BVerwG Urteil v. - 2 WD 30/20

Aberkennung des Ruhegehalts wegen des Sichverschaffens, Besitzes und der Verschaffung kinderpornographischer Dateien

Leitsatz

Das Zugänglichmachen kinderpornographischer Inhalte indiziert unabhängig davon die disziplinarische Höchstmaßnahme, ob dem Verhalten eine pädophile oder eine masochistische Sexualpräferenz zugrunde liegt. Eine Wehrbeschädigung kann in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht als mildernder Umstand gewertet werden.

Gesetze: § 17 Abs 2 S 2 Alt 2 SG, § 10 SG, § 184b Abs 2 StGB vom , § 184b Abs 4 S 1 StGB vom , § 184b Abs 4 S 2 StGB vom , § 20 StGB vom , § 21 StGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 38 WDO 2002

Instanzenzug: Truppendienstgericht Nord Az: N 7 VL 36/19 Urteil

Tatbestand

1Das Verfahren betrifft die disziplinare Ahndung des Sichverschaffens, Besitzes und Verschaffens kinderpornographischer Dateien.

21. Der ... geborene, geschiedene und kinderlose frühere Soldat wurde nach einer Ausbildung zum ... und ... 1985 Zeit- und 1991 Berufssoldat. Zuletzt wurde er 2010 zum Stabsfeldwebel befördert. Seit Mitte Dezember 2016 war er bis zum Ende seiner Dienstzeit mit Ablauf des September 2018 unter hälftiger Einbehaltung seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben.

32. Der frühere Soldat war in zwei mehrmonatigen Auslandseinsätzen: ... in Somalia und ... in Afghanistan. Infolge des letztgenannten Einsatzes wurde bei ihm eine Wehrdienstbeschädigung mit einer "Traumafolgestörung" und einem Grad der Schädigungsfolgen von "dreißig" ab dem ... 2015 anerkannt. Deswegen wurden ihm für die Zeit von April 2015 bis Ende September 2018 ein Ausgleich von 5 757 € und ab Februar 2020 eine Grundrente von monatlich 151 € gewährt.

43. Im sachgleichen Strafverfahren verhängte das Amtsgericht Syke gegen den früheren Soldaten mit Urteil vom wegen des Verbreitens kinderpornographischer Schriften in 18 Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Mit rechtskräftigem Urteil vom hob das Landgericht Verden das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf und verhängte gegen den früheren Soldaten eine Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 40 €. Zu seinen Gunsten sei davon auszugehen, dass er wegen unbehandelter offensichtlicher posttraumatischer Belastungsstörungen und etwaiger anderer psychischer Erkrankungen vermindert steuerungsfähig im Sinne des § 21 StGB gewesen sei.

54. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde der frühere Soldat am beim Truppendienstgericht wie folgt angeschuldigt:

"Der Soldat ließ sich über seinen Internetzugang in ... in der Zeit vom bis zum mit Hilfe seines Computers im Chatbereich bzw. in News Groups und Tauschbörsen des Internets eine nicht mehr näher feststellbare Zahl von Video- und Bilddateien, auf denen der sexuelle Missbrauch unter 14 Jahre alter Mädchen und Jungen durch Erwachsene bzw. in grob anreißerischer (pornografischer) Weise sexuelle Handlungen von Kindern untereinander bzw. an sich selbst oder die grob anreißerische zur Schaustellung der Geschlechtsteile der Kinder dargestellt ist, von anderen Internetteilnehmern übermitteln, und übermittelte selbst über den 'Skype-Chat' unter dem Account '...' an mindestens 14 Personen mindestens 17 Bilddateien (Bilder bzw. Videos). Der Soldat speicherte diese zuvor genannten kinderpornografischen Dateien auf seinem PC und seinem Notebook, so dass anlässlich einer Durchsuchung am bei ihm auf diesen Datenträgern insgesamt 572 Dateien mit derartigen Bildern bzw. Videos gefunden wurden, die er dort gesammelt hatte."

65. Das Truppendienstgericht hat dem früheren Soldaten mit Urteil vom das Ruhegehalt aberkannt. Die Anschuldigungen stünden aufgrund der bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil, der geständigen Einlassung des früheren Soldaten und der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden, Schriftstücke und Augenscheinsobjekte fest. Der frühere Soldat habe damit ein Dienstvergehen begangen. Indem er ihm zuvor übermittelte 572 kinderpornographische Dateien besessen und mindestens 17 davon mindestens 14 anderen Personen übermittelt habe, habe er als Vorgesetzter vorsätzlich seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verletzt. Er habe vorsätzlich Straftaten nach § 184b Abs. 1, 2 und 4 StGB 2008 begangen, um ein Unterwerfungsverhältnis gegenüber seinen Chatpartnern einzugehen. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei die Höchstmaßnahme. Davon sei nicht abzuweichen. Entgegen der Annahme des Strafgerichts sei der frühere Soldat nicht vermindert schuldfähig gewesen. Die bei ihm erst zum Ende des Tatzeitraums diagnostizierte depressive Erkrankung und Anpassungsstörung erreichten nicht den Schweregrad eines Eingangsmerkmals im Sinne des § 20 StGB. Vielmehr habe der frühere Soldat regulär seinen Dienst verrichtet und erst mehr als 15 Monate nach der ersten Tat psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen. Noch am habe er um ein Personalgespräch zwecks Förderung gebeten. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass er privat kein nach außen geordnetes Leben geführt habe. Jedenfalls sei kein Zusammenhang zwischen seinen Beeinträchtigungen und den Taten erkennbar.

76. Mit seiner unbeschränkten Berufung vertritt der frühere Soldat die Ansicht, tat- und schuldangemessen sei eine hälftige Kürzung seines Ruhegehalts. Er sei im gesamten Tatzeitraum vermindert schuldfähig gewesen. Er habe versucht, seine sexuelle Neigung weitestgehend zu unterdrücken. Nur wenn er davon überwältigt worden sei, sei er ihr kurzfristig nachgegangen. Er habe sich rein außerdienstlich und nicht aus pädophilen Motiven fehlverhalten. Vielmehr seien die Dateien Mittel zu dem Zweck gewesen, sich anderen durch dieses Druckmittel zu unterwerfen, wofür er nur einzelne der gespeicherten Dateien genutzt habe. Seinen Dienst habe er tadellos verrichtet. Auch habe er sich in zwei Auslandseinsätzen bewährt, die für seine psychischen Beeinträchtigungen mitursächlich seien. Er sei geständig, reuig, einsichtig und nicht anderweitig vorbelastet. Das Landgericht habe nur eine Geldstrafe verhängt. Die mit seiner vorläufigen Dienstenthebung verbundenen Nachteile für den Dienstherrn seien ihm nicht anzulasten, weil er zuvor beantragt habe, vorzeitig in den Ruhestand versetzt zu werden. Zudem sei das Verfahren unangemessen lang gewesen.

87. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt verteidigt das angefochtene Urteil.

98. Der Senat hat ein Sachverständigengutachten zwecks Klärung der Frage einer verminderten Schuldfähigkeit im Tatzeitraum eingeholt.

109. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des früheren Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Unterlagen wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

Gründe

11Die zulässige Berufung ist unbegründet. Da sie in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung aufgrund eigener Tat- und Schuldfeststellungen über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Danach ist eine Aberkennung des Ruhegehalts tat- und schuldangemessen.

121. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der frühere Soldat die angeschuldigten Taten begangen hat. Dies folgt aus den gemäß § 123 Satz 3 in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindenden tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Syke vom in Verbindung mit dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Verden vom und der geständigen Einlassung des früheren Soldaten.

132. Der frühere Soldat hat damit ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 SG). Er hat vorsätzlich und schuldhaft seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG in der im Tatzeitraum geltenden Fassung vom (BGBl. I 1482) verletzt.

14Danach hat sich ein Soldat außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

15Eine solche ernsthafte Beeinträchtigung ist regelmäßig anzunehmen, wenn - wie hier - eine Straftat begangen wird, die mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich sanktioniert werden kann (vgl. 2 WD 20.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 84 Rn. 21 m. w. N.). Mit dem 18-maligen Versenden von insgesamt 17 kinderpornographischen Dateien an insgesamt 14 verschiedene Personen hat sich der frühere Soldat jeweils nach § 184b Abs. 2 StGB in der Fassung vom (BGBl. I S. 2149) - im Folgenden: StGB 2008 - strafbar gemacht, der die Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren ermöglicht. Denn er hat es insoweit jeweils vorsätzlich unternommen, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften - denen nach § 11 Abs. 3 StGB in der maßgeblichen Fassung vom (BGBl. I S. 3396) Ton- und Bildträger sowie Datenspeicher gleichstehen - zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Mit dem vorsätzlichen Sichverschaffen des Besitzes an den 572 kinderpornographischen Dateien hat er sich gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB 2008 und mit dem Besitz daran nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB 2008 strafbar gemacht, welche jeweils die Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren ermöglichen.

16Aufgrund der insoweit bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil steht auch fest, dass die Schuldfähigkeit des früheren Soldaten nicht entsprechend § 20 StGB in der maßgeblichen Fassung vom (BGBl. I S. 3322) - im Folgenden: § 20 StGB a. F. - ausgeschlossen war, er also schuldhaft gehandelt hat.

173. Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde:

18a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Diese besteht beim Besitz kinderpornographischer Schriften und beim Unternehmen des Sichverschaffens des Besitzes daran in einer Dienstgradherabsetzung. In Fällen des Verbreitens derartiger Schriften, ihres Zugänglichmachens in der Öffentlichkeit und des Unternehmens der Besitzverschaffung an eine andere Person ist im Regelfall die Höchstmaßnahme tat- und schuldangemessen (vgl. 2 WD 26.20 - juris Rn. 30 m. w. N. und vom - 2 WD 14.20 - juris Rn. 31 m. w. N.). Da der frühere Soldat es auch unternommen hat, anderen den Besitz an kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Höchstmaßnahme. Diese besteht für ihn gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 WDO in der Aberkennung des Ruhegehalts.

20b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der Regelmaßnahme gebieten. Dies ist hier nicht der Fall.

21aa) Zu Lasten des früheren Soldaten fallen mehrere Umstände ins Gewicht.

22(1) Das Dienstvergehen wiegt nach Eigenart und Schwere sehr schwer. Denn der frühere Soldat hat wiederholt gehandelt, indem er es durch 18 Taten unternommen hat, den Besitz an 17 inhaltlich verschiedenen Dateien insgesamt 14 anderen Personen zu verschaffen. Die Einzeltaten erstreckten sich über einen langen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren.

23Hinzu treten das Sichverschaffen und der Besitz der erheblichen Anzahl von 572 kinderpornographischen Dateien. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend der Auffangtatbestand des Besitzes kinderpornographischer Schriften - entsprechend dem Regelfall - hinter dem Unternehmen des Sichverschaffens des Besitzes daran zurücktritt oder ob einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit der letztgenannten Tatbestände das Verfahrenshindernis der Verjährung (§ 78 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4, § 78a Satz 1, § 78c StGB) entgegensteht, wodurch der subsidiäre Besitztatbestand wieder aufleben würde (vgl. - NStZ-RR 2020, 172 <173>). Denn in disziplinarischer Hinsicht kommt dem hier strafrechtlich ausschließlich geahndeten Besitz kinderpornographischer Dateien neben den Beschaffungshandlungen kein eigenständiges erschwerendes Gewicht zu (vgl. 2 WD 20.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 84 Rn. 39 m. w. N.). Wenn - wie hier - beide Straftatbestände erfüllt sind, kommt dem daher dasselbe Gewicht zu, wie wenn nur einer der beiden Straftatbestände erfüllt ist und fristgerecht strafrechtlich geahndet wurde.

24(2) Weiter erschwerend fällt ins Gewicht, dass der frühere Soldat zur Tatzeit wegen seines Dienstgrads als Stabsfeldwebel eine Vorgesetztenstellung innehatte (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Nach § 10 SG war er damit zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (vgl. 2 WD 20.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 84 Rn. 40 m. w. N.). Dies gilt auch bei außerdienstlichem strafbaren Fehlverhalten (vgl. 2 WD 10.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 77 Rn. 27 m. w. N.). Es ist nicht erforderlich, dass der frühere Soldat es innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 40 m. w. N.).

25(3) Die Beweggründe des früheren Soldaten sprechen ebenfalls gegen ihn. Er hat aus eigennützigen Motiven und Gleichgültigkeit gegenüber den in den Dateien abgebildeten Kindern gehandelt, um seine sexuell-masochistischen Neigungen durch das Eingehen eines Unterwerfungsverhältnisses gegenüber seinen Chatpartnern zu befriedigen. Dass bei ihm keine pädophilen Neigungen festgestellt wurden, entlastet ihn nicht. Denn für die Disziplinarwürdigkeit des Besitzes, Sichverschaffens und Zugänglichmachens kinderpornographischer Dateien ist es - ebenso wie für die Strafbarkeit - unerheblich, ob der Täter pädophil ist. Dieser Umstand ist weder für den Grad der Beeinträchtigung der Rechte der abgebildeten missbrauchten Opfer noch für den durch die Taten geleisteten Beitrag zur Aufrechterhaltung eines Marktes für kinderpornographische Dateien von Bedeutung. Auch der Umfang der durch ein solches Fehlverhalten bewirkten Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen einem Soldaten und dem Dienstherrn hängt nicht davon ab, ob der Täter pädophil ist oder nicht (vgl. 2 WD 20.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 84 Rn. 42).

26(4) Das Dienstvergehen hatte zudem nicht nur nachteilige Auswirkungen für die abgebildeten Kinder, in deren Persönlichkeitsrechte nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG durch die Taten eingegriffen wurde, sondern auch für den Dienstherrn. Denn der frühere Soldat war die letzten gut 21 Monate bis zu seinem Dienstzeitende vorläufig des Dienstes enthoben.

27Eine vorläufige Dienstenthebung ist zu Lasten des betreffenden Soldaten zu gewichten, wenn er sie durch sein Verhalten verursacht hat, dem Bund dadurch ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden ist und die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (dazu 2 WDB 2.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 11 Rn. 37) keinen durchgreifenden Zweifeln unterliegt (vgl. 2 WDB 14.20 - Buchholz 450.2 § 82 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 12). Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn ein besonderer Grund ist bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO regelmäßig jedenfalls dann gegeben, wenn - wie hier - mindestens eine Dienstgradherabsetzung im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (vgl. 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 24 m. w. N.). Infolge der vorläufigen Dienstenthebung stand die Arbeitskraft des früheren Soldaten seinem Dienstherrn trotz hälftiger Fortzahlung der Dienstbezüge nicht zur Verfügung.

28Ohne Erfolg beruft sich der frühere Soldat darauf, dass sein Dienstherr diese nachteiligen Folgen durch eine von ihm beantragte Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze nach dem Gesetz zur Anpassung der personellen Strukturen der Streitkräfte (SKPersStruktAnpG) hätte vermeiden können. Denn dazu war der Dienstherr nicht verpflichtet. Ein Soldat hat auf eine Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze keinen Anspruch (vgl. 2 B 37.18 - Buchholz 449.4 § 55c SVG Nr. 2 Rn. 16). Eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nach § 2 SKPersStruktAnpG ist allein dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt. Maßgebend ist, ob sie dienstlich geboten ist (vgl. BT-Drs. 17/9340 S. 31 und 1 WB 24.18 - Buchholz 449 § 28 SG Nr. 12 Rn. 29).

29bb) Demgegenüber sprechen für den früheren Soldaten folgende Umstände:

30(1) Er hat solide dienstliche Leistungen erbracht. Dies ergibt sich aus seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom ... August 2012, den Aussagen der Leumundszeugen in der Berufungshauptverhandlung, den förmlichen Anerkennungen von 1994, 1996 und 1999, dem 2004 verliehenen Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber und den weiteren Trageberechtigungen des früheren Soldaten.

31(2) Zudem hat sich der frühere Soldat in zwei Auslandseinsätzen bewährt. Dabei fällt allerdings im vorliegenden Fall nicht zusätzlich mildernd ins Gewicht, dass er eine Wehrbeschädigung mit einem Grad der Schädigungsfolgen von "dreißig" davongetragen hat. Denn insoweit ist bereits durch die Gewährung des Ausgleichs nach § 85 SVG und der Grundrente gemäß § 80 SVG eine Kompensation erfolgt, die den früheren Soldaten nach § 49 Abs. 3 SG auch bei Aberkennung des Ruhegehalts erhalten bleibt (vgl. Dau/Schütz, WDO, 8. Aufl. 2022, § 65 Rn. 3). Im Übrigen fehlt ein spezifischer Zusammenhang von angeschuldigtem Verhalten und Wehrbeschädigung.

32(3) Des Weiteren hat sich der frühere Soldat geständig eingelassen. Dem ist jedoch kein großes Gewicht beizumessen, weil er angesichts der Ergebnisse der Auswertung seiner Datenträger auch ohne Geständnis überführt worden wäre.

33(4) Ferner hat der frühere Soldat sein Verhalten glaubhaft bedauert.

34(5) Schließlich ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er nach den Feststellungen des Sachverständigen im Tatzeitraum - auch aufgrund der Folgen seiner Auslandseinsätze - insgesamt psychisch deutlich stärker labilisiert und vulnerabler gewesen ist als in vorherigen Lebensphasen.

35cc) Weitere mildernde Umstände sind indes nicht ersichtlich.

36(1) Insbesondere war der frühere Soldat zu den Tatzeitpunkten uneingeschränkt schuldfähig. Auf der Grundlage des in der Berufungshauptverhandlung erstatteten Gutachtens des Sachverständigen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der frühere Soldat die Taten nicht im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beging.

37(a) Die richterliche Entscheidung, ob im Sinne des § 21 StGB die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB a. F. bezeichneten Gründe zum Zeitpunkt des Dienstvergehens erheblich vermindert war, erfolgt mehrstufig. Zunächst ist festzustellen, ob beim Täter zu den Tatzeitpunkten eine psychische Störung vorlag, die ein solches Ausmaß erreichte, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB a. F. zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Begehung der Taten beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist das Gericht jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB a. F. bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds ebenso wie bei der Prüfung der aufgehobenen oder erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit um vom Gericht zu beantwortende Rechtsfragen (vgl. - NStZ-RR 2019, 170 m. w. N.). Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung ohne vernünftigen Zweifel ein Sachverhalt nicht ausschließen, der eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit ergibt, ist dieser Gesichtspunkt zugunsten des Täters in die Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. 2 WD 10.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 77 Rn. 30 m. w. N.).

38(b) Danach ist ohne vernünftige Zweifel auszuschließen, dass beim früheren Soldaten zu den Tatzeitpunkten eine psychische Störung eines solchen Ausmaßes vorlag, dass sie unter das allein in Betracht kommende Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB a. F. fällt.

39(aa) Nach den Feststellungen des Sachverständigen bestanden beim früheren Soldaten im Tatzeitraum eine von chronischen Schlafstörungen und Kopfschmerzen begleitete, als "nicht zu schwer" eingeschätzte depressive Störung mit mittelgradigen Episoden (ICD 10 F 33.01), ein Missbrauch von Analgetika (ICD 10 F 55.2), eine sexuell-masochistische Störung (ICD 10 F 65.5) sowie eine sonstige Reaktion auf eine schwere Belastung (ICD 10 F 43.8), nicht hingegen eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Pädophilie und eine Persönlichkeitsstörung.

40Diese Diagnosen hat der Sachverständige in der Berufungshauptverhandlung nachvollziehbar erläutert. Die mit chronischen Schlafstörungen und Kopfschmerzen verbundene depressive Störung und der Medikamentenmissbrauch, vor allem von Paracetamol, werden durch zahlreiche Dokumente in der Gesundheitsakte des früheren Soldaten und dessen Angaben gegenüber dem Sachverständigen, den behandelnden Ärzten und dem Gericht ungeachtet dessen bestätigt, dass die Angaben des früheren Soldaten zur Menge der konsumierten Medikamente variieren. Die sexuell-masochistische Störung hat der Sachverständige diagnostiziert, weil beim früheren Soldaten nach dessen konsistenten Erläuterungen über einen längeren Zeitraum sexuelle Erregung im Zusammenhang mit einem Gedemütigt- und Gefesselt-Werden und dem Wunsch nach vollständiger Kontrolle durch das Gegenüber bestand; der Sachverständige hat dafür mit dem beim früheren Soldaten im Kindesalter operativ versorgten Hodenhochstand und einer erst sehr spät operativ versorgten Phimose, die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und damit eine Kombination von Schmerz und Erregung verursachte, auch eine plausible Ursache aufgezeigt. Die sonstige Reaktion auf eine schwere Belastung hat der Sachverständige nachvollziehbar aus den andauernden Schuldgefühlen des früheren Soldaten wegen der Tötung einer anderen Person während eines Schusswechsels in seinem Afghanistan-Einsatz, der darauf bezogenen erhöhten Schreckhaftigkeit des früheren Soldaten und dessen damit im Zusammenhang stehenden wiederkehrenden Traum abgeleitet.

41Eine in der Bescheinigung des Diplompsychologen und Psychologischen Psychotherapeuten ... vom angenommene posttraumatische Belastungsstörung hat der Sachverständige mangels intrusiver Flashbacks überzeugend ausgeschlossen, was sich mit der Diagnose in den zahlreichen Berichten des Bundeswehrkrankenhauses ... aus den Jahren 2015 bis 2018 deckt. Hinweise auf eine Pädophilie ergaben sich aus den vom Sachverständigen angewandten standardisierten Testverfahren nicht; vielmehr haben diese die Selbsteinschätzungen des früheren Soldaten bestätigt, dass er heterosexuell ist und sich sein sexuelles Interesse auf postpubertäre Frauen beschränkt. Eine Persönlichkeitsstörung hat der Sachverständige angesichts der beruflichen und sozialen Einbindung des früheren Soldaten nachvollziehbar verneint.

42(bb) Die festgestellten psychischen Störungen des früheren Soldaten im Tatzeitraum erreichten nach den schlüssigen Erwägungen des Sachverständigen weder jeweils für sich genommen noch in ihrer Kumulation den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB a. F.

43Dies gilt zunächst für die im Vordergrund stehende sexuell-masochistische Störung. Nicht jedes sexuell abweichende Sexualverhalten ist ohne Weiteres mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gleichzusetzen. Es kann im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen. Ob die sexuelle Devianz einen solchen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er nicht die zur Bekämpfung seiner Triebe erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. - NStZ-RR 2019, 168 m. w. N.; 2 WD 10.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 77 Rn. 32).

44Dies hat der Sachverständige beim früheren Soldaten für den Tatzeitraum nachvollziehbar verneint. Er hat festgestellt, dass die paraphile Symptomatik beim früheren Soldaten im Tatzeitraum nicht seine Sexualität weitestgehend bestimmte, progredient war oder ihm aufgrund seiner Persönlichkeitseigenschaften oder sexuellen Funktionsstörungen keine anderen Möglichkeiten sexueller Kontakte zur Verfügung standen. Denn die klassischen Merkmale des süchtigen Erlebens wie zunehmende Frequenz und abnehmende Befriedigung, süchtiges Erleben, dranghafte Unruhe, Progression im Längsschnitt, subjektives Gefühl von Triebstärke und Wunsch nach Behandlung lagen nach seiner Analyse beim früheren Soldaten nicht vor (vgl. dazu - NStZ-RR 2021, 240 <241>). Diese Feststellungen stehen im Einklang mit den Angaben des früheren Soldaten zu seinem Chatverhalten und dem Inhalt seiner Chatkommunikationen. So hat der frühere Soldat etwa erklärt, er habe täglich nur kurze Zeit am Computer und im Verlauf auf keinen Fall mehr, sondern eher weniger Zeit mit dem verfahrensgegenständlichen Verhalten verbracht; tagsüber habe ihn das wegen seiner Arbeit gar nicht beschäftigt. Auch war der frühere Soldat in der Lage, ohne Weiteres seine Chatkommunikationen zu beenden, wenn er etwa müde war oder den Haushalt machen wollte. Dem entspricht es, dass er in der Berufungshauptverhandlung wiederholt erklärt hat, seine sexuell-masochistischen Verhaltensweisen inzwischen gänzlich eingestellt zu haben.

45Die sexuell-masochistische Präferenzstörung erreichte im Tatzeitraum auch nicht zusammen mit den weiteren psychischen Beeinträchtigungen des früheren Soldaten den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit. Insoweit sind der Ausprägungsgrad aller festgestellten Störungen und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend (vgl. - NStZ-RR 2019, 334 <335> m. w. N.). Maßgeblich ist, ob die Symptome in ihrer Gesamtheit das Leben des Betroffenen vergleichbar schwer und mit ähnlichen - auch sozialen - Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. - juris Rn. 11 m. w. N.; 2 WD 4.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 88 Rn. 51). Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob es infolge der die Störungen begründenden Verhaltens- und Erlebnisbesonderheiten auch im Alltag zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. - juris Rn. 7 m. w. N.). Denn nur dann ist anzunehmen, dass nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervorgetreten sind, die sich im Rahmen dessen halten, was auch bei voll schuldfähigen Menschen anzutreffen und oft Ursache für strafbares Verhalten ist (Stimmungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz, Tendenz zu Streitereien und Impulsivität; vgl. 2 WD 6.21 - juris Rn. 23 m. w. N.).

46Der Senat teilt die Einschätzung des Sachverständigen, dass dies beim früheren Soldaten nicht der Fall war. Der frühere Soldat hat sich zwar nach eigenen Angaben beruflich überfordert gefühlt, hat aber nach den Beschreibungen des Leumundszeugen A. nicht den Eindruck einer Überforderung erweckt und insgesamt zufriedenstellende dienstliche Leistungen erbracht. Der Leumundszeuge B. hat in der Berufungshauptverhandlung erläutert, er habe vom früheren Soldaten als stellvertretendem Zugführer einen sehr guten militärischen Eindruck gehabt und nur Mängel in der zwischenmenschlichen Kommunikation gesehen. In der letzten planmäßigen Beurteilung vom - etwa ein halbes Jahr vor Beginn des Tatzeitraums - wurde der frühere Soldat als engagiert, motiviert und beispielgebend für jüngere Kameraden beschrieben. Mit Schreiben vom - kurz vor Ende des Tatzeitraums - beantragte er ein Personalgespräch in Bezug auf eine mögliche Förderung. Er lebte im Tatzeitraum bei seinen Eltern und kümmerte sich gemeinsam mit seiner Schwester um seine pflegebedürftige Mutter. Im Ambulanzbrief des Bundeswehrkrankenhauses ... vom heißt es, er fahre Moped und versuche, im Sport Ausgleich zu finden. Im Kurantrag von Anfang Mai 2014 wird ausgeführt, der frühere Soldat führe ein solides Leben und treibe zum Ausgleich Fitness und Sport. Des Weiteren hatte der frühere Soldat im Tatzeitraum, nachdem einige Jahre zuvor seine Ehe gescheitert war, laut Sachverständigengutachten nach eigenen Angaben zwischen 2013 und 2014 eine sechsmonatige Beziehung, die er als "wirklich schön" beschrieb.

47(c) Ungeachtet dessen war die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des früheren Soldaten zu den Tatzeitpunkten nicht infolge seiner psychischen Störungen erheblich vermindert. Die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit kann - von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen - nur in Bezug auf die konkrete Tat erfolgen. Beurteilungsgrundlage ist das jeweilige Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage und das Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können ( 2 WD 10.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 77 Rn. 40 m. w. N.).

48Ausgehend davon war der frühere Soldat, der nach eigenen Angaben bei seinen Taten wusste, dass er sich falsch verhielt, uneingeschränkt einsichtsfähig, wovon auch der Sachverständige ausgeht.

49Der Senat schließt sich ferner der Einschätzung des Sachverständigen an, dass auch die Steuerungsfähigkeit des früheren Soldaten nicht aufgrund seiner psychischen Störungen erheblich vermindert war. Er hat bei der Begehung der Taten nicht aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt (vgl. - NStZ-RR 2019, 168 m. w. N.). Dass der frühere Soldat seine Taten kontrollieren konnte, folgt daraus, dass er - wie aufgezeigt - ohne Weiteres in der Lage war, seine Chatkommunikationen zu beenden, wenn er etwa müde war oder den Haushalt machen wollte.

50(2) Auch Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern könnten, liegen nicht vor. Insbesondere hat er nicht in einer seelischen Ausnahmesituation gehandelt (dazu 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> m. w. N.). Die Belastungsfaktoren, auf die er sich beruft, begründen keine außergewöhnlichen Besonderheiten seiner Situation im Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen. Seine langjährigen körperlichen Beschwerden und seine psychischen Einschränkungen erreichten auch in der Zusammenschau mit der empfundenen beruflichen Überforderung, der Pflege seiner Mutter, die lediglich den Pflegegrad 1 hat, seiner geschiedenen Ehe, seinen weiteren gescheiterten Beziehungen und den zwar geordneten, aber sich auf einem sehr niedrigen Niveau bewegenden wirtschaftlichen Verhältnissen keinen so hohen Grad an Zuspitzung, dass ein normgemäßes Verhalten kaum noch erwartet werden konnte (vgl. 2 WD 10.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 57 Rn. 31 m. w. N.).

51(3) Nicht mildernd zu berücksichtigen ist, dass gegen ihn im sachgleichen Strafverfahren in zweiter Instanz nur eine Geldstrafe verhängt wurde.

52Steht - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht. Daher misst der Senat zwar der in den Strafrahmen des Strafgesetzbuchs zum Ausdruck kommenden Gewichtung des Unrechtsgehalts einer Tat durch den Gesetzgeber eine indizielle Bedeutung für die Schwere auch des Dienstvergehens bei, nicht aber der Höhe einer konkreten strafrechtlichen Sanktion (vgl. 2 WD 14.11 - juris Rn. 49 m. w. N.).

53Im Übrigen wurde bereits bei der Strafzumessung zugunsten des früheren Soldaten "ganz wesentlich berücksichtigt", dass er mit erheblichen berufsrechtlichen Konsequenzen "bis hin zur unehrenhaften Entlassung aus dem Dienstverhältnis" zu rechnen habe und seine Pensionsansprüche gefährdet seien.

54dd) Da die Milderungsgründe umso gewichtiger sein müssen, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt ( 2 WD 1.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 71 Rn. 30 m. w. N.) und daher bei einer - wie hier - grundsätzlich verwirkten Höchstmaßnahme von hohem Gewicht sein müssen (vgl. 2 WD 15.11 - juris Rn. 43), kann bei einer Gesamtabwägung aller den früheren Soldaten be- und entlastenden Umständen von der Höchstmaßnahme nicht abgewichen werden.

55Daher kann auch eine etwaige Überlänge des Disziplinarverfahrens keine maßnahmemildernde Wirkung mehr entfalten (vgl. 2 WD 10.19 - NVwZ-RR 2020, 983 Rn. 60 m. w. N.).

564. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:020622U2WD30.20.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-21955