BVerwG Beschluss v. - 5 P 9/20

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 62 PV 11.19 Beschlussvorgehend Az: 20 K 3421/18.PVB Beschluss

Gründe

I

1Der Personalrat der Agentur für Arbeit P. (Antragsteller) und die dortige Geschäftsführung (Beteiligte) streiten über die Beachtlichkeit der Gründe für die Verweigerung der Zustimmung zu einer Versetzung und Zuweisung sowie über die Verpflichtung der Beteiligten, dem Antragsteller die Auswahlunterlagen des Jobcenters vorzulegen.

2Nach der Durchführung eines Auswahlverfahrens entschied sich der Geschäftsführer des Jobcenters Landeshauptstadt P., die intern für Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit ausgeschriebene Stelle eines Arbeitsvermittlers Arbeitgeberservice (U25/Ü25) im Bereich SGB II mit dem Beschäftigten M. zu besetzen, der als Tarifbeschäftigter der Agentur für Arbeit B.N. dem Jobcenter B.C. zugewiesen war, und teilte dies der Beteiligten mit.

3Der Antragsteller tagt vierzehntägig montags. Zwischen ihm und der Beteiligten besteht die Übereinkunft, dass die Äußerungsfrist nicht am Tag der Vorlage eines Beteiligungsvorgangs, sondern im Anschluss an den nachfolgenden Sitzungstag beginnt, damit der Vorgang in der übernächsten Sitzung behandelt werden kann. Die Beteiligte legte mit Vorlage vom dem Antragsteller, dessen nächste Sitzung am war, die Angelegenheit hinsichtlich der Versetzung des Herrn M. von der Agentur für Arbeit B.N. zur Agentur für Arbeit P. und der Zuweisung einer Tätigkeit an das Jobcenter Landeshauptstadt P. unter Angabe der Mitbestimmungstatbestände vor. Nach dem Ergebnis eines internen Stellenbesetzungsverfahrens beim Jobcenter Landeshauptstadt P. sei geplant, Herrn M. zur Agentur für Arbeit P. zu versetzen und dem Jobcenter Landeshauptstadt P. dauerhaft ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt zuzuweisen. Der Vorlage war der berufsbezogene Lebenslauf von Herrn M. beigefügt.

4Der Antragsteller bat die Beteiligte um Vorlage der Auswahlunterlagen und verweigerte nach einer Erörterung mit der Beteiligten die Zustimmung. Zur Begründung führte er in seinem am bei der Beteiligten eingegangenen Zustimmungsverweigerungsschreiben aus, er erhebe Einwendungen gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 68 Abs. 2 BPersVG a. F., weil ihm erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, und gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 76 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BPersVG a. F., weil nicht auszuschließen sei, dass Mitbewerber durch ein mangelhaftes Auswahlverfahren benachteiligt worden seien. Er könne deshalb nicht nachvollziehen, ob das Auswahlverfahren korrekt durchgeführt worden sei. Nachdem die Regionaldirektion B. der Bundesagentur für Arbeit der Beteiligten auf Anfrage unter dem mitgeteilt hatte, sie teile die dortige Auffassung, dass die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich sei, wurde Herr M. versetzt.

5In dem daraufhin eingeleiteten personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers festzustellen, dass die Beteiligte seine Mitbestimmungsrechte aus § 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4a BPersVG a. F. im Zusammenhang mit der Versetzung von Herrn M. und der Zuweisung der Tätigkeit im Jobcenter an ihn verletze, zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers vor dem Oberverwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Die Zustimmung gelte nicht gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG a. F. bereits deshalb als erteilt, weil der Antragsteller seine Zustimmungsverweigerung zu spät bei der Beteiligten eingereicht hätte. Die Beteiligten hätten zwar nicht mitgeteilt, wann der Antragsteller die Vorlage vom erhalten habe, bezögen sich aber auf eine zulässige Absprache in der Dienststelle zum Fristenlauf, sodass die Zustimmungsverweigerung am , dem Tag nach der übernächsten Personalratssitzung, rechtzeitig bei der Beteiligten eingetroffen sei. Die Beteiligte habe das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht verletzt. Die Gründe für die fristgerecht erklärte Zustimmungsverweigerung seien unbeachtlich. Die Nichtvorlage der Auswahlunterlagen habe auch nicht den Ablauf der Äußerungsfrist unterbrochen mit der Folge, dass sich die Vorlage unverändert in der Mitbestimmung befände und die Dienststellenleitung die Maßnahme bis zu einer vollständigen Unterrichtung nicht hätte treffen dürfen. Denn die Beteiligte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller die Unterlagen über die Auswahlentscheidung im Jobcenter vorzulegen, weil sie lediglich die Versetzung und Zuweisung der Tätigkeit des Beschäftigten beabsichtigt und keine eigene Auswahlprüfung vorgenommen habe.

6Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter und trägt insbesondere vor, das Beschwerdegericht habe den personalvertretungsrechtlichen Maßnahmebegriff verkannt und im konkreten Anwendungsfall den Begriff der Erforderlichkeit fehlerhaft angewandt. Der Antragsteller müsse im Rahmen seiner Beteiligung die behauptete Besteignung nachvollziehen können. Das Jobcenter treffe keine Auswahlentscheidung, sondern unterbreite lediglich einen Vorschlag zur Besetzung einer Stelle, die Beteiligte entscheide über die Versetzung und Zuweisung nach eigenem Ermessen und sei für die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung verantwortlich. Sie habe sich hier den Vorschlag des Geschäftsführers zu eigen gemacht und dies durch schlüssiges Verhalten dokumentiert. Für den Antragsteller seien die Unterlagen erforderlich, um nachvollziehen zu können, ob eine Auswahl nach Besteignung Grundlage des Besetzungsvorschlags gewesen sei.

7Die Beteiligte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II

8Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 108 Abs. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - vom <BGBl. I S. 1614> i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

91. Das Oberverwaltungsgericht hat den konkreten Feststellungsantrag zu Recht für zulässig erachtet.

10Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis für ihn mit Blick auf das am in Kraft getretene Bundespersonalvertretungsgesetz vom nicht deshalb entfallen, weil nach dieser Gesetzesfassung die von dem konkreten Feststellungsantrag erfasste personelle Maßnahme offensichtlich nicht mehr mitbestimmungspflichtig wäre und deshalb - auch bei einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts in der Vergangenheit - ein nach dem neuen Recht zu beurteilender Anspruch des Personalrats auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens nicht bestünde (vgl. auch 6 P 7.06 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 13 Rn. 11 ff.). Denn das trifft nicht zu. Der Antragsteller hat auch nach neuem Recht unter - soweit hier von Interesse - unveränderten Voraussetzungen bei einer vom Dienststellenleiter beabsichtigten Versetzung zu einer anderen Dienststelle und Zuweisung seiner Tätigkeit (§ 78 Abs. 1 Nr. 5 und 7 BPersVG) mitzubestimmen.

112. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht dahin erkannt, dass der konkrete Feststellungsantrag unbegründet ist. Das auf die konkrete Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts und Verpflichtung der Beteiligten zur Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens gerichtete Begehren ist materiell-rechtlich auch nach dem nicht anhand des an diesem Tag in Kraft getretenen Bundespersonalvertretungsgesetzes vom , sondern auf der Grundlage der im Zeitpunkt der streitigen Versetzung und Zuweisung anzuwendenden Fassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes zu beurteilen (a). Die streitige Versetzung unterliegt ebenso wie die Zuweisung der Mitbestimmung des Antragstellers (b). Die Beteiligte durfte die Versetzung und die Zuweisung vornehmen, obwohl der Antragsteller ihr nicht zugestimmt hatte und seine Zustimmung auch nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist, weil die Zustimmungsfiktion nach § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG a. F. eingetreten ist (c).

12a) Die Prüfung der Begründetheit des konkreten Feststellungsantrags bezüglich der Versetzung und Zuweisung des Herrn M. richtet sich nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz vom (BGBl. I S. 693), vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2065) - BPersVG a. F. -.

13Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren sind Rechtsänderungen während des Rechtsbeschwerdeverfahrens in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde entschiede (stRspr, vgl. etwa 5 P 5.20 - IÖD 2022, 114 <115> m. w. N.). Das führt hier dazu, dass über den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts bei der Versetzung des Herrn M. zu der Agentur für Arbeit P. und der Zuweisung seiner Tätigkeit zum Jobcenter Landeshauptstadt P. nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz in der vorstehend genannten früheren Fassung zu entscheiden ist. Denn die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage bestimmt sich nach dem materiellen Recht (vgl. etwa 7 C 7.20 - NVwZ 2022, 803 Rn. 14 und Beschluss vom - 5 B 90.05 - juris Rn. 6, jeweils m. w. N.). Dementsprechend ist in einer Fallkonstellation wie der hier vorliegenden, in der es zunächst darum geht, ob eine Maßnahme als gebilligt gilt, insoweit auf das seinerzeit maßgebliche Recht abzustellen. Das folgt aus den sich aus dem materiellen (Bundes-)Personalvertretungsrecht ergebenden Rechtswirkungen der Zustimmungsfiktion. Die zu einer von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme beantragte Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Personalrat seine Zustimmung nach Maßgabe des in diesem Zeitpunkt geltenden Rechts nicht unter Angabe beachtlicher Gründe schriftlich innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist verweigert (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG a. F., der einen mit der aktuellen Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 4 BPersVG übereinstimmenden Wortlaut und Regelungsgehalt <vgl. BT-Drs. 19/26820 S. 113> aufweist). Mit Eintritt der Zustimmungsfiktion ist das konkrete Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß beendet. Die Frage, ob ein nicht ordnungsgemäß durchgeführtes Mitbestimmungsverfahren fortzusetzen oder nachzuholen ist, stellt sich dann nicht mehr. Für eine Fortsetzung oder Nachholung wäre vielmehr kein Raum.

14b) Die von der Beteiligten beabsichtigte Versetzung des Herrn M. zur Agentur für Arbeit P. unterlag unter dem aufnehmenden Aspekt gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG a. F., die beabsichtigte Zuweisung einer Tätigkeit im Jobcenter gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG a. F., der Mitbestimmung des Antragstellers. Gemäß § 88 BPersVG a. F. gilt das Bundespersonalvertretungsgesetz auch für die Bundesagentur für Arbeit mit den in dieser Vorschrift genannten Abweichungen, die hier nicht zum Tragen kommen. Für Versetzungen in der Tätigkeitsebene III und niedriger und damit auch für die Stelle eines Arbeitsvermittlers, für die Herr M. ausgewählt worden war, ist unter dem aufnehmenden Aspekt ebenso wie für die Zuweisung von dessen Tätigkeit zum Jobcenter nach den im Zeitpunkt der Versetzung und Zuweisung geltenden internen Regelungen der Bundesagentur für Arbeit über die Verteilung der Zuständigkeiten in Personalangelegenheiten die Beteiligte zuständig (vgl. Handbuch Personalrecht/Gremien der Bundesagentur für Arbeit, Abschnitt 1.1, Anlage 1/I.2, Stand ), sodass der Antragsteller als der bei ihr gebildete Personalrat zu beteiligen war.

15c) Die Beteiligte durfte den Beschäftigten M. gemäß § 69 Abs. 1 BPersVG a. F. versetzen, obwohl der Antragsteller dem nicht zugestimmt hatte und seine Zustimmung auch nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist, weil die Zustimmungsfiktion nach § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG a. F. eingetreten ist. Nach dieser Vorschrift gilt eine Maßnahme, zu welcher die Dienststellenleitung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG a. F. die Zustimmung des Personalrats beantragt hat, als gebilligt, wenn nicht der Personalrat gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 BPersVG a. F. innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass weder die Frist für den Eintritt der Billigungsfiktion entsprechend § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG a. F. unterbrochen wurde (aa) noch der Antragsteller für seine Zustimmungsverweigerung vom beachtliche Gründe geltend gemacht hat (bb).

16aa) Die Frist des § 69 Abs. 2 Satz 3 BPersVG a. F. wurde mit dem Eingang des Zustimmungsantrags der Beteiligten beim Antragsteller in Gang gesetzt und - entgegen der Ansicht des Antragstellers - durch die Weigerung der Beteiligten, dem Antragsteller die von ihm angeforderten vollständigen Auswahlunterlagen des Jobcenters vorzulegen, nicht unterbrochen. Denn der Antragsteller ist durch die mit dem Zustimmungsantrag vorgelegten Unterlagen des von der Versetzung und Zuweisung konkret betroffenen Beschäftigten ausreichend unterrichtet worden.

17(1) Gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 und 2 BPersVG a. F. ist die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und ihr sind die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Mit dieser Verpflichtung des Dienststellenleiters korrespondiert ein entsprechender Anspruch des Personalrats. Der Unterrichtungs- und Informationsanspruch des Personalrats als solcher wie auch der darauf bezogene Anspruch auf Vorlage von Unterlagen sind strikt aufgabengebunden und in ihrer Reichweite durch das Erforderlichkeitsprinzip begrenzt (stRspr, vgl. etwa 5 P 11.19 - BVerwGE 169, 279 Rn. 10 m. w. N.). Die Äußerungsfrist des Personalrats im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 3 BPersVG a. F. beginnt erst mit der vollständigen Unterrichtung über die mitbestimmungspflichtige Maßnahme zu laufen (stRspr, vgl. etwa 6 P 6.09 - BVerwGE 136, 271 Rn. 20 m. w. N.). Die Unterrichtung des Personalrats ist entsprechend dem Sinn und Zweck des in § 69 Abs. 2 BPersVG a. F. geregelten Mitbestimmungsverfahrens vollständig, wenn dem Personalrat die Kenntnisse vermittelt werden, die er zu einer sachgerechten Entscheidung über den Gegenstand des Mitbestimmungsverfahrens benötigt. Die Unterrichtung muss so umfassend erfolgen, dass er alle entscheidenden Gesichtspunkte kennt, die für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts von Bedeutung sein können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 6 P 22.84 - BVerwGE 78, 65 <68> und vom - 6 P 21.92 - BVerwGE 95, 73 <78>). Hält der Personalrat die ihm erteilten Auskünfte nicht für ausreichend, ist er unter Umständen gehalten, noch innerhalb der Äußerungsfrist ergänzende Informationen zu der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme zu verlangen (vgl. 6 PB 25.09 - Buchholz 251.92 § 67 SAPersVG Nr. 2 Rn. 19 ff.). Ein Anspruch auf Erfüllung des Auskunftsverlangens besteht allerdings nur in dem Umfang, in dem der Personalrat die Kenntnis der Unterlagen zur Durchführung seiner Aufgaben benötigt.

18Gemessen daran war eine Vorlage der vom Antragsteller angeforderten Unterlagen der anderen Bewerberinnen und Bewerber nicht erforderlich, damit dieser eine sachgerechte Entscheidung über die von der Beteiligten beabsichtigte Versetzung und Zuweisung treffen konnte. Im Fall einer Versetzungsmaßnahme - ebenso wie bei der sich daran anschließende Zuweisung einer Tätigkeit - bezieht sich die Verpflichtung zur Information des Personalrats durch die Dienststelle unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze zwar grundsätzlich auf alle Fakten und Unterlagen, die für die Versetzungs- und Zuweisungsentscheidung maßgebend waren (vgl. Fischer/Goeres/Gronimus/Lechtermann, in: Fürst, GKÖD, Band V, K § 75 Rn. 36b). Maßgebend in diesem Sinne können die vollständigen Auswahlunterlagen darüber und über weitere Bewerberinnen und Bewerber aber nur gewesen sein, wenn der Leiter der Dienststelle, welcher der Personalrat zugeordnet ist, die der personellen Maßnahme zugrundeliegende materielle Auswahlentscheidung selbst getroffen oder sich die von anderen getroffene Auswahlentscheidung zu eigen gemacht hat. So verhält es sich hier nicht.

19Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG i. V. m. § 559 Abs. 2 ZPO) hat die Beteiligte Herrn M. versetzt und seine Tätigkeit dem Jobcenter Landeshauptstadt P. zugewiesen, ohne zuvor ein eigenes Auswahlverfahren durchzuführen oder sich die von dem Geschäftsführer des Jobcenters in einem Verfahren der Bestenauslese getroffene Auswahlentscheidung zu eigen zu machen. Die Zuversetzung und Zuweisung erfolgte vielmehr nur deshalb, um dem auf der Grundlage des Auswahlverfahrens des Jobcenters erfolgten Besetzungsvorschlag seines Geschäftsführers zu entsprechen. Hat die Beteiligte aber tatsächlich weder ein eigenes Auswahlverfahren durchgeführt noch das im Jobcenter durchgeführte Auswahlverfahren anhand der vollständigen Auswahlunterlagen überprüft, inhaltlich nachvollzogen oder gewürdigt und sich insofern die dort getroffene Entscheidung zu eigen gemacht, waren die Unterlagen der anderen Bewerberinnen und Bewerber für ihre Entscheidungsfindung hinsichtlich der Versetzung und Zuweisung schon deshalb nicht maßgeblich, weil sie eine solche materielle Auswahlentscheidung weder selbst getroffen noch sich eine vorherige zu eigen gemacht hat. Demzufolge sind diesbezügliche Unterlagen für die korrespondierende Zustimmungsentscheidung des Antragstellers auch nicht erforderlich und müssen ihm nicht vorgelegt werden.

20Das gilt selbst dann, wenn die Beteiligte als für die Zuversetzung und Zuweisung zuständige Dienststelle rechtlich verpflichtet gewesen sein sollte, selbst ein Auswahlverfahren durchzuführen oder jedenfalls die Auswahlentscheidung des Jobcenters eigenständig zu würdigen. Zwar kann auch die Rüge von Fehlern bei dem von der Geschäftsführung eines Jobcenters durchgeführten Auswahlverfahren einen beachtlichen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG a. F. darstellen, weil nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, dass sich eine rechtswidrige Auswahlentscheidung unabhängig davon, wer dafür zuständig gewesen ist, auf die Rechtmäßigkeit der zu ihrer Umsetzung getroffenen personellen Maßnahmen auswirkt (vgl. 5 P 10.15 - BVerwGE 157, 266 Rn. 36). Das zwingt aber nicht zu dem Schluss, dass der Leiter der Dienststelle dem ihm zugeordneten Personalrat gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 und 2 BPersVG a. F. auch solche Unterlagen vorzulegen hat, die er seiner Entscheidung tatsächlich nicht zugrunde gelegt hat.

21(2) Aus der allgemeinen Überwachungsaufgabe der Personalvertretung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG a. F., wonach die Dienststelle und die Personalvertretung darüber zu wachen haben, dass alle Angehörigen nach Recht und Billigkeit behandelt werden, folgt hier schon deshalb kein Anspruch des Antragstellers auf Vorlage der Auswahlunterlagen, weil in einer Konstellation wie der vorliegenden eine solche jedenfalls dann nicht erforderlich ist (vgl. zum diesbezüglichen Maßstab der Erforderlichkeit 5 P 6.17 - BVerwGE 164, 146 Rn. 39), wenn wie hier feststeht, dass eine Auswahl durch die betreffende Dienststellenleitung gar nicht stattgefunden hat.

22bb) Der Antragsteller hat die Zustimmung zur Versetzung und Zuweisung von Herrn M. nicht in beachtlicher Weise verweigert.

23Die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats ist unter anderem dann unbeachtlich, wenn die gegen die beabsichtigte Maßnahme angeführten Gründe offensichtlich nicht auf einen der gesetzlichen Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG a. F. inhaltlich bezogen sind oder die Begründung aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlich ist. Zwar genügt es für eine beachtliche Zustimmungsverweigerung, wenn das Vorbringen des Personalrats es aus der Sicht eines sachkundigen Dritten als möglich erscheinen lässt, dass einer der dafür zugelassenen und in § 77 Abs. 2 BPersVG a. F. abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Hingegen ist die Darlegung einer Rechtsauffassung

oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats unbeachtlich, wenn sich daraus ersichtlich, das heißt von vornherein und eindeutig, keiner der gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgründe ergeben kann, deren Vorliegen also nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise als möglich erscheint (stRspr, vgl. etwa 5 P 7.19 - PersV 2021, 179 Rn. 10 m. w. N.). So liegt es hier.

24(1) Soweit sich der Antragsteller auf den Verweigerungsgrund des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG a. F. gestützt hat, führen seine zur Begründung gemachten Ausführungen nicht auf eine beachtliche Zustimmungsverweigerung. Denn dieser Versagungsgrund setzt das Bestehen der durch Tatsachen begründeten Besorgnis voraus, dass durch die Maßnahme der betroffene Beschäftigte oder andere Beschäftigte benachteiligt werden, ohne dass dies aus dienstlichen Gründen gerechtfertigt ist. Hierzu muss der Personalrat nachprüfbare konkrete Tatsachen vortragen, die die Besorgnis einer ungerechtfertigten Benachteiligung als möglich erscheinen lassen. Meinungen, Wertungen, Vermutungen, Unterstellungen oder Gerüchte reichen dagegen nicht aus, um darauf die Besorgnis einer Benachteiligung zu stützen (vgl. z. B. Fischer/Goeres/Gronimus/Lechtermann, GKÖD, Band V, K § 77 Rn. 20a m. w. N. sowie Rehak, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u. a., BPersVG, 89. Update 12/2021, § 77 BPersVG a. F. Rn. 131 m. w. N.). Das gilt auch, wenn - wie hier - geltend gemacht wird, dass sich vermeintliche Fehler im Auswahlverfahren des Jobcenters auf die Rechtmäßigkeit der zur Umsetzung der Auswahlentscheidung getroffenen personellen Maßnahme des Trägers auswirken können (vgl. hierzu 5 P 10.15 - BVerwGE 157, 266 Rn. 36). Den dargelegten Anforderungen genügt der Antragsteller schon deshalb nicht, weil er in seinem Schreiben keine konkreten Tatsachen vorgetragen hat, die die Besorgnis einer Ungleichbehandlung begründen könnten, sondern seine Zustimmungsverweigerung lediglich negativ damit begründet hat, es sei nicht auszuschließen, dass Mitbewerber durch ein mangelhaftes Auswahlverfahren benachteiligt worden seien.

25(2) Ebenso wenig stellt es einen beachtlichen Grund für die Zustimmungsverweigerung dar, soweit sich der Antragsteller auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 68 Abs. 2 BPersVG a. F. beruft, weil ihm die entscheidenden Unterlagen für die Auswahl von Herrn M. nicht vorgelegt worden seien und er deshalb nicht habe nachvollziehen können, ob das Auswahlverfahren, das der Versetzung und Zuweisung zugrunde gelegen habe, ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Zum einen hat ein entsprechender Unterrichtungsanspruch des Antragstellers aus § 68 Abs. 2 BPersVG a. F. - wie oben dargelegt - schon nicht bestanden. Zum anderen und darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Personalrat nicht berechtigt ist, die Zustimmung allein wegen mangelnder Unterrichtung zu verweigern. Denn die Verletzung der Unterrichtungspflicht stellt keinen Gesetzesverstoß im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG a. F. dar, da diese Bestimmung keine das Mitbestimmungsverfahren sichernde Vorschrift ist und sich die in ihr genannten Zustimmungsverweigerungsgründe allein auf die vom Dienststellenleiter beabsichtigte personelle Maßnahme selbst beziehen. Der Informationsanspruch des Personalrats ist vielmehr dadurch geschützt, dass die Äußerungsfrist mit der von ihr erfassten Billigungsfiktion für den Fall, dass eine Äußerung überhaupt nicht oder nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend abgegeben wird, erst mit der vollständigen Unterrichtung des Personalrats zu laufen beginnt ( 6 P 6.09 - BVerwGE 136, 271 Rn. 20 m. w. N.).

26(3) Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob der Antragsteller die Verweigerung der Zustimmung zu der Versetzung und Zuweisung von Herrn M. mit Erfolg darauf hätte stützen können, diese sei rechtswidrig, weil die Beteiligte weder ein eigenes Auswahlverfahren durchgeführt noch das Auswahlverfahren der Geschäftsführung des Jobcenters einer Richtigkeitskontrolle unterzogen und es sich so zu eigen gemacht habe. Denn eine hierauf bezogene Zustimmungsverweigerung hat er nicht abgegeben. Maßgeblich ist insoweit der dem Schreiben vom durch das Oberverwaltungsgericht im Wege der Auslegung entnommene Erklärungswert. Denn diese Auslegung ist der Tatsachenfeststellung zuzuordnen und als solche für den Senat bindend, da sie nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist (vgl. 5 P 4.20 - juris Rn. 18 m. w. N.). Danach hat der Antragsteller in seinem Schreiben vom zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung zwar auch ausgeführt, damit die Agentur für Arbeit die beabsichtigte Versetzung habe veranlassen können, seien sicherlich Unterlagen über das Auswahlverfahren gesichtet und bewertet worden. Das Oberverwaltungsgericht hat dieser Aussage aber nicht die Geltendmachung eines weiteren rechtlichen Grundes für die Zustimmungsverweigerung entnommen. Es hat diese vielmehr im Sinne einer Prämisse als Teil der tragenden Begründung des Antragstellers verstanden, ihm seien die für die Auswahl von Herrn M. entscheidenden Unterlagen nicht vorgelegt worden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:270422B5P9.20.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-21886