BGH Urteil v. - IX ZR 126/17

Schenkungsanfechtung: Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer freigiebigen Leistung des Schuldners

Leitsatz

Es ist bei der Schenkungsanfechtung nach objektiven Maßstäben aus der Sicht des Empfängers zu beurteilen, ob er eine Leistung des Schuldners erhalten hat.

Gesetze: § 129 Abs 1 InsO, § 134 Abs 1 InsO

Instanzenzug: Az: 14 U 43/15vorgehend Az: 8 O 425/13

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem über das Vermögen der E.    GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am eröffneten Insolvenzverfahren.

2Der Beklagte (früherer Beklagter zu 2) war mit 75,1 vom Hundert und der frühere Beklagte zu 1 mit 24,9 vom Hundert am Stammkapital der Schuldnerin beteiligt, die sich mit der Organisation und Vermittlung von Schülerabiturbällen befasste. Beide Gesellschafter verkauften ihre Geschäftsanteile durch notariellen Vertrag vom für insgesamt 400.000 €, wovon 360.000 € sofort gezahlt werden sollten, an R.             . Im Rahmen des Vertragsschlusses wurde der frühere Beklagte zu 1 von seinem Amt als Geschäftsführer der Schuldnerin abberufen und S.            zum neuen Geschäftsführer bestellt.

3Noch am wies R.     den Geschäftsführer S.      an, vom Geschäftskonto der Schuldnerin 360.000 € auf das Anderkonto des beurkundenden Notars zu überweisen. Dieser leitete nach Eingang der Zahlung entsprechend den Beteiligungsverhältnissen am 270.000 € an den Beklagten und 90.000 € an den früheren Beklagten zu 1 weiter. Eine von R.      dem Geschäftsführer S.      zum Zwecke der Deckung der Überweisung ausgehändigte "Money Pay Order" der W.           Bank über 996.810 US-Dollar erwies sich als wertlos.

4Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 270.000 € in Anspruch. Die Vorinstanzen haben der Klage - ein gegen den früheren Beklagten zu 1 auf Zahlung von 90.000 € ergangenes Versäumnisurteil ist rechtskräftig geworden - stattgegeben. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Gründe

5Die Revision des Beklagten hat Erfolg.

I.

6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

7Zutreffend sei das Erstgericht von einem Zahlungsanspruch des Klägers nach § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 und 2, § 129 Abs. 1 InsO ausgegangen. Der Beklagte sei richtiger Anfechtungsgegner. Im Ergebnis habe der Beklagte 270.000 € über den zwischengeschalteten Notar als teilweise Tilgung des Kaufpreises erhalten. Welche Leistungsvorgänge im bereicherungsrechtlichen Sinne dem Zahlungsvorgang zugrunde lägen, sei für den Anfechtungsanspruch nach § 134 InsO nicht erheblich. Jedenfalls ermögliche die Tilgung der fremden Schuld eines Dritten in der Insolvenz des Leistungsmittlers im Grundsatz eine Anfechtung gegen den Leistungsempfänger.

8Der Beklagte selbst habe den Umstand einer Überweisung vom Konto der Schuldnerin bei Erhalt der Folgeüberweisung des zwischengeschalteten Notars nicht erkannt. Eine Kenntnis des Notars könne ihm möglicherweise nur entsprechend § 166 BGB zugerechnet werden. Rechtlich entscheidend falle indessen ins Gewicht, dass dem Zahlungsempfänger bei der Anfechtung im Drei-Personen-Verhältnis das Insolvenzrisiko des Leistungsmittlers zugemutet werden könne.

9Die Leistung sei unentgeltlich erfolgt. Im hier gegebenen Drei-Personen-Verhältnis komme es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten habe. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen habe. Die Gegenleistung liege in aller Regel darin, dass der Zuwendungsempfänger eine werthaltige Forderung verliere. Hingegen sei die Tilgung einer fremden Schuld unentgeltlich, wenn die Forderung des Zahlungsempfängers wertlos sei. Eine Werthaltigkeit der Kaufpreisforderung des Beklagten gegen R.    könne nicht festgestellt werden. Ein Vermögensstatus des R.    oder Feststellungen zu einer ausdrücklichen Zahlungsunfähigkeit lägen zwar nicht vor. Die angeführten Indizien für die faktische Unmöglichkeit des Beklagten, den Kaufpreis von R.    zu erlangen, seien aber überzeugend und auch im zweiten Rechtszug nicht widerlegt. Auch wegen der einschlägigen Vorstrafen verhalte es sich so, dass R.     den Kaufpreis nicht aus eigenen Mitteln habe zahlen wollen. Er habe vielmehr eine Money Order der W.       Bank eingesetzt, die von keiner Bank eingelöst worden sei und einem Fälschungsverdacht unterliege. Überdies habe R.     in dem anschließenden Strafprozess angegeben, von der Unterstützung seiner Lebensgefährtin abhängig zu sein.

10Die Unentgeltlichkeit sei nicht dadurch beseitigt worden, dass R.     mit der Schuldnerin einen Darlehensvertrag geschlossen habe. Dem schriftlichen Darlehensvertrag könne ein Vertrag zugunsten des Beklagten und des früheren Beklagten zu 1 nicht entnommen werden.

II.

11Diese Ausführungen halten im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.

121. Die zugunsten der Beklagten geleisteten Überweisungen haben als Rechtshandlungen der Schuldnerin infolge des Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO ) bewirkt (, WM 2015, 1202 Rn. 8 mwN; vom - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rn. 13; vom - IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rn. 11; vom - IX ZR 224/16, WM 2017, 1910 Rn. 11). Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass die Zahlungen zunächst an den Notar als uneigennützigen Treuhänder flossen, der die Mittel auftragsgemäß an den Beklagten als Leistungsempfänger ausgekehrt hat (vgl. , ZIP 2010, 531 Rn. 11; vom - IX ZR 319/16, WM 2018, 343 Rn. 8).

132. Jedoch fehlt es an einer Leistung (§ 134 Abs. 1 InsO) der Schuldnerin an den Beklagten, weil dieser die Zahlung nicht der Schuldnerin, sondern seinem Vertragspartner R.    zuordnete.

14a) Hat der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat, so richtet sich die Anfechtung gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte (, BGHZ 142, 284, 287). Diese Zuordnungskriterien entsprechen denen des Leistungsbegriffs im bereicherungsrechtlichen Sinne (BGH, aaO). Diese Rechtsprechung gilt zwar vornehmlich in Fällen der Deckungsanfechtung (BGH, aaO; Urteil vom - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 18). Eine mittelbare Zuwendung kommt freilich ebenso im Anwendungsbereich des § 134 InsO in Betracht (, WM 1955, 407, 409; RGZ 167, 199, 202 f; OLG Celle, KTS 1963, 50, 52; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 6. Aufl., § 134 Rn. 6; FK-InsO/Dauernheim, 9. Aufl., § 134 Rn. 24). Darum hat im Falle der Einschaltung eines uneigennützigen Treuhänders die Schenkungsanfechtung grundsätzlich nicht diesem gegenüber, sondern gegenüber dem Empfänger der Leistung stattzufinden. Bei einer mittelbaren unentgeltlichen Zuwendung muss der Empfänger jedoch erkennen, von wem die Leistung herrührt. Darum muss er wissen, dass es sich um eine freigiebige Leistung des Schuldners handelt (, WM 2008, 2178 Rn. 21). Dies beurteilt sich nach objektiven Kriterien aus der Sicht des Empfängers (MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rn. 14; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, 2012, § 4 Rn. 14; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, S. 466; vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2016, § 134 Rn. 24; Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 61).

15b) Aus der Warte des Beklagten war bei objektiver Bewertung in der erhaltenen Zahlung über 270.000 € eine Leistung seines Vertragspartners R.      , aber nicht der Schuldnerin zu erkennen (vgl. , ZIP 2010, 531 Rn. 12; vom , aaO).

16Ausweislich des Vertrages über die Veräußerung des Geschäftsanteils war R.    als Erwerber verpflichtet, den Kaufpreis an den Notar zu entrichten, der die empfangenen Mittel an den Beklagten auszukehren hatte. Da ein Zahlungsanspruch gegen die Schuldnerin nicht bestand, konnte der Beklagte, zumal keine Anhaltspunkte für ein uneigennütziges Dazwischentreten eines Dritten bestanden, bei objektiver Betrachtung allein davon ausgehen, dass der Notar eine von R.     erhaltene Zahlung an ihn weitergeleitet hatte (vgl. , WM 2013, 2074 Rn. 23; vom - IX ZR 104/13, WM 2013, 2231 Rn. 18; vom - IX ZR 88/17, DB 2018, 1203 Rn. 12). Nach dem Verständnis des Beklagten war der Notar als Leistungsmittler seines Vertragspartners R.     und nicht der Schuldnerin tätig geworden. Danach war aus der Warte des Beklagten eine an ihn bewirkte mittelbare Zuwendung des R.     und nicht der Schuldnerin erfolgt. Es bestanden für den Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin ihm eine unentgeltliche Leistung zuwenden wollte (, WM 2015, 1531 Rn. 2).

17c) Eine etwaige Kenntnis des beurkundenden Notars, wonach die Zahlung nicht durch R.     , sondern durch die Schuldnerin erfolgt war, ist dem Beklagten nicht zuzurechnen. Denn der Notar war - was der Senat selbst feststellen kann - nicht bevollmächtigter Vertreter (§ 167 Abs. 1, § 166 Abs. 1 BGB) des Beklagten.

18aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben Zahlungen auf ein Notaranderkonto in der Regel - wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben - keine Erfüllungswirkung (, BGHZ 87, 156, 163; vom - IX ZR 158/93, NJW 1994, 1403, 1404; vom - IX ZR 152/96, NJW 1998, 746, 747; vom - IX ZR 161/04, NJW-RR 2007, 845 Rn. 12). Ein Notar, der als Treuhänder Geld zur Aufbewahrung oder Ablieferung übernimmt, wird nicht als Vertreter einer Partei, sondern als unparteiischer Betreuer für sämtliche Beteiligten tätig (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO; , NJW 1994, 1403, 1404).

19bb) Ausweislich des notariellen Vertrages hatte der Beklagte den beurkundenden Notar nicht bevollmächtigt, für ihn den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Eine sonstige Vollmachterteilung an den Notar durch den Beklagten wird von dem Kläger nicht vorgetragen. Bei dieser Sachlage kann die Klage infolge Entscheidungsreife abgewiesen werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:050718UIXZR126.17.0

Fundstelle(n):
BB 2018 S. 1729 Nr. 31
BB 2018 S. 1811 Nr. 32
DB 2018 S. 1919 Nr. 32
DStR 2018 S. 13 Nr. 33
DStR 2018 S. 2030 Nr. 39
NJW 2018 S. 8 Nr. 32
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2018 S. 2838
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2018 S. 759
WM 2018 S. 1430 Nr. 30
ZIP 2018 S. 1505 Nr. 31
ZIP 2018 S. 57 Nr. 30
TAAAG-89578