Belegnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen von Fahrzeugen ohne Ausfuhrkennzeichen (§ 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 UStG, §§ 9, 10 UStDV)
Umsatzsteuerlagerregelung; Umsatzsteuerliche Behandlung der ruhenden Lieferung in einem Reihengeschäft (§ 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 UStG)
Es ist gefragt worden, ob in Fällen der Ausfuhrlieferung von Fahrzeugen ohne Ausfuhrkennzeichen mit der Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren der Ausgangsvermerk als alleiniger Ausfuhrnachweis ausreichend ist oder ob zusätzlich eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland erforderlich ist. In der Praxis bestünde zu dieser Frage eine große Unsicherheit. Rechtlich erscheine die zusätzliche Notwendigkeit der genannten Bescheinigungen alternativlos. In der Prüfungspraxis würden diese Belege jedoch nicht nachgefragt. Die scheinbare Diskrepanz zwischen gesetzlicher Normierung und behördlicher Praxis führe bei den betroffenen Unternehmen zu Ungewissheiten. Die Beschaffung der Bescheinigungen aus Drittstaaten sei im Übrigen aufgrund teils unterschiedlicher Sprache und Schriftzeichen nicht praktikabel.
Das BMF hat hierzu im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder mitgeteilt, dass es einer Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland nur dann nicht bedarf, wenn
das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird und der Ausfuhrbeleg neben den nach § 9 Abs. 1 UStDV bzw. § 10 Abs. 1 UStDV erforderlichen Angaben die Fahrzeug-Identifikationsnummer und die Nummer des Ausfuhrkennzeichens enthält oder
das Fahrzeug nicht i. S. d. Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird. Auch in diesem Fall muss der Ausfuhrbeleg neben den nach § 9 Abs. 1 UStDV bzw. § 10 Abs. 1 UStDV erforderlichen Angaben zusätzlich die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten.
Die zusätzlichen Nachweisverpflichtungen neben dem Ausgangsvermerk/Alternativ-Ausgangsvermerk (Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland) z. B. in den Fällen, in denen ein bereits in Betrieb gesetztes Fahrzeug nicht mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, ergeben sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 2 UStDV und des § 10 Abs. 2 Satz 2 UStDV. Sie sind einer Interpretation der Regelungen dahingehend, dass der Ausgangsvermerk/Alternativ-Ausgangsvermerk als Ausfuhrnachweis in den beschriebenen Fällen ausreichend sei, unter keinen Umständen zugänglich.
Die Prüfung dieser Belege ist nach vorliegenden Erkenntnissen der Finanzverwaltung bei Außen- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen oder Umsatzsteuer-Nachschauen durchgängige Praxis.
Es ist gefragt worden, ob im Fall eines Reihengeschäfts mit drei Beteiligten (die alle über die Bewilligung für ein Umsatzsteuerlager verfügen), in dem der Liefergegenstand durch den letzten Abnehmer in ein Umsatzsteuerlager transportiert wird, auch die ruhende (erste) Lieferung unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 UStG fallen kann.
Das BMF hat hierzu im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes mitgeteilt:
Nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 UStG ist die Lieferung eines der in Anlage 1 zum UStG fallenden Gegenstands an einen Unternehmer für sein Unternehmen steuerfrei, wenn der Gegenstand der Lieferung im Zusammenhang mit der Lieferung in ein Umsatzsteuerlager eingelagert wird (erste Alternative) oder sich in einem Umsatzsteuerlager befindet (zweite Alternative). Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei einem Reihengeschäft mit drei beteiligten Unternehmern U1, U2, U3, in dem der Liefergegenstand durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet wird, in ein Umsatzsteuerlager, ist die Warenbewegung nach Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE in der derzeit geltenden Fassung der Lieferbeziehung U2 – U3 zuzuordnen. Im Rahmen dieser Lieferung von U2 an U3 gelangt der Liefergegenstand in ein Umsatzsteuerlager, so dass – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – der Tatbestand der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 erste Alternative UStG erfüllt ist.
In diesem Reihengeschäft ist folglich die Lieferung von U1 an U2 eine sog. ruhende Lieferung, innerhalb derer der Liefergegenstand nicht in das Umsatzsteuerlager gelangen kann, so dass der Tatbestand der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 erste Alternative UStG für diese Lieferung nicht erfüllt sein kann. Da die Lieferung von U1 an U2 auch nicht im Zusammenhang mit einem in einem Umsatzsteuerlager befindlichen Gegenstand erfolgt (Ort und Zeitpunkt dieser Lieferung richtet sich nach dem Beginn der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands, § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG i. V. m. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG; somit kann diese ruhende Lieferung nicht in einem Umsatzsteuerlager ausgeführt sein), ist für diese ruhende Lieferung auch nicht die Voraussetzung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 zweite Alternative UStG erfüllt. Dieser Rechtsfolge liegt der gleiche Gedanke wie bei Ausfuhr- oder innergemeinschaftlichen Lieferungen zugrunde, dass in solchen Fällen nur die warenbewegte Lieferung dem Grunde nach die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllen kann (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 2 Satz 3 UStAE).
Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei einem Reihengeschäft mit drei beteiligten Unternehmern U1, U2, U3, in dem der Liefergegenstand durch den ersten Lieferer (U1) unmittelbar an den letzten Abnehmer (U3) befördert oder versendet wird, in ein Umsatzsteuerlager, ist die Warenbewegung nach Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 1 UStAE in der derzeit geltenden Fassung der Lieferbeziehung U1 – U2 zuzuordnen. Im Rahmen dieser Lieferung von U1 an U2 gelangt der Liefergegenstand in ein Umsatzsteuerlager, so dass – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – der Tatbestand der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 erste Alternative UStG erfüllt ist. In diesem Fall ist die ruhende Lieferung (U2 – U3) dort steuerbar, wo die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands endet (also im Umsatzsteuerlager, § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG i. V. m. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG). Diese ruhende Lieferung bezieht sich somit auf einen Gegenstand, der sich in einem Umsatzsteuerlager befindet, so dass in diesem Fall die Voraussetzung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 1 zweite Alternative UStG erfüllt ist und die ruhende Lieferung – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a UStG – steuerfrei sein könnte.
FinMin Schleswig-Holstein v. - Kurzinfo USt 01/2016
Fundstelle(n):
KAAAF-66197