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Sollbesteuerung
Eine Übersichtsseite zu den Stichwörtern des Kontierungslexikons finden Sie hier: NWB LAAAE-91155.
Zusammenfassung
Das Umsatzsteuerrecht geht von dem Grundsatz aus, dass die Besteuerung bereits dann einsetzt, wenn das Entgelt für die ausgeführte Leistung vereinbart wurde. Auf die Bezahlung kommt es zunächst nicht an. Bei Abweichungen zwischen dem vereinbarten Entgelt und dem tatsächlich entrichteten Entgelt greift die Korrekturvorschrift des § 17 UStG zur Änderung der Bemessungsgrundlage.
Der Beitrag beschreibt die Besonderheiten der Sollbesteuerung und gibt Hinweise zur zutreffenden Buchung.
1. Welche Konten werden im SKR 03 oder 04 benötigt?
1.1 SKR 03
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1200 | Bank |
1400 | Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen |
1718 | Erhaltene, versteuerte Anzahlungen 19 %
USt (Verbindlichkeiten) |
1776 | Umsatzsteuer 19 % |
8400 | Erlöse 19 % USt |
1.2 SKR 04
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1200 | Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen |
1800 | Bank |
3272 | Erhaltene, versteuerte Anzahlungen 19 %
USt (Verbindlichkeiten) |
3806 | Umsatzsteuer 19 % |
4400 | Erlöse 19 % USt |
2. Rechtsgrundlagen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
3. Wie wird kontiert?
3.1 Allgemeine Grundsätze
Die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG (sog. Sollbesteuerung) ist im Umsatzsteuerrecht der Regelfall (§ 16 Abs. 1 UStG). Die Umsatzsteuer entsteht grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Dies gilt auch für unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG und § 3 Abs. 9a UStG. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Leistung, um bestimmen zu können, welcher Voranmeldungszeitraum gilt.
Unerheblich ist,
ob und ggf. wann die Rechnung ausgestellt wurde,
ob und ggf. wann ein Kaufvertrag abgeschlossen wurde,
ob zivilrechtlich ein anderer Leistungszeitpunkt vereinbart wurde,
wann die Zahlung geleistet wurde oder
ob beim Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug möglich ist.
Entsprechendes gilt für Teilleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG: Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.
Vereinnahmt der Unternehmer vor Ausführung der Leistung Anzahlungen oder Vorauszahlungen, gilt eine Besonderheit: Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Anzahlung oder Vorauszahlung vereinnahmt wurde.
Die Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG enthält also einen selbständigen und abschließenden Tatbestand zur Steuerentstehung.
Den Gegensatz zur Sollbesteuerung bildet die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, die sog. Istbesteuerung nach § 20 UStG. Diese Ausnahmebesteuerung kann unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des Unternehmers vorgenommen werden.
3.2 Grundsätze zur Entstehung der Umsatzsteuer
Für die der Umsatzsteuer unterliegenden Tatbestände gelten folgende Entstehungsgrundsätze:
3.2.1 Lieferung einschließlich der Werklieferungen
Lieferungen einschließlich Werklieferungen sind grundsätzlich dann ausgeführt, wenn der Lieferungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erlangt.
Wird ein Gegenstand befördert oder versendet, ist nicht der Zeitpunkt des Empfangs der Ware maßgeblich, sondern die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG gilt bereits mit Beginn der Beförderung oder Versendung des Gegenstandes als ausgeführt.
Bei einem Kauf auf Probe (§ 454 BGB) im Versandhandel kommt der Kaufvertrag noch nicht mit der Zusendung der Ware zustande, sondern erst nach Ablauf der vom Verkäufer eingeräumten Billigungsfrist oder durch Überweisung des Kaufpreises. Dieser Zeitpunkt ist dann für die Ausführung der Lieferung maßgeblich.
Bei einem Kauf mit Rückgaberecht kommt der Kaufvertrag bereits mit der Zusendung der Ware zustande. Die Lieferung gilt dann mit Beginn der Beförderung oder Versendung der Ware als ausgeführt.
3.2.2 Sonstige Leistungen – einschließlich Werkleistungen
Sonstige Leistungen einschließlich Werkleistungen sind grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen wie z. B. Vermietung oder Leasing ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt. Ausnahme: Es liegen Teilleistungen vor.
Der BFH hat auf Grundlage des mit Urteil v. entschieden, dass die Umsatzsteuer aus einer vollständig erbrachten Vermittlungsleistung, wenn das Entgelt über mehrere Jahre in Raten zu zahlen ist, nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL erst anteilig im Zeitpunkt der Ratenfälligkeit entsteht, wenn diese unter einer Bedingung stehen. Der BFH hat nunmehr dem die Frage vorgelegt, ob nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL im Fall einer abschließend erbrachten einmaligen Dienstleistung gegen mehrjährige Ratenzahlungen bei der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten die Besteuerung erst im Zeitpunkt der jeweiligen Ratenzahlungen vorzunehmen ist. Dies wäre möglicherweise eine Abkehr der Grundsätze der Sollbesteuerung.
Der EuGH kommt mit Urteil vom zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuer vollständig mit Ausführung der Dienstleistung entsteht. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen hat hierauf keinen Einfluss und führt nicht zu einer späteren Steuerentstehung. Die Steuerentstehung ist demnach nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt.
Das findet auf einmalige Leistungen keine Anwendung. Bezüglich der noch offenen Raten kann auch nicht von einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG ausgegangen werden. Eine teilweise Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG liegt nicht vor. Auch liegen keine Teilleistungen i. S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, bei der für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Das Vorliegen einer Teilleistung erfordert eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter. Eine Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG auf eine einmalige Leistung gegen bloße Ratenzahlung ist demnach ausgeschlossen. Entsprechende Ausführungen enthält die Nachfolgeentscheidung des .
Der BFH kommt in zwei nachfolgenden Beschlüssen zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuer auch dann mit der Leistungsausführung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG) entsteht, ohne dass es zu einer Steuerberichtigung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 UStG) kommt, wenn der Unternehmer für die Errichtung einer Photovoltaikanlage mit dessen Betreiber vereinbart, dass das Entgelt hierfür nur insoweit geschuldet wird, als es durch Einnahmen aus der Stromeinspeisung beglichen werden kann (Anschluss an das , BStBl 2022 II S. 860 NWB ZAAAI-62729).
Mit diesen Beschlüssen kann festgestellt werden, dass bei der Sollbesteuerung die Umsatzsteuer grundsätzlich auch dann sofort in voller Höhe geschuldet wird, wenn für das Entgelt eine abweichende zivilrechtliche Fälligkeit vereinbart wurde.
3.2.3 Unentgeltliche Leistungen
Bei unentgeltlichen Leistungen gelten die vorgenannten Grundsätze entsprechend. Erstrecken sich derartige Leistungen über mehrere Voranmeldungszeiträume, z. B. bei einer privaten Pkw-Überlassung, ist jeder einzelne Voranmeldungszeitraum als selbständiger Besteuerungsabschnitt zu beurteilen.
Mangels Entgeltsvereinnahmung spielt es keine Rolle, ob der Unternehmer der Sollbesteuerung oder der Istbesteuerung unterliegt.
3.2.4 Besonderheit innergemeinschaftlicher Erwerb
Werden Gegenstände aus dem EU-Ausland erworben, so gilt eine Besonderheit: Der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 1a UStG ist nicht bei Erwerb der Ware zu versteuern, sondern die Umsatzsteuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats. Für die Frage, welcher Steuersatz gilt, ist der Monat des Erwerbs maßgeblich.
Für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Neufahrzeugen durch Privatpersonen i. S. des § 1b UStG besteht eine Besonderheit: Die Steuer entsteht ausschließlich am Tag des Erwerbs.
3.2.5 Besonderheit Reverse-Charge Umsätze
Für die Umsatzsteuer, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schuldet, unterscheidet das Gesetz folgende Steuerentstehungszeitpunkte:
Für steuerpflichtige sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG, die von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer ausgeführt werden, entsteht die Steuer für den Leistungsempfänger stets nach § 13b Abs. 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die sonstige Leistung ausgeführt wird.
Für alle anderen Tatbestände des § 13b UStG entsteht die Steuer nach § 13b Abs. 2 UStG mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats.
3.2.6 Besonderheit Einfuhrumsatzsteuer
Die Einfuhrumsatzsteuer entsteht nach § 13 Abs. 2 UStG i. V. mit § 21 Abs. 2 UStG im Zeitpunkt der Einfuhr.
3.2.7 Tabellarische Übersicht
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Sachverhalt | Steuerentstehung § 13 UStG |
Lieferung oder Werklieferung | Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Verschaffung der Verfügungsmacht |
Sonstige Leistung oder Werkleistung | Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Vollendung der Dienstleistung |
Unentgeltliche Leistungen | Ablauf des Voranmeldungszeitraums in dem diese Leistungen ausgeführt werden |
Innergemeinschaftlicher Erwerb | Monat der Rechnungsausstellung, spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats |
Innergemeinschaftlicher Erwerb von Neufahrzeugen durch Privatpersonen | Tag des Erwerbs |
Steuerschuld des Leistungsempfängers für Leistungen nach § 13b Abs. 2 UStG | Monat der Rechnungsausstellung, spätestens mit Ablauf des auf die Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats |
Steuerschuld des Leistungsempfängers für sonstige Leistungen nach § 13b Abs. 1 UStG | Monat der Vollendung der Dienstleistung |
Einfuhrumsatzsteuer | Zeitpunkt der Einfuhr |
Abb. 1: Tabellarische Übersicht Steuerentstehung
3.3 Dokumentationspflichten
3.3.1 Dokumentation in der Umsatzsteuer-Voranmeldung und der Umsatzsteuer-Jahreserklärung
Ab dem Besteuerungszeitraum 2019 ist der Unternehmer verpflichtet, in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung mitzuteilen, ob die Steuer nach vereinbarten Entgelten, nach vereinnahmten Entgelten oder in den Fällen nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UStG nach vereinbarten und vereinnahmten Entgelten berechnet wurde. Diese Verpflichtung bestand im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren nur für 2019. Für die Sollbesteuerung nach § 13 UStG ist die Kennzahl „1“ vorgesehen.
Abb. 2: Angaben in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für 2019
Abb. 3: Angaben in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung
3.3.2 Dokumentation im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung
Unternehmensgründer haben mit der Neugründung bei der Finanzbehörde einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung abzugeben bzw. elektronisch zu übermitteln. Hierin hat der Unternehmer zu dokumentieren, ob er die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet.
Abb. 4: Auszug aus dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung eines Einzelunternehmers
3.4 Korrekturvorschrift des § 17 UStG
Sofern das vereinbarte Entgelt nicht zeitgerecht, nicht vollständig oder gar nicht entrichtet wurde, greift die Korrekturvorschrift des § 17 UStG. Im Ergebnis führt dies zum materiell-rechtlich zutreffenden Ergebnis, dass letztlich nur das besteuert wird, was der Leistungsempfänger tatsächlich aufgewendet hat, um die Leistung zu erhalten. Darüber hinaus kann sich die Umsatzsteuer durch nachträgliche Ereignisse auch erhöhen.
Zu den Anwendungsgrundsätzen des § 17 UStG wird auf die Stichwörter „Bemessungsgrundlage, Änderung“ , Lexikon NWB QAAAG-37761 und „Uneinbringlichkeit von Forderungen“, Lexikon NWB KAAAF-05965 hingewiesen.
3.5 Wechsel der Besteuerungsart
Beim Wechsel der Besteuerungsart ist zu beachten, dass Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben. Weitere Hinweise mit Beispielen enthält das Stichwort „Istbesteuerung“, Lexikon NWB NAAAF-69793.
3.6 Praxisbeispiel 1: Versandhandel und Kauf auf Rechnung
Der Versandhändler V betreibt einen Internethandel mit Porzellan. Der Kunde K bestellt am eine Porzellanfigur für 100 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer, die Bezahlung erfolgt auf Rechnung. V übergibt die Ware am dem Paketdienst P zur Versendung an K. Die Rechnung datiert vom , die V am begleicht. Es besteht ein 14-tägiges Rückgabe- bzw. Widerrufsrecht. V unterliegt der Sollbesteuerung nach § 13 UStG und gibt die Umsatzsteuer-Voranmeldungen monatlich ab.
Der Verkauf der Porzellanfigur ist eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG. Diese wird nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG mit der Übergabe der Ware an den Paketdienst am ausgeführt. Die Umsatzsteuer entsteht somit nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums März 2024. Der Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung und die Bezahlung der Ware sind ohne Bedeutung; ebenso wenig hat das eingeräumte 14-tägige Rückgabe- bzw. Widerrufsrecht einen Einfluss auf den Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer.
1. Buchung der Lieferung im März 2024:
nach SKR 03: