Erlassvertrag kann zur Minderung der Bemessungsgrundlage führen; Schätzung der Kosten und des Umfangs der privaten und unternehmerischen Fahrten
Gesetze: UStG § 3 Abs. 9a, UStG § 17, AO § 162
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) zu und es liegt auch kein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor.
1. Die Klägerin sieht die grundsätzliche Bedeutung in der Rechtsfrage, ob „ein zivilrechtlich vereinbarter Forderungserlass der Uneinbringlichkeit gleich[steht]”. Diese Rechtsfrage lässt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz beantworten, so dass keine Frage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) hat der Unternehmer, der einen Umsatz ausgeführt hat, für den sich die Bemessungsgrundlage geändert hat, den für diesen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Eine derartige Änderung der Bemessungsgrundlage liegt insbesondere dann vor, wenn der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, auf das hierfür geschuldete Entgelt ganz oder teilweise durch Erlassvertrag verzichtet (vgl. z.B. Urteil des Finanzgerichts —FG— des Landes Brandenburg vom 1 K 1642/97 U, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 513). Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist daher unmittelbar aus dem Gesetz dahingehend zu beantworten, dass sich Forderungserlass nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG und Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG gleichstehen.
2. Ebenso kommt der von der Klägerin weiter aufgeworfenen Rechtsfrage, ob „bei ungeklärter Nutzung von Fahrzeugen ohne Fahrtenbuchführung eine Schätzung der Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben zulässig [ist], und wenn ja, [ob] eine 100%-ige Privatnutzung eines Betriebsfahrzeugs umsatzsteuerlich denkbar [ist]”, keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der erste Teil dieser Frage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Denn nach dem (BFH/NV 2000, 759) sind die Kosten und der Umfang der privaten und unternehmerischen Fahrten, soweit diese nicht ermittelt werden können, gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) zu schätzen. Diese Schätzungsbefugnis hat auch das FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), wenn eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist. Auch nach dem von der Klägerin zitierten (BFHE 188, 160) besteht diese Schätzungsbefugnis. Im Hinblick auf den zweiten Teil der Frage, hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin geht bereits nicht auf die Besonderheiten ein, die bei der Unternehmenszuordnung und der privaten Verwendung von sonstigen Leistungen, die der Unternehmer bezieht, bestehen (vgl. z.B. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 290). Dies wäre bereits deshalb erforderlich gewesen, als es sich bei den Fahrzeugen, um deren Nutzung es geht, um geleaste Fahrzeuge handelte. Es fehlen auch Ausführungen dazu, ob es bei sonstigen Leistungen, die als zeitlich begrenzte Dauerleistungen erst bei Beendigung des der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ausgeführt sind (vgl. z.B. Abschn. 177 Abs. 3 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 —UStR—; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13 Rz 98), auf die Nutzungsverhältnisse während des gesamten Leistungszeitraums oder auf die Nutzungsverhältnisse während einzelner Teilleistungszeiträume ankommt.
Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das FG nicht die sog. 1 %-Regelung angewendet hat, macht sie einen materiell-rechtlichen Fehler geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt. Im Kern wendet sich die Klägerin mit ihrem Vortrag gegen die ihrer Auffassung nach fehlerhafte Sachverhaltswürdigung und tatrichterliche Überzeugungsbildung des FG und damit einen (angeblichen) materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung. Materiell-rechtliche Rügen erfüllen jedoch keinen der Tatbestände des § 115 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493).
3. Auch der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Bei dem Erfordernis, Fahrtenbücher zu führen oder die Nutzung eines Fahrzeugs in anderer Weise nachzuweisen, handelt es sich nicht um einen objektiv unmöglichen Negativbeweis. Insoweit hätten bereits Aufzeichnungen über die Kilometerstände zu bestimmten Stichtagen ausgereicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn behauptet wird, dass ein Fahrzeug über einen Zeitraum von 12 Monaten überhaupt nicht genutzt wurde. Unerheblich ist insoweit auch der Vortrag der Klägerin, dass keine Aufzeichnungspflichten bestehen, „wenn der Unternehmer die 1 %-Regelung gewählt hat”. Denn die Klägerin hat diese Regelung nicht angewendet, da sie davon ausging, dass keine Privatnutzung erfolgt sei.
Schließlich setzt § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG entgegen der Auffassung der Klägerin nicht voraus, dass die private Nutzung durch den Unternehmer oder sein Personal erfolgt. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es auf eine Nutzung für Zwecke an, die außerhalb des Unternehmens liegen. Hierzu gehört auch die Nutzungsüberlassung an Frau B, die Gesellschafterin der Klägerin war. Insoweit liegt auch kein Überraschungsurteil vor, da die Frage der privaten und damit
nichtunternehmerischen Nutzung bereits im Einspruchsverfahren
strittig war (Einspruchsentscheidung S. 3).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1209 Nr. 7
QAAAC-79268