BGH Urteil v. - III ZR 216/20

Beweiskraft des Tabestands bei nachgelassenem Schriftsatz

Leitsatz

Zum Verhältnis von § 314 ZPO und § 283 ZPO.

Gesetze: § 283 ZPO, § 314 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: III ZR 216/20 Beschlussvorgehend Az: 12 U 1702/19vorgehend Az: 1 O 43/19

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt den beklagten Fahrzeughersteller aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns, hilfsweise im Wege gewillkürter Prozessstandschaft, auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug sowie auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

2Der Ehemann der Klägerin erwarb von der Beklagten im Juli 2015 ein gebrauchtes, von ihr hergestelltes Fahrzeug, das mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 ausgestattet ist. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

3Die Abgasreinigung erfolgt in dem Fahrzeug über die Abgasrückführung (AGR), bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Aufgrund einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ("Thermofenster") wird die Abgasrückführung außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs zurückgefahren.

4Die Klägerin macht geltend, die Motorsteuerungssoftware in dem Fahrzeug sei in unzulässiger Weise so konfiguriert und bedatet worden, dass ausschließlich der Prüfstandtest nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus bestanden werde. Mit der Klage verlangt sie Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs die Zahlung von 31.838,24 € (Erstattung des Kaufpreises und angefallener Finanzierungskosten) nebst Zinsen, die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Gründe

6Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

7Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe gegen die Beklagte weder vertragliche noch deliktische Ansprüche. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 826 BGB. Der Klägerin (richtig: dem Ehemann der Klägerin) sei von der Beklagten nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt worden. Das Verhalten der Beklagten, ein mit einem Motor ausgestattetes Fahrzeug, in dessen Steuerung ein Thermofenster installiert sei, in den Verkehr zu bringen, sei im vorliegenden Fall nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen.

8Bei einer die Abgasreinigung (Abgasrückführung und Abgasnachbehandlung) beeinflussenden Motorsteuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden Thermofenster, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeite wie auf dem Prüfstand und bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft erwogen werden könnten, könne bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden beziehungsweise Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Solche Anhaltspunkte seien weder konkret vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Dass auf Seiten der Beklagten die Erkenntnis eines möglichen Gesetzesverstoßes zumindest in Form eines billigenden Inkaufnehmens desselben vorhanden gewesen sei, sei von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin weder dargetan noch aus den Gesamtumständen ersichtlich. Die europarechtliche Gesetzeslage sei nicht eindeutig. Eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne aber nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden.

9Vor dem Hintergrund des fehlenden sittenwidrigen, täuschenden Verhaltens der Beklagten bleibe auch kein Raum für eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichen mit dem Vorsatz gehandelt hätten, über eine Eigenschaft des Fahrzeugs zu täuschen. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 beziehungsweise i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV lasse sich kein Schadensersatzanspruch der Klägerin herleiten, weil ein Schutzgesetzcharakter dieser Vorschriften zu verneinen sei.

10Schließlich seien (mögliche) vertragliche Ansprüche zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 bereits verjährt gewesen, weil die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB seinerzeit bereits abgelaufen sei. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB und damit die regelmäßige Verjährungsfrist nicht zur Anwendung gelange. Die Beklagte habe der Klägerin weder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen Schaden zugefügt noch sei ihr ein arglistiges Verschweigen im Sinne dieser Norm vorzuwerfen.

II.

11Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision nicht auf einen deliktischen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB beschränkt.

121. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die - wie hier - nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Entscheidungsformel im Lichte der Urteilsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann(st. Rspr., zB , WM 2020, 1862 Rn. 13 und vom - III ZR 263/20, juris Rn. 15). Demgegenüber ist eine Beschränkung der Zulassung auf andere Rechtsfragen, Anspruchselemente oder einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen nicht zulässig (, NVwZ 2019, 1696 Rn. 7 und vom aaO, jew. mwN).

132. Daran gemessen wäre eine etwaige Beschränkung der Revisionszulassung auf einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB jedenfalls unwirksam. Ob sich eine Beschränkung des Rechtsmittels überhaupt hinreichend deutlich aus den Entscheidungsgründen ergibt, kann daher auf sich beruhen.

III.

14Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

151. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB zu Recht verneint. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Ehemann der Klägerin nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt.

16Ob ein Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des Revisionsgerichts unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur , WM 2021, 2153 Rn. 16 und vom - III ZR 270/20, juris Rn. 13, jew. mwN).

17a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem Thermofenster keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Ehemanns der Klägerin darstellt.

18Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht allein der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei bestimmten Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung objektiv als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist.

19Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre der darin liegende - revisionsrechtlich zu unterstellende - Gesetzesverstoß aber für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz des Thermofensters eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hat. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. aaO Rn. 22 und vom aaO Rn. 15; , WM 2021, 2105 Rn. 13 und vom - VII ZR 190/20, WM 2021, 2108 Rn. 16, jew. mwN). Das Berufungsgericht hat ein solches Vorstellungsbild und Verhalten dieser Personen nicht festzustellen vermocht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

20aa) Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (Senatsurteil vom aaO Rn. 16, vgl. auch aaO Rn. 30). So liegt der Fall auch hier.

21(1) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems im Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens, das Thermofenster lasse eine voll wirksame Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich zwischen 17 und 30°C zu (vgl. aaO Rn. 15 ff). Selbst dann erfolgt die Abgasreinigung nicht in der Weise, dass bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird (vgl. Senat aaO Rn. 17; , WM 2021, 652 Rn. 27).

22(2) Zutreffend hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass eine zweifelhafte Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit des Thermofensters bestand (vgl. zB , WM 2022, 539 Rn. 24 und vom aaO Rn. 18; Senatsbeschluss vom - III ZR 202/20, juris Rn. 15; aaO Rn. 31).

23bb) Revisionsrechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gesehen hat, dass die für die Beklagte handelnden Personen gleichwohl das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Revision zeigt weder vom Berufungsgericht festgestellten noch von diesem übergangenen entscheidungserheblichen Sachvortrag der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin auf, dem solche Anhaltspunkte zu entnehmen sind. Soweit sie gegenüber dieser Feststellung der Vorinstanz geltend macht, die Beklagte habe in Täuschungsabsicht das Thermofenster gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt verheimlicht, fehlt es an der Erhebung einer ordnungsgemäß begründeten Verfahrensrüge (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

24(1) Die ordnungsgemäße Begründung einer Verfahrensrüge erfordert, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, konkret bezeichnet und dessen Auswirkungen auf die Entscheidung aufgezeigt werden ( aaO Rn. 24 und vom - III ZR 261/20, NJW-RR 2022, 243 Rn. 25; , WM 2021, 1609 Rn. 16 mwN). Geht die Rüge dahin, dass ein Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt wurde, muss dieser unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Tatsacheninstanzen genau bezeichnet werden. Darüber hinaus muss sich aus dem Vorbringen des Revisionsführers ergeben, dass es sich um prozessual berücksichtigungsfähiges Vorbringen, insbesondere um Tatsachenbehauptungen von ausreichender Substanz handelte (BGH aaO mwN).

25(2) Daran gemessen fehlt es hier an der Rüge eines konkreten Verfahrensmangels. Die Revision verweist nur auf den Instanzvortrag der Klägerin, die Beklagte habe die Existenz und die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters der Genehmigungsbehörde gegenüber nicht offengelegt. Die von der Revision daran anknüpfende ohnedies keinesfalls zwingende Schlussfolgerung, dass die unterlassene Offenlegung in Täuschungsabsicht erfolgt sein müsse, war jedoch nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Vortrags.

26Soweit die Ausführungen der Revision auf die Erhebung einer Verfahrensrüge in Gestalt einer Gehörsrüge abzielen, fehlt es im Übrigen an Vortrag dazu, dass das Vorbringen der Klägerin insoweit prozessual beachtlich gewesen ist. Dabei kann offenbleiben, ob der Vortrag zur unterlassenen Offenlegung des Thermofensters im Ansatz geeignet war, das Bewusstsein über die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu begründen (vgl. dazu Senatsurteil vom aaO Rn. 22; , juris Rn. 20). Denn die Beklagte hat, wie im Tatbestand des Berufungsurteils durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil festgestellt, demgegenüber erklärt, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens alle seinerzeit erforderlichen Angaben gemacht zu haben. Auf den von der Revision in Bezug genommenen Klägervortrag hat die Beklagte erwidert, dass die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens offenzulegenden Angaben zu dem verwendeten Emissionsminderungssystem erfolgt seien, wozu Angaben zu etwaigen Abschalteinrichtungen nicht gehört hätten. Die Revision zeigt nicht auf, ob die Klägerin diesen offensichtlich eine Reaktion erfordernden Sachvortrag der Beklagten bestritten und wenn ja, was sie darauf erwidert hat (vgl. aaO Rn. 17).

27b) Zu weiteren Abschalteinrichtungen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die insoweit von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe übergangen, dass die Klägerin über das Thermofenster hinaus zu offensichtlich unzulässigen, weil auf die Prüfstanderkennung bezogenen Abschalteinrichtungen sowie einer Manipulation des OBD-Systems vorgetragen habe, greift nicht durch.

28aa) Der für das Revisionsverfahren maßgebliche Prozessstoff bestimmt sich nach § 559 ZPO. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist.

29bb) Der Senat hat aufgrund der Beweiskraft des Tatbestands gemäß § 314 ZPO davon auszugehen, dass das mündliche Vorbringen der Klägerin in der zweiten Instanz keinen Vortrag zu anderen Abschalteinrichtungen oder zum OBD-System beinhaltete. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand seines Urteils festgestellt, die Berufungsbegründung des Klägers befasse sich ausschließlich mit dem Vorwurf des Einbaus eines unzulässigen Thermofensters. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung bezieht sich diese Feststellung nicht nur auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes im Sinne von § 520 ZPO, sondern auf das gesamte Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz (vgl. Senat, Urteil vom aaO Rn. 23 [zu , BeckRS 2020, 24352 Rn. 10]; aaO Rn. 27 [zu , BeckRS 2020, 26331 Rn. 10] und VII ZR 286/20, juris Rn. 27 [zu , BeckRS 2020, 34061 Rn. 10]; Beschluss vom - VII ZR 295/20, juris Rn. 21 [zu , BeckRS 2020, 52878 Rn. 10]). Das Berufungsgericht hat dem Begriff "Berufungsbegründung" erkennbar eine entsprechend weite Bedeutung beigemessen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass es im Tatbestand neben der vorstehenden Feststellung als Vortrag der Klägerin nur noch deren Rechtsauffassung wiedergegeben hat, der Einbau des Thermofensters sei als sittenwidrig zu bewerten und das Klagebegehren sei somit sowohl unter kaufrechtlichen als auch unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Überdies bestand für das Berufungsgericht kein Anlass, nur den Inhalt des Schriftsatzes wiederzugeben, den die Klägerin binnen der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO beim Berufungsgericht eingereicht hat. Im Gegenteil wäre es verpflichtet gewesen, auch etwaigen späteren wesentlichen Vortrag im Tatbestand zu berücksichtigen (§ 313 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

30Eine etwaige Unrichtigkeit der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung kann grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren (§ 320 ZPO) geltend gemacht und gegebenenfalls behoben werden. Eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt zur Richtigstellung eines derartigen Mangels nicht in Betracht (, WM 2015, 1562 Rn. 49; vgl. auch , WM 2021, 2105 Rn. 18 und vom aaO Rn. 27 mwN). Einen Tatbestandsberichtigungsantrag hat die Klägerin jedoch nicht gestellt. Die tatbestandliche Feststellung steht damit der Annahme entgegen, dass erstinstanzliches Vorbringen zu weiteren Abschalteinrichtungen Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen ist.

31cc) Die Verfahrensrüge der Klägerin greift auch nicht durch, soweit sie sich auf den Klägervortrag in dem vom Berufungsgericht nachgelassenen Schriftsatz vom bezieht. Dabei kann auf sich beruhen, ob die Beweiskraft des Tatbestands gemäß § 314 Satz 1 ZPO sich auch auf den Inhalt von nachgelassenen Schriftsätzen erstreckt, die nicht mehr Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind (verneinend: Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 314 Rn. 2). Die Wirkung des § 314 Satz 1 ZPO kann jedenfalls nur insoweit nicht mehr eingreifen, als der nachgelassene Schriftsatz gemäß § 283 ZPO berücksichtigungsbedürftiges Vorbringen enthält. Es muss sich auf neuen, verspäteten Sachvortrag des Gegners beziehen. Nicht berücksichtigungsbedürftig im nachgelassenen Schriftsatz ist hingegen neuer Sachvortrag, der über eine Replik hinausgeht oder sich auf früheres, lediglich wiederholtes Vorbringen des Gegners bezieht (, NJW 2018, 1686 Rn. 22 ff; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 283 Rn. 5). Das bedeutet, dass berücksichtigungsbedürftig in dem der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz vom lediglich Vorbringen auf neuen Sachvortrag in dem verspäteten Schriftsatz der Beklagten vom war. Neu in diesem Schriftsatz war hinsichtlich der (angeblichen) Abschalteinrichtungen allenfalls die detaillierte Darstellung der technischen Wirkungsweise der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Dass dieser Mechanismus keine Prüfstanderkennungssoftware beinhaltet, das heißt, auf dem Prüfstand und im Echtbetrieb gleichermaßen funktioniert, hatte die Beklagte indessen bereits in ihrer Berufungserwiderung vom vorgetragen.

32Soweit sich das Bestreiten des Beklagtenvortrags in dem Schriftsatz vom durch die Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom überhaupt auf den letztgenannten Punkt beziehen sollte, wäre es damit nicht mehr berücksichtigungsbedürftig.

33Ist demgemäß revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die im Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin verbaute Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung nicht nur bei erkanntem Prüfstandslauf aktiviert wird, fehlt es an dem auch aus der Sicht der Revision maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen (vgl. , BGHZ 225, 316 Rn. 16 ff und vom aaO Rn. 19; Beschluss vom - VII ZR 602/21, juris Rn. 25 mwN).

342. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ergeben sich auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund.

35a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises aus § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 434 Abs. 1, § 440, § 323 Abs. 1, §§ 346, 348 BGB. Der von der Klägerin am erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ist gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls unwirksam, weil ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch wegen der Implementierung des Thermofensters zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen ist. Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 3 BGB unter Bezugnahme auf seine Ausführungen zu § 826 BGB mit der Begründung verneint hat, der Beklagten sei kein arglistiges Verschweigen des - insoweit unterstellten - Mangels vorzuwerfen. Demzufolge war ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch gemäß § 437 Nr. 1 BGB nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB schon 2017 verjährt.

36b) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die in § 437 Nr. 3 BGB bezeichneten Ansprüche auf Schadensersatz und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Sie sind wegen der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung jedenfalls nicht durchsetzbar.

37c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit einem Thermofenster keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 26 mwN) und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 27 ff mwN) zustehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:020622UIIIZR216.20.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-17293