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG zu umgehen. Bei einer der Mitarbeiterbeteiligung dienenden GbR ist dies jedenfalls zu verneinen, wenn die Schutzzwecke der Formvorschrift nicht berührt sind.

Gesetze: GmbHG § 15 Abs. 4; BGB § 125

Instanzenzug: LG Wiesbaden, 1 O 176/05 vom OLG Frankfurt/Main, 4 U 32/06 vom

Tatbestand

Die Beklagten, Gesellschafter der L. -O. GmbH (im Folgenden: L-O GmbH), gründeten mit einer Beteiligung von je 50 % die L. -O. GbR (im Folgenden: L-O GbR). Die L-O GbR ist mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 5.000,00 € an der L-O GmbH beteiligt. Gesellschaftszweck der L-O GbR ist der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen ausschließlich an der L-O GmbH im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsmodell (§ 2 des GbR-Vertrages, im Folgenden: GbR-V). Nach § 8 GbR-V ("Stimmrechtspool") übt die Gesellschaft sämtliche Stimmrechte aus den an der L-O GmbH gehaltenen Geschäftsanteilen einheitlich aus, und zwar durch einen ihrer Gründungsgesellschafter.

§ 10 GbR-V "Verfügungen über Gesellschaftsanteile" lautet wie folgt:

(1) Verfügungen, Übertragung und Belastung mit Rechten Dritter über/von Gesellschaftsanteile(n) an der GbR bedürfen der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. ...

(2) Ausgenommen von Abs. (1) ist die Abtretung (§§ 398, 413 BGB) durch einen Gründungsgesellschafter an einen (gegenwärtigen oder künftigen) Mitarbeiter der GmbH, wofür die Zustimmung der zwei Gründungsgesellschafter erforderlich und ausreichend ist (solange diese Gesellschafter der Gesellschaft sind).

...

(5) Die Gesellschafter der GbR sind mit Ausnahme der Gründungsgesellschafter nicht berechtigt, über ihre Anteile ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung, die mit einfacher Mehrheit entscheidet, wobei der veräußerungswillige Gesellschafter kein Stimmrecht hat, zu verfügen. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Anteile auch nach ihrer Veräußerung im bisherigen Gesellschafterkreis bleiben.

(6) Unbeschadet der Bestimmung in Absatz 5 hat ein veräußerungswilliger Gesellschafter seine Veräußerungsabsicht spätestens am 30. September eines Jahres zuerst ausschließlich den Gründungsgesellschaftern der GbR mittels eingeschriebenem Brief anzuzeigen und ihnen seine Anteile zum Erwerb anzubieten. ...

Der Kläger, zu dieser Zeit Mitarbeiter der L-O GmbH, erwarb mit privatschriftlichem Vertrag vom 20. August/, ebenso wie zwei weitere Mitarbeiter, von den beiden Beklagten einen Anteil an der L-O GbR in Höhe von 1.000,00 € zu einem Kaufpreis von 20.000,00 €.

§ 1 des Anteilskaufvertrages lautet wie folgt:

1. Die Verkäufer verkaufen hiermit den Käufern den GbR-Anteil, einschließlich eines Guthabens auf den für sie bei der Gesellschaft gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft geführten Kapitalkontos (gemeint: Kapitalkonten) I von je 1.000,00 €, d.h. insgesamt 3.000,00 € und treten diesen an die Käufer zu gleichen Teilen ab. Die Käufer nehmen diesen Verkauf und diese Abtretung an.

2. Nach dem übereinstimmenden Willen der Verkäufer und der Käufer entspricht der den Käufern zu übertragende Anteil einem Anteil am Stammkapital der GmbH von insgesamt 3.000,00 € bzw. 1.000,00 € für jeden einzelnen der Käufer.

Der Kläger fordert den entrichteten Kaufpreis gemäß § 812 Abs. 1 BGB mit der Begründung zurück, der Anteilskaufvertrag sei nach § 125 Satz 1 BGB nichtig, weil er nicht entsprechend § 15 Abs. 4 GmbHG notariell beurkundet worden sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht (ZIP 2007, 2167) hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Anteilskaufvertrag sei nicht in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 4 GmbHG formbedürftig gewesen. Zweck der Vorschrift sei, einen schnellen, spekulativen Handel mit Anteilen an einer GmbH zu erschweren. Die Gefahr eines solchen Handels bestehe bei den Anteilen an der L-O GbR nicht. Deren Gesellschaftsvertrag gewährleiste durch seine Regelung in § 10, dass Anteile nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung übertragen werden dürfen und im bisherigen Gesellschafterkreis verbleiben.

II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Der Anteilskaufvertrag ist wirksam. Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 GmbHG erfordert nicht schlechthin, die Verpflichtung zur Übertragung des Anteils an einer GbR, deren Gesellschaftsvermögen aus einem GmbH-Anteil besteht, notariell zu beurkunden. Ein Umgehungsfall, in dem abweichend hiervon Formbedürftigkeit anzunehmen ist, liegt hier nicht vor.

1. Für den Fall der Verpflichtung zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein GmbH-Geschäftsanteil gehört, wird von der im Schrifttum vorherrschenden Ansicht unter Heranziehung der Grundgedanken der Senatsentscheidung BGHZ 86, 367 ff. (zu dem Fall einer Grundstücke haltenden GbR) die Ansicht vertreten, dieser Vertrag erfordere nicht die Form des § 15 Abs. 4 GmbHG, da der Erwerb der Mitberechtigung an dem GmbH-Geschäftsanteil nur eine gesetzliche Folge des Erwerbs der Mitgliedschaft und die Konsequenz davon sei, dass das Gesellschaftsvermögen auch bei einem Mitgliederwechsel stets der Gesellschaft zugeordnet bleibe (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders wird dies - auch für eine GbR, die Grundstücke hält - allerdings teilweise dann beurteilt, wenn sich der Zweck der Gesellschaft auf das Halten und Verwalten von GmbH-Geschäftsanteilen - bzw. von Grundstücken - beschränkt, weil dann ohne weiteres von einer objektiven Umgehung der Formvorschriften auszugehen sei (Hachenburg/Zutt, GmbHG 8. Aufl. § 15 Rdn. 21; Winter/Löbbe in Großkomm.z.GmbHG § 15 Rdn. 53; MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 719 Rdn. 36; Erman/H.P. Westermann, BGB 11. Aufl. § 719 Rdn. 10; K. Schmidt, BB 1983, 1697, 1702; a.A. Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil § 15 Rdn. 49; wohl auch H.Winter/Seibt in Scholz, GmbHG 10. Aufl. § 15 Rdn. 50 i.V.m. Rdn. 93; nicht differenzierend Hueck/ Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 15 Rdn. 35 i.V.m. Rdn. 27; Rowedder/Bergmann, GmbHG 4. Aufl. § 15 Rdn. 38; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 15 Rdn. 15).

2. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Es kann nicht anerkannt werden, dass in allen Fällen, in denen das Halten von GmbH-Anteilen der Haupt- oder alleinige Zweck einer GbR ist, ein derartiger Umgehungsfall vorliegt. Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 GmbHG, auf den es in diesem Zusammenhang allein ankommt, erfordert nicht die Einhaltung der notariellen Form für den Kauf eines solchen GbR-Anteils. Selbst wenn man im Ansatz der teilweise in der Literatur vertretenen Gegenansicht folgen wollte, wäre der Anteilskaufvertrag hier schon deswegen nicht wegen Formverstoßes nichtig, weil der Zweck der GbR nicht auf das Halten und Verwalten des GmbH-Anteils beschränkt ist, vielmehr dem legitimen Ziel der Mitarbeiterbeteiligung dient.

a) Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 GmbHG wird von einem Anteilskaufvertrag wie dem vorliegenden nicht tangiert.

aa) Die Wahrung der Form des § 15 Abs. 4 GmbHG dient zwei Zielen: Da das Mitgliedschaftsrecht in einer GmbH in der Regel einer besonderen Verbriefung in Gestalt eines Anteilsscheins ermangelt, dient es im Hinblick auf § 16 GmbHG der Beweiserleichterung, wenn die Rechtsübertragung dem Formzwang unterstellt ist (BGHZ 13, 49, 52). Weiterer - und nach dem Willen des historischen Gesetzgebers (stenografische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode - I Zession 1890/92, 5. Anlagenband 1892, Aktenstück 660, 3729) vorrangiger - Zweck ist es, den leichten und spekulativen Handel mit GmbH-Anteilen zu unterbinden bzw. ihn jedenfalls zu erschweren. Die Anteilsrechte an einer GmbH sollen nicht Gegenstand des freien Handelsverkehrs sein (BGHZ 13 aaO S. 51; 127, 129, 135; 141, 207, 211 f. m.w.Nachw.; so auch schon RGZ 135, 70, 71).

bb) Die Beweisfunktion des § 15 Abs. 4 GmbHG ist bei einem Gesellschafterwechsel auf Seiten der den Anteil haltenden GbR nicht tangiert. Im Sinne des § 16 GmbHG Inhaberin des Geschäftsanteils ist unverändert die GbR aufgrund des auf sie übertragenen Geschäftsanteils. Ein Wechsel in der personellen Zusammensetzung der GbR ändert hieran nichts. Ebenso wenig wird der GmbH-Anteil als solcher zum Gegenstand des freien Handelsverkehrs, wenn sich die Zusammensetzung der Gesellschafter auf Seiten der GbR ändert. Der GmbH-Anteil bleibt dadurch unverändert dem Rechtsträger, der GbR, zugeordnet. Mit ihm wird nicht "gehandelt". Deshalb bedarf nur der Vertrag, in dem sich die GbR zur Übertragung des von ihr gehaltenen GmbH-Geschäftsanteils an einen Dritten verpflichtet, der notariellen Form des § 15 Abs. 4 GmbHG.

b) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass die Gründung der L-O GbR auf eine Umgehung der Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG unter Ausnutzung der personengesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten abzielt, also nach der konkreten Ausgestaltung des Vertragswerks kein Umgehungsfall vorliegt.

aa) Die Errichtung der L-O GbR diente dem legitimen Ziel, einerseits die Mitarbeiter der L-O GmbH durch eine - mittelbare - Beteiligung am Gewinn der GmbH in ihrer Leistungsbereitschaft zu motivieren, andererseits aber auch dazu, die schützenswerten Interessen der Gründungsgesellschafter zu wahren, indem den Mitarbeitern kein unmittelbarer Einfluss auf die Entscheidungen in der GmbH eingeräumt wird, um dadurch auf der Ebene der GmbH unbeeinflusst die Geschäftspolitik bestimmen zu können.

bb) Einem unkontrollierten "Handel" mit der Beteiligung beugt das Vertragswerk vor: Anteile an der L-O GbR können nur Mitarbeiter der L-O GmbH und damit an dem wirtschaftlichen Erfolg der GmbH interessierte Personen erwerben. Im GbR-V ist der freie Handel mit den Gesellschaftsanteilen der Mitarbeiter dadurch ausgeschlossen, dass eine Übertragung nur an Mitgesellschafter oder an Mitarbeiter der GmbH möglich ist, weil nur in diesen Fällen die für die Übertragung erforderliche Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung erteilt wird. Hierdurch wird u.a. der Nachweis der Zusammensetzung der GbR-Gesellschafter und damit der Zusammensetzung des Inhabers des GmbH-Geschäftsanteils erleichtert. Zugleich wird sichergestellt, dass nur an dem geschäftlichen Erfolg der GmbH interessierte Personen mittelbar an dieser beteiligt sind.

cc) Entgegen der Ansicht der Revision spricht der Umstand, dass § 10 (8) GbR-V für den Fall einer Missachtung des Zustimmungserfordernisses zu einer "Verfügung" über den Gesellschaftsanteil i.S. des § 10 GbR-V eine Zahlungsverpflichtung des verfügenden Gesellschafters von mindestens 50.000,00 € vorsieht, nicht für, sondern gegen eine freie Handelbarkeit der GbR-Anteile und erst recht des von der L-O GbR gehaltenen GmbH-Geschäftsanteils. Auch das Erfordernis der notariellen Beurkundung in § 15 Abs. 4 GmbHG kann den Handel mit Geschäftsanteilen nicht ausschließen, sondern nur erschweren. Eine vergleichbare "Abschreckungswirkung" wird durch § 10 (8) GbR-V bewirkt und zwar in dem Sinn, dass sogar der Versuch eines Mitarbeiters, über seinen Gesellschaftsanteil ohne die erforderliche Zustimmung zu verfügen, mit einer Vertragsstrafe belegt ist.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1251 Nr. 24
BB 2010 S. 2771 Nr. 46
DB 2008 S. 980 Nr. 18
DNotZ 2008 S. 785 Nr. 10
DStR 2008 S. 1147 Nr. 24
DStZ 2008 S. 427 Nr. 13
GmbH-StB 2008 S. 168 Nr. 6
GmbHR 2008 S. 589 Nr. 11
KÖSDI 2008 S. 16044 Nr. 6
NJW-RR 2008 S. 773 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2008 S. 2218
WM 2008 S. 875 Nr. 19
WPg 2008 S. 583 Nr. 12
ZIP 2008 S. 876 Nr. 19
UAAAC-78114

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja