BGH Beschluss v. - IV ZB 34/21

Testamentsauslegung: Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung

Leitsatz

Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.

Gesetze: § 133 BGB, § 2197 BGB, § 2224 BGB

Instanzenzug: OLG Rostock Az: 10 WF 27/21vorgehend AG Ludwigslust Az: 14 F 102/17

Gründe

1I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer von der Enkeltochter der am verstorbenen ursprünglichen Antragstellerin (im Folgenden: Erblasserin) erklärten Antragsrücknahme in einem Güterrechtsverfahren.

2In diesem Verfahren begehrte die Erblasserin von ihrem getrenntlebenden Ehemann (im Folgenden: Antragsgegner) die Übertragung von Miteigentumsanteilen an näher beschriebenen Grundstücken, Zahlung und Herausgabe von bestimmten Unterlagen.

3Die Erblasserin erteilte am ihrer Enkeltochter eine Vorsorgevollmacht, die auch nach dem Tod der Erblasserin in Kraft bleiben sollte und die Enkelin unter anderem bevollmächtigte, die Erblasserin in allen persönlichen Angelegenheiten sowie in Vermögensangelegenheiten gerichtlich zu vertreten.

4Mit eigenhändigem Testament vom setzte die Erblasserin ihre Enkeltochter zu ihrer Alleinerbin ein, ordnete Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Erbin an und bestellte die Beschwerdeführerin zur Testamentsvollstreckerin. Am selben Tag erteilte die Erblasserin der Beschwerdeführerin eine Vollmacht auf den Todesfall, um sie nach ihrem Tod "in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten gegenüber jedermann und in jeder Weise zu vertreten".

5Außerdem existiert eine Kopie einer handschriftlichen "Letztwillige(n) Verfügung" mit Datum vom , in der die Erblasserin unter anderem anordnete:

"Meine Enkelin … soll meine Alleinerbin sein.

Wegen der Geltendmachung und Durchsetzung meiner Ansprüche gegen … [den Antragsgegner], die derzeit beim Amtsgericht … rechtshängig sind, ordne ich Testamentsvollstreckung an. …

Ich weise den Testamentsvollstrecker an, den Rechtsstreit durch die von mir beauftragte Kanzlei … nach deren pflichtgemäßem Ermessen fortführen zu lassen. …

Zum Testamentsvollstrecker für die vorgenannten Aufgaben ernenne ich Rechtsanwalt … [den Antragsteller], der das Recht hat, einen Nachfolger zu bestimmen. …

Für die von der vorstehenden Testamentsvollstreckung nicht betroffenen Aufgabenkreise und Vermögenswerte bleibt es im Übrigen bei der von mir angeordneten Testamentsvollstreckung durch die … [die Beschwerdeführerin]."

6Nach dem Tod der Erblasserin hat ihre Enkelin als Alleinerbin durch von ihr beauftragte Rechtsanwälte mit am beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz die Antragsrücknahme erklärt. Dieser hat der Antragsgegner am selben Tag zugestimmt und beantragt, der Erblasserin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss der "Antragstellerin", als die noch die Erblasserin im Rubrum genannt ist, die Kosten des Verfahrens auferlegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Antragsrücknahme mit Blick auf die der Enkelin erteilte transmortale Vollmacht wirksam sei.

7Diesen ihm zugestellten Beschluss hat der mit der letztwilligen Verfügung vom zum Testamentsvollstrecker ernannte Antragsteller, der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Erblasserin, an die Beschwerdeführerin weitergeleitet. Die von dieser eingelegte sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss verworfen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

8II. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts sei nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO statthaft. Dies gelte auch dann, wenn das Amtsgericht nicht nur eine Kostengrundentscheidung getroffen, sondern - wie nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung erkennbar gewollt - auch über die Wirksamkeit der von der Enkeltochter erklärten Antragsrücknahme entschieden habe und sich die Beschwerde - wie aus dem Beschwerdevorbringen ersichtlich - auch gegen diese Entscheidung richte. Auch über einen Streit über die Wirksamkeit einer Antragsrücknahme in einer Familienstreitsache sei nicht durch eine mit der Beschwerde gemäß §§ 58 ff., 117 FamFG anfechtbare Endentscheidung, sondern durch einen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschluss zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch nicht beschwerdeberechtigt. Für die streitbefangenen Ansprüche gegen den Antragsgegner habe die Erblasserin die Ernennung der Beschwerdeführerin zur Testamentsvollstreckerin mit ihrer nachfolgenden letztwilligen Verfügung vom nach § 2258 Abs. 1 BGB wieder aufgehoben und insoweit allein den Antragsteller zum Testamentsvollstrecker berufen. Nur für die davon nicht betroffenen Aufgabenbereiche und Vermögenswerte sei es bei der angeordneten Testamentsvollstreckung durch die Beschwerdeführerin geblieben.

9Eine Beschwerdeberechtigung könne die Beschwerdeführerin auch nicht aus der ihr am erteilten Vollmacht auf den Todesfall herleiten. Von dieser Vollmacht werde die Durchsetzung der hier streitbefangenen Ansprüche gegen den Antragsgegner - nachdem die Erblasserin für diese mit ihrer letztwilligen Verfügung vom Testamentsvollstreckung durch den Antragsteller angeordnet habe - nicht mehr erfasst. Zwar könne eine trans- oder postmortale Generalvollmacht selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. Bei der Auslegung der Erklärungen des Erblassers und Vollmachtgebers werde es allerdings im Allgemeinen dessen maßgeblicher Wille sein, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestünden. Ausgehend von diesem Grundsatz umfasse die postmortale Vollmacht vom nicht die Durchsetzung der hier streitbefangenen Ansprüche gegen den Antragsgegner. Schon aus dem mit dem Testament vom identischen Datum der Vollmacht werde deutlich, dass sie der Beschwerdeführerin im inneren Zusammenhang mit ihren Aufgaben als Testamentsvollstreckerin erteilt worden sei und ihr keine über ihr diesbezügliches Amt hinausgehenden Befugnisse habe verleihen sollen.

10III. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

111. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

12a) Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft.

13aa) Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nur eröffnet, wenn zuvor die sofortige Beschwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. War die sofortige Beschwerde unstatthaft, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 27/14, WM 2015, 728 Rn. 4; vom - IX ZB 161/08, NJW 2009, 3653 Rn. 5; jeweils m.w.N).

14bb) Im Streitfall ist die Rechtsbeschwerde eröffnet. Dabei bedarf die vom Beschwerdegericht für klärungsbedürftig erachtete Frage, ob gegen die Entscheidung des Amtsgerichts die sofortige Beschwerde nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO oder die Beschwerde in einer Familienstreitsache gemäß den §§ 58 Abs. 1, 117 FamFG statthaft war, keiner Entscheidung. Auch die zugrundeliegende Frage, ob bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Klage- oder Antragsrücknahme die Wirksamkeit durch Beschluss nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO (so für die Klagerücknahme: , NJW-RR 1993, 1470 unter II 1 [juris Rn. 7]; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. § 269 Rn. 35 f.; jeweils m.w.N.) oder durch Urteil (OLG Celle MDR 2012, 669 [juris Rn. 5]; Zöller/Greger, ZPO 34. Aufl. § 269 Rn. 19b; jeweils m.w.N.) bzw. in Familiensachen durch Beschluss gemäß § 116 Abs. 1 FamFG auszusprechen ist, kann mit Blick auf den sogenannten Grundsatz der Meistbegünstigung offenbleiben. Danach dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Der Schutzgedanke der Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen. Dieser Grundsatz führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und des danach gegebenen Rechtsmittels geschehen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 198/11, NJW-RR 2012, 753 Rn. 12; vom - XII ZB 553/10, NJW-RR 2011, 939 Rn. 12; jeweils m.w.N.).

15Hier hat das Amtsgericht durch Beschluss nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO sowohl die Kostengrundentscheidung getroffen als auch die Wirksamkeit der Antragsrücknahme festgestellt. Gegen diesen Beschluss fand nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt. Da das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, ist diese gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft.

16b) Die Beschwerdebefugnis für das Rechtsbeschwerdeverfahren folgt bereits aus der Zurückweisung der Erstbeschwerde (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 60/21, juris Rn. 5; vom - XII ZB 424/21, NJW 2022, 1618 Rn. 7).

172. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin verneint.

18a) Diese macht ohne Erfolg geltend, dass sie als Testamentsvollstreckerin zur Einlegung der sofortigen Beschwerde berechtigt gewesen sei, weil sie im Sinne von § 2224 Abs. 1 BGB hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche gemeinsam mit dem Antragsteller zur Testamentsvollstreckung berufen sei.

19aa) Wenn der Erblasser - wie hier - mehrere Testamentsvollstrecker ernennt, kann er jedem Testamentsvollstrecker einen bestimmten Wirkungskreis zuweisen, innerhalb dessen er ohne Mitwirkung der anderen selbständig handeln kann, oder Gegenstände von der gemeinschaftlichen Verwaltung ausschließen und ihre Verwaltung einem besonderen Testamentsvollstrecker übertragen (vgl. Staudinger/Dutta, BGB [2021] § 2224 Rn. 7). Ebenso wie für die Anordnung der Testamentsvollstreckung und deren Reichweite ist auch im Hinblick auf die Bestellung mehrerer Testamentsvollstrecker, deren Aufgabenbereiche und die Art deren Amtsführung der Wille des Erblassers maßgebend (vgl. BeckOGK/Tolksdorf, BGB [Stand: ] § 2224 Rn. 3; Staudinger/Dutta aaO Rn. 4). Dieser Wille ist im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügung(en), mit der bzw. denen der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet hat, zu ermitteln.

20Bei der Testamentsauslegung ist vor allem der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks festzuhalten. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt. Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen "hinterfragt" werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll. Dafür muss der Richter auch alle ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranziehen (Senatsbeschluss vom - IV ZB 30/18, ErbR 2019, 642 Rn. 15 m.w.N.). Die Auslegung obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Seine Auslegung kann nur angegriffen werden, soweit sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom aaO Rn. 21 m.w.N.). Unter anderem ist eine Testamentsauslegung dann rechtsfehlerhaft, wenn in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen worden sind (vgl. , ZEV 2009, 459 Rn. 26; vom - IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357 unter III 2 [juris Rn. 18]). Wenn der Wortlaut eines Testaments mehrere Deutungen zulässt, aber der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist, ist der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers unbeachtlich (vgl. Senatsbeschlüsse vom - IV ZB 30/20, BGHZ 231, 377 Rn. 18; vom aaO Rn. 17; jeweils m.w.N.).

21bb) Bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung vom sind dem Beschwerdegericht keine Rechtsfehler unterlaufen. Es hat sich am klaren Wortlaut des Testaments orientiert und daraus entnommen, dass die Erblasserin für die im Ausgangsverfahren streitbefangenen Rechte allein den Antragsteller zum Testamentsvollstrecker ernannt und sie einer Verwaltung durch die Beschwerdeführerin wieder entzogen hat, indem sie das Testament vom teilweise gemäß § 2258 Abs. 1 BGB widerrufen hat. Die Möglichkeit einer Gesamtvollstreckung durch die Beschwerdeführerin und den Antragsteller im Sinne von § 2224 Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Beschwerdegericht in Betracht gezogen, aber hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche abgelehnt, weil es nach der Formulierung des Testaments vom ausdrücklich nur für die von der Testamentsvollstreckung durch den Antragsteller nicht betroffenen Aufgabenbereiche und Vermögenswerte bei der zuvor von der Erblasserin angeordneten Testamentsvollstreckung durch die Beschwerdeführerin habe bleiben sollen. Dem hält die Rechtsbeschwerde nur ihre eigene abweichende Auslegung entgegen, ohne aufzeigen zu können, dass die letztwillige Verfügung vom andere Auslegungsmöglichkeiten überhaupt zulässt und bejahendenfalls einen abweichenden Willen der Erblasserin zumindest versteckt oder andeutungsweise zum Ausdruck bringt.

22b) Vergeblich beruft sich die Beschwerdeführerin erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz darauf, dass sich ihre Beschwerdebefugnis aus § 2224 Abs. 2 BGB ergebe, weil die Einlegung der sofortigen Beschwerde eine notwendige Erhaltungsmaßnahme gewesen sei. Damit kann sie schon deshalb nicht durchdringen, weil nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Beschwerdegerichts hinsichtlich der streitbefangenen Ansprüche schon kein von § 2224 Abs. 2 BGB vorausgesetzter gemeinsamer Wirkungskreis des Antragstellers und der Beschwerdeführerin besteht (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB 81. Aufl. § 2224 Rn. 8; jurisPK-BGB/Heintz, 9. Aufl. § 2224 Rn. 23). Selbst wenn man mit der Gegenansicht die Befugnis zur Vornahme von Notmaßnahmen auch im Falle einer- hier anzunehmenden - Nebenvollstreckung anerkennt (so MünchKomm-BGB/Zimmermann, 9. Aufl. § 2224 Rn. 3, 18; BeckOK/Lange, BGB [Stand: ] § 2224 Rn. 12), fehlt es an einer notwendigen Erhaltungsmaßnahme, da die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht befugt ist, ihre eigene Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels an die Stelle derjenigen des hierfür zuständigen Antragstellers zu setzen, der hiervon bewusst abgesehen hat. Überdies muss der Streit über die Notwendigkeit einer Maßnahme gemäß § 2224 Abs. 2 BGB vor dem Prozessgericht ausgetragen werden (vgl. MünchKomm-BGB/Zimmermann aaO Rn. 17) und kann von der Beschwerdeführerin hier nicht erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend gemacht werden.

23c) Schließlich verweist die Beschwerdeführerin erfolglos darauf, dass sie aufgrund der ihr erteilten postmortalen Generalvollmacht vom zur Einlegung der sofortigen Beschwerde befugt gewesen sei.

24aa) Wie das Beschwerdegericht richtig gesehen hat, kann eine postmortale Vollmacht, die unwiderruflich oder - wie hier - nicht widerrufen worden ist, grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen (vgl. OLG München ErbR 2013, 33 [juris Rn. 8]; ErbR 2012, 93 [juris Rn. 9] m.w.N.; Erman/Schmidt, BGB 16. Aufl. Vorbemerkung vor § 2197 Rn. 9; Grüneberg/Weidlich, BGB 81. Aufl. Einführung vor § 2197 BGB Rn. 12; Staudinger/Dutta, BGB [2021] Vorbemerkungen zu §§ 2197 ff. Rn. 76; Krätzschel in Firsching/Graf, Nachlassrecht 11. Aufl. § 19 Rn. 4; Amann, MittBayNot 2013, 367; Merkel, WM 1987, 1001, 1004; krit. Kollmeyer, ZEV 2021, 557, 558). Dabei kann das Verhältnis der postmortalen Vollmacht zur Testamentsvollstreckung nicht losgelöst vom jeweiligen Einzelfall bestimmt werden. Zwar wird es im Allgemeinen, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, dem maßgeblichen Willen des Erblassers entsprechen, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen (OLG München ErbR 2012 aaO; MünchKommBGB/Zimmermann, 9. Aufl. vor § 2197 Rn. 15). Die einem Dritten erteilte postmortale Vollmacht betrifft aber nicht generell im Außenverhältnis nur Vermögensteile, die nicht unter die Testamentsvollstreckung fallen, auch wenn der vom Erblasser Bevollmächtigte nach dem Erbfall als Bevollmächtigter des Erben anzusehen ist (vgl. dazu Senatsurteil vom - IVa ZR 186/81, BGHZ 87, 19 unter 2 [juris Rn. 20]; MünchKommBGB/Zimmermann aaO Rn. 14; Staudinger/Dutta aaO Rn. 71 m.w.N.) und dessen Verfügungsmacht durch die Rechte eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2211 Abs. 1 BGB beschränkt wird (vgl. Staudinger/Dutta aaO Rn. 80; Staudinger/Reimann, BGB [2016] Vorbemerkungen zu §§ 2197 ff. Rn. 80; Weidlich, MittBayNot 2013, 196). Ebenso wenig kann allgemein angenommen werden, dass im Umfang der postmortalen Bevollmächtigung der Machtbereich des Testamentsvollstreckers nach § 2208 Abs. 1 Satz 1 BGB eingeschränkt ist (vgl. MünchKommBGB/Zimmermann aaO Rn. 15).

25Vielmehr ist der wirkliche Wille des Vollmachtgebers und Erblassers ausgehend vom jeweiligen Wortlaut der Vollmachtsurkunde und der Anordnung der Testamentsvollstreckung durch Auslegung der beiden Urkunden - unabhängig von ihrer zeitlichen Reihenfolge - nach den Maßstäben des § 133 BGB zu erforschen. Auf diese Weise ist zu ermitteln, ob und inwieweit der Erblasser voneinander unabhängige Machtbefugnisse des Bevollmächtigten und des Testamentsvollstreckers begründen wollte (vgl. OLG München aaO; MünchKommBGB/Zimmermann aaO Rn. 15; NK-BGB/Kroiß, 6. Aufl. Vor §§ 2197-2228 Rn. 12; Staudinger/Dutta aaO Rn. 79; Staudinger/Reimann aaO Rn. 79; Krätzschel aaO; Mayer/Bonefeld in Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung 5. Aufl. § 15 Rn. 3; Zimmermann aaO; Becker, ZEV 2018, 692, 693 m.w.N.; Strobel, ZEV 2020, 449, 453; Weidlich, ZEV 2016, 57, 62; ders., MittBayNot 2013, 196 f., 197; ders., MittBayNot 2012, 228, 229). Bei der Auslegung können auch Begleitumstände sowie der verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage berücksichtigt werden (vgl. Bengel/Reimann/Dietz, Handbuch der Testamentsvollstreckung 7. Aufl. § 1 Rn. 38a).

26bb) Von diesen Maßstäben ist das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde einräumt, zutreffend ausgegangen. Es hat gesehen, dass eine postmortale Generalvollmacht selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Bevollmächtigten eigenständige Befugnisse verleihen kann. Allerdings hat es die der Beschwerdeführerin erteilte postmortale Vollmacht schon anhand ihres mit dem Testament vom identischen Datums so ausgelegt, dass der Beschwerdeführerin die Vollmacht im inneren Zusammenhang mit ihren Aufgaben als Testamentsvollstreckerin erteilt worden ist, so dass ihr von vornherein keine über ihr diesbezügliches Amt hinausgehenden Befugnisse verliehen worden waren. Dies hat das Beschwerdegericht auch daraus entnommen, dass die Vollmacht nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht zu Rechtshandlungen berechtigt, zu denen ein Testamentsvollstrecker nicht befugt ist. Dem hält die Rechtsbeschwerde wiederum nur ihre abweichende Auffassung entgegen, ohne Auslegungsfehler aufzuzeigen. Sie verweist zwar zutreffend darauf, dass die der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht nach ihrem Wortlaut umfassend ausgestaltet war und demnach auch die streitgegenständliche Verfahrensführung erfassen könnte. Dabei bedenkt sie aber nicht, dass die Vollmacht - anders als die Anordnung der Testamentsvollstreckung in der letztwilligen Verfügung vom - nicht ausdrücklich auf die Durchsetzung der Ansprüche gegen den Antragsgegner bezogen ist. Einen Willen der Erblasserin, die Fortführung des Verfahrens gerade durch die Beschwerdeführerin zu sichern, musste das Beschwerdegericht aus der allgemein formulierten Vollmacht nicht entnehmen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:140922BIVZB34.21.0

Fundstelle(n):
DNotZ 2023 S. 631 Nr. 8
DNotZ 2023 S. 636 Nr. 8
ErbBstg 2022 S. 271 Nr. 11
ErbBstg 2022 S. 272 Nr. 11
ErbStB 2023 S. 76 Nr. 3
NJW 2022 S. 3392 Nr. 47
NJW 2022 S. 3436 Nr. 47
NJW 2022 S. 8 Nr. 42
DAAAJ-23450