BVerwG Urteil v. - 10 C 1/21

Informationszugang zu Sitzungsprotokollen eines Beirats bei einem Bundesministerium

Leitsatz

1. § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG ist auf den Fall einer Zuständigkeitskonkurrenz verschiedener Behörden zugeschnitten. Ist nur eine Behörde im Besitz der Akten, ist sie verfügungsberechtigt.

2. Es bedarf für alle Varianten des § 3 Nr. 4 IFG einer gesetzlichen Spezialvorschrift, die die Geheimhaltung gebietet.

3. Die Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen sind in der Regel keine Beratungen des Ministeriums im Sinne von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG.

Gesetze: § 3 Nr 3 Buchst b IFG, § 3 Nr 4 IFG, § 7 Abs 1 S 1 IFG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 12 B 11.19 Urteilvorgehend Az: 2 K 178.18 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt den Zugang zu Sitzungsprotokollen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen.

2Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am W. und befasst sich mit dem Einfluss externer Berater im Politikbetrieb und im Hinblick darauf mit der Arbeit der Wissenschaftlichen Beiräte. Dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen gehören mehr als 30 Professoren an deutschen Universitäten an, die den Bundesfinanzminister in allen Fragen der Finanzpolitik unabhängig beraten sollen. Zu diesem Zweck werden Gutachten erstellt, die grundsätzlich veröffentlicht werden. Über die zweitägigen Sitzungen des Beirats wird ein kurzes Verlaufsprotokoll angefertigt, das nach der Satzung des Beirats nicht veröffentlicht wird. Nach der Satzung des Beirats sind die Beratungen nicht öffentlich und die Zusammenarbeit beruht auf Vertraulichkeit.

3Im Juni 2018 beantragte der Kläger beim Bundesministerium der Finanzen, ihm die Sitzungsprotokolle des Wissenschaftlichen Beirats zwischen 1998 und 2018 zu übersenden. Den Informationszugang lehnte das Bundesministerium ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, dem Kläger Zugang zu den Sitzungsprotokollen, soweit nicht die Teilnehmerlisten betroffen sind, ohne personenbezogene Daten zu gewähren und den Antrag auf Zugang zu den Teilnehmerlisten in den Protokollen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab.

4Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit geändert, als es die Klage auch abgewiesen hat, soweit der Kläger Zugang zu den in den Protokollen als Anlagen enthaltenen Vorträgen und Gutachten begehrt hat. Außerdem hat das Berufungsgericht die Beklagte, soweit der Kläger Zugang zu dem in den Protokollen aufgeführten Tagesordnungspunkt "Mitteilungen des Vorsitzenden" begehrt, zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts verpflichtet. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte im Hinblick auf die Protokolle und deren Anlagen als verfügungsberechtigte Behörde angesehen. Die Protokolle unterlägen keiner Geheimhaltungspflicht; die Vorschriften der Beiratssatzung begründeten kein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. Dies könne nur durch den Gesetz- und Verordnungsgeber geschaffen werden. Die Verschwiegenheitspflichten aus der Beiratssatzung begründeten mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit ebenfalls keine besondere Amtspflicht.

5Dem Informationsbegehren stehe nicht der Schutz von Beratungen nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG entgegen. Bei den Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats handele es sich nicht um Beratungen einer Behörde, weil der Beirat nicht Teil einer Behörde sei. Auch könne durch eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle nicht die politische Entscheidungsfindung des Bundesministeriums der Finanzen im Sinne des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG beeinträchtigt werden. Zudem könne das Bekanntwerden der Information keine nachteiligen Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden im Sinne von § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG haben.

6Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und trägt vor: Dem Bundesministerium fehle die Verfügungsberechtigung über die Protokolle des Beirats und daher auch die Zuständigkeit für den klägerischen Antrag. Dass die begehrten Informationen Teil der Akten der auskunftspflichtigen Behörde seien, genüge nicht. Ausschließlich verfügungsberechtigt sei vielmehr der Urheber der Information, also vorliegend der Beirat. Als unselbstständiges beratendes Bundesgremium könne er aber nicht Anspruchsgegner sein. Eine stillschweigende Übertragung der Berechtigung auf das Bundesministerium liege nicht vor.

7Zu Unrecht seien die Sitzungsprotokolle nicht als besonderes Amtsgeheimnis anerkannt worden. Es bedürfe keiner vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassenen Geheimnisschutznorm. Eine Satzung, wie hier die des Beirats, könne ausreichend sein. Es reiche, wenn sich aus der Eigenart des Amts ergebe, dass mit seiner Ausübung ein besonderes Amtsgeheimnis verbunden sei. Hier gewähre die Satzung dem Wissenschaftlichen Beirat erkennbar einen autonomen wissenschaftlichen Diskussionsraum. Zudem folge aus der Wissenschaftsfreiheit, auf die sich die Beiratsmitglieder berufen könnten, ein Recht auf die Entscheidungsfreiheit über den Zugang zu ihrem wissenschaftlichen Wirken.

8Zu Unrecht habe das Berufungsgericht den Schutz von Beratungen gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG nicht anerkannt. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müssten Beratungen des Beirats als nicht-informationspflichtige Stellen geschützt sein.

9Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Änderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom und des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom die Klage insgesamt abzuweisen.

10Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

12Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht auf keinem Verstoß gegen revisibles Recht.

131. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis auch zu Recht das Bundesministerium der Finanzen als nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG zuständige Behörde für die Bescheidung des Auskunftsantrags angesehen.

14Nach der als Zuständigkeitsbestimmung ausgestalteten Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet diejenige Behörde über den Informationszugang, der die Verfügungsberechtigung zusteht. Mit diesem Kriterium macht das Gesetz deutlich, dass die lediglich faktische Verfügungsmöglichkeit nicht ausreicht. Die Verfügungsberechtigung liegt aber auch nicht bereits dann vor, wenn die Information nach formalen Kriterien ordnungsgemäß Teil der Akten der grundsätzlich informationspflichtigen Behörde ist. Die ordnungsmäßige Zugehörigkeit zu den Akten ist nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Verfügungsberechtigung (vgl. 7 C 4.11 - Buchholz 400 IFG Nr. 7 Rn. 27).

15Verfügungsberechtigt über eine Information ist grundsätzlich diejenige Behörde, die die Information im Rahmen der Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat (siehe BT-Drucks. 15/4493 S. 14). Ihr ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Information im weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie demnach an mehreren Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberechtigung eine sachangemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufgabenverteilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsberechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunftspflichtigen Stelle Rechnung trägt. Insbesondere angesichts der umfangreichen Abstimmungspraxis unter den Behörden, aufgrund deren diese in großem Umfang als Teil der bei ihnen geführten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind, sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden, der die größte Sachnähe zum Verfahren zukommt bzw. die die Verfahrensführung innehat (vgl. 7 C 4.11 - Buchholz 400 IFG Nr. 7 Rn. 28). § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG ist daher auf den Fall einer Zuständigkeitskonkurrenz verschiedener Behörden zugeschnitten. Ist nur eine Behörde zulässigerweise im Besitz der Akten, ist sie verfügungsberechtigt. Sie hat zu prüfen, ob Ausschlussgründe vorliegen.

16Danach ist hier das Bundesministerium der Finanzen über die begehrte Auskunft verfügungsberechtigt. Nur das Bundesministerium der Finanzen ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG, so dass sich die Frage der Konkurrenz von Zuständigkeiten zwischen mehreren Behörden nicht stellt. Dem Wissenschaftlichen Beirat kommt dagegen nicht die Eigenschaft einer Behörde zu. Der Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist funktioneller Natur. Eine Behörde ist jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt ( 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431 Rn. 22). Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bezieht sich daher allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und der sonstigen Stellen des Bundes (vgl. 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 15). Ob Letzteres der Fall ist, bestimmt sich nach materiellen Kriterien in negativer Abgrenzung zu den anderen Staatsfunktionen (vgl. 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 13). Danach erfüllt der Wissenschaftliche Beirat den Behördenbegriff nicht.

17Zwar ist der Beirat teilweise organisatorisch selbstständig. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass seine Mitglieder auf Vorschlag des Beirats vom Bundesminister der Finanzen berufen und abberufen werden (§ 3 Satz 1 der Satzung des Wissenschaftlichen Beirats - im Folgenden: Satzung). Auch bestimmt der Beirat seinen Vorsitzenden selbst (§ 5 der Satzung). Die Mitglieder des Beirats sind zudem gegenüber dem Ministerium nicht weisungsgebunden (§ 1 der Satzung). Der Beirat leitet seine Existenz aber aus der Berufung gemäß der Ressorthoheit des Ministers nach Art. 65 Satz 2 GG und den vom Minister erlassenen und als Satzung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen bezeichneten Regelungen ab. Nach § 1 der Satzung soll der Beirat den Bundesminister der Finanzen in voller Unabhängigkeit und ehrenamtlich in allen Fragen der Finanzpolitik beraten. Dem Beirat sind damit keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts zugewiesen. Die Gutachten des Beirats sind zwar gemäß § 8 der Satzung grundsätzlich zu veröffentlichen. Allerdings ist dies Aufgabe des Bundesministers (§ 8 Satz 5 der Satzung). Der Beirat teilt die Ergebnisse der Beratungen dem Bundesminister lediglich durch gutachterliche Äußerungen mit (§ 8 Satz 1 der Satzung). Daher fehlt es im Sinne des funktionellen Behördenbegriffs des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG an einer nach außen gerichteten Tätigkeit des Beirats in eigener Zuständigkeit und im eigenen Namen. Insoweit unterscheidet sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission, die zwar auch ein "beim" zuständigen Ministerium gebildetes in erster Linie beratendes Gremium ist, das aber aufgrund des § 15 Abs. 2 LFGB befugt ist, außenwirksam zu handeln (vgl. - ZLR 2011, 113 <123>).

182. Versagungsgründe stehen dem Anspruch auf Zugang zu den streitigen Unterlagen nicht entgegen.

19a) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Berufungsgericht entschieden, dass sich die Beklagte nicht auf ein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 Var. 4 IFG berufen kann.

20aa) § 3 Nr. 4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften (vgl. 7 C 6.10 - Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 14 f., vom - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 11 und vom - 7 C 22.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 24 Rn. 12). Es bedarf daher einer Spezialvorschrift, die die Geheimhaltung gebietet (vgl. 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 21 und 25).

21Eine solche Spezialvorschrift ist auch im Falle des "besonderen Amtsgeheimnisses" im Sinne von § 3 Nr. 4 Var. 4 IFG erforderlich (vgl. 7 C 22.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 24 Rn. 11 ff.). Zwar legt der Wortlaut des § 3 Nr. 4 IFG nahe, dass eine Rechtsvorschrift nur für die erste Variante geboten ist. Die systematische Auslegung des § 3 IFG zeigt aber, dass es für sämtliche Tatbestandsvarianten des § 3 Nr. 4 IFG einer formalgesetzlichen Grundlage bedarf. In § 3 Nr. 1 bis 8 IFG werden amtliche Informationen vor einem Zugang durch die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Berechtigten durch ein komplexes System von Ausnahmegründen geschützt (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 1 und 8). Gemeinsam ist ihnen, dass sie dem Schutz "besonderer öffentlicher Belange" dienen. Dagegen sind die einzelnen Tatbestände der Nummern 1 bis 8 sowohl hinsichtlich der umfassten Schutzgüter als auch des Prognosemaßstabes unterschiedlich ausgestaltet (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 9). Auch in rechtstechnischer Hinsicht weisen die verschiedenen Nummern signifikante Unterschiede auf, wie sich an der singulären Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8, aber auch und gerade an § 3 Nr. 4 IFG zeigt, der als einziger Ausschlussgrund als Rezeptionsnorm ausgestaltet ist und damit den spezialgesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften den Vorrang einräumt. Dieses auf einer gesetzgeberischen Entscheidung beruhende differenzierte System von Ausschlussgründen würde in Frage gestellt und weitgehend entwertet, hätte es die Exekutive in der Hand, unabhängig hiervon über den Inhalt und die Reichweite eines Amtsgeheimnisses ohne gesetzliche Grundlage selbst zu entscheiden.

22Bedarf es daher für die Bejahung eines Amtsgeheimnisses einer Rechtsvorschrift, so genügt auch insoweit eine untergesetzliche Rechtsvorschrift in Gestalt einer Rechtsverordnung ( 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 11 ff.).

23Solch eine Vorschrift besteht im Hinblick auf das hier in Rede stehende besondere Amtsgeheimnis nicht. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, dass weder § 6 Satz 3 noch § 9 der Satzung ein besonderes Amtsgeheimnis begründende Spezialvorschriften seien, weil es sich um reines Binnenrecht dieses Gremiums handelt, das nur die innere Organisation eines Organs und den Ablauf seiner Meinungs- und Willensbildung regelt. Ebenso wie bei einer Verwaltungsvorschrift fehlt es einer Geschäftsordnung an der Außenwirkung, die für eine Rechtsvorschrift charakteristisch ist (vgl. - zu § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO - 7 N 1.87 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 17 S. 3 f.; Urteile vom - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 16 und vom - 7 C 19.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 29 Rn. 30).

24Zu Recht weist das Berufungsgericht außerdem darauf hin, dass zwar das Ressortrecht des Art. 65 Satz 2 GG als solches nicht dem Zugriff des Gesetzgebers unterliegt, das Recht der Minister im Rahmen gesetzlicher und haushaltsrechtlicher Vorgaben, Organisation und Verfahren im Ressort zu bestimmen, gesetzliche Regelungen aber nicht ausschließt und daher auch spezielle Ausschlusstatbestände ohne Weiteres denkbar sind (vgl. auch 7 C 19.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 29 Rn. 32). Dem Ressortprinzip ist insbesondere keine spezifische, den Ausschluss eines Informationszugangs nach dem Informationsfreiheitsgesetz rechtfertigende Ermächtigung für weitergehenden Geheimnisschutz zu entnehmen. Art. 65 Satz 2 GG ermächtigt den Minister nur dazu, sein Ressort und dessen Organisation durch Binnenrecht auszugestalten.

25bb) Aus der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG kann die Revision ebenfalls kein besonderes Amtsgeheimnis herleiten. Dem steht entgegen, dass die Wissenschaftsfreiheit unmittelbar kein Recht auf Vertraulichkeit von Äußerungen vermittelt bzw. es dem Gesetzgeber vorbehalten ist, ein solches Recht oder einen dem Informationszugangsrecht entgegenstehenden Versagungsgrund zu schaffen. Schranken können sich zwar aus kollidierenden Grundrechten und damit aus der Verfassung selbst ergeben. Ihre Konkretisierung unterliegt aber grundsätzlich dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. - BVerfGE 83, 130 <142> und - BVerfGE 108, 282 <297, 302, 311>) und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage (vgl. - BVerfGE 111, 147 <158>). Daran fehlt es vorliegend.

263. Der Ausschlussgrund der Beeinträchtigung von Behördenberatungen nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG liegt gleichfalls nicht vor. Es kann dahinstehen, ob der Wissenschaftliche Beirat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts organisatorisch ein Teil des Bundesministeriums der Finanzen ist. Die Beratungen des Beirats sind in der Regel keine Beratungen des Ministeriums.

27Gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfällt dem Schutz der Beratung nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher. Ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Beratungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung. Die amtlichen Informationen sind deshalb nur dann geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Das trifft zwar auf viele Informationen zu, die in einem Verwaltungsverfahren anfallen; das gesamte Verwaltungsverfahren als solches fällt damit aber nicht unter den Begriff der Beratung (vgl. 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26 und vom - 7 C 34.17 - Buchholz 404 IFG Nr. 34 Rn. 13 m. w. N.).

28Hieran gemessen sind die Sitzungstätigkeiten des Beirats, die Gegenstand der Sitzungsprotokolle geworden sind, in der Regel keine Beratungen des Bundesministeriums. Aus den Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats ergeben sich Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld vor den eigentlichen Beratungen im Ministerium. Die Beratungen des Beirats schaffen mithin die tatsächlichen und sonstigen Grundlagen der behördlichen Willensentscheidung. Sie bilden aber nicht den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung ab und lassen keine gesicherten Rückschlüsse auf die spätere Meinungsbildung zu. Zwar berät auch der Wissenschaftliche Beirat zu einzelnen Tagesordnungspunkten. Diese Beratungen sind aber nicht Teil des behördlichen Willensbildungsprozesses, sondern der behördlichen Willensbildung vorgelagert.

29Allerdings können der Bundesminister der Finanzen und seine Beauftragten an den Sitzungen des Beirats teilnehmen (§ 7 Satz 1 der Satzung). Falls bei einem solchen Zusammentreffen die behördliche Willensbildung stattfinden sollte, wären diese Beratungen womöglich von § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG geschützt. Das Berufungsgericht hat aber für einen solchen Fall nichts festgestellt und Entsprechendes wird auch nicht vorgetragen.

304. Schließlich hat das Berufungsgericht im Hinblick auf das Nichtvorliegen des Versagungsgrunds des § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG wegen der Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls III/18 nicht gegen Bundesrecht verstoßen.

31Nach § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG ist der Informationszugang ausgeschlossen, wenn aufgrund der konkreten Umstände durch das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Das erfordert eine auf konkreten Tatsachen beruhende prognostische Bewertung (vgl. 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 30). Diesen Maßstab legt das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde und würdigt den Vortrag der Beklagten dahin, sie lasse bereits offen, ob die internen Einschätzungen überhaupt Schwächen der Regulierung konkret aufgezeigt hätten oder ob hier nur eine entfernte Möglichkeit bestehe, dass aus den im Protokoll enthaltenen Ausführungen auf Schwächen geschlossen werden könne. Soweit die Revision hierzu rügt, ihre Darlegung sei vom Berufungsgericht nicht richtig verstanden worden, betrifft das, ohne dass eine Verfahrensrüge erhoben worden ist, den nicht revisiblen Teil des Berufungsurteils.

32Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:050522U10C1.21.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-21239